Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022
Mein Traum vom Camino Portugues, eine Schnapsidee, gewagte Idee, totaler Irrsinn oder eine Möglichkeit? Wer wagt kann verlieren, wer nichts wagt hat schon verloren. Man kann mehr als man denkt, man ist stärker als man denkt. Aufgeben ist keine Option, wenigstens probieren. Seit meinem ersten Camino, dem Camino Frances sind inzwischen 14 Jahre vergangen, vor 11 Jahren beendete ich die Via Plata und den Camino Finisterre. Und auch nach diesen vielen zu Fuß zurückgelegten Kilometern hatte ich noch nicht genug vom Pilgern. Diese Reisen waren das Beste was ich je erlebt habe. Nie wieder habe ich mich so gut, so frei und losgelöst vom Alltag gefühlt. Auf der Via Plata zeigten sich rückblickend 2010 schon erste Krankheitszeichen. Zwar kam ich schnell vorwärts, konnte lange Etappen laufen, aber das Überqueren von Bächen auf Steinen fiel mir schwer. Aller liefen leichtfüßig über die „Pseudobrücken“, nur ich wackelte dabei und zog es vor meine Schuhe und Hose auszuziehen um die Bäche direkt zu durchschreiten. Auch wunderte ich mich, dass der linke Arm immer angewinkelt und fest war, aber das war es auch. Im Mai 2012 kam meine MS-Diagnose. Im ersten Moment war ich erleichtert, denn ich spürte schon lange, dass was nicht richtig ist, nur meine Ärzte schoben alles auf meine Psyche. Vier Wochen nach der Diagnose, bevor ich mit der medikamentösen Therapie anfing, flog ich spontan nach San Sebastian und lief 320 Kilometer auf dem Camino del Norte. Dieser Weg war der einzige Weg, den ich von jetzt auf gleich beendete. Es war nicht „mein“ Weg, ich habe ihn nicht langfristig geplant und wirklich gewollt. Es war eher eine Flucht von mir und der Diagnose, ich wollte mir beweisen, dass das Leben ganz normal weiter geht. Aber nichts war mehr so wie vorher. Auch war der „del Norte“ nicht mein Weg. Ende Juni war es sehr heiß, die Unterkünfte waren übervoll, ich hatte Schmerzen im Fuß und als eine Bar am Wegesrand geschlossen hatte in der ich frühstücken wollte und ein Bus an der Bushaltestelle in der Nähe stand, bin ich einfach eingestiegen und zurück gefahren. Noch am gleichen Tag war ich wieder zu Hause und es hat sich absolut richtig angefühlt. Mein Herz war nicht mit auf dem Weg gewesen. Den Camino Primitivo habe ich mir aus vollem Herzen gewünscht und wollte ihn schon anlässlich meines 40. Geburtstages gehen, aber die Reha und der schwerste Schub den ich bis heute hatte kam dazwischen. Es war ein tolles Gefühl, diesen anspruchsvollen Weg im Jahr 2014 nach der schweren Zeit im Vorfeld zu laufen. Es ging und ich habe es geschafft. Danach habe ich eigentlich das Thema Jakobsweg für mich abgeschlossen. Wie soll ich halbwegs vernünftig einen Jakobsweg gehen, wenn ich körperlich viele kleine Baustellen habe. Und auch wenn ich im Herzen immer Pilger bin und bleibe, das Thema lässt mich bis heute nicht los. Unerwartet und ungeplant bin ich 2019 den Camino Inles gelaufen. Eigentlich wollte ich mit einer Freundin Urlaub in Spanien machen, aber sie wurde krank und ich hatte keine Lust alleine in einem kleinen Fischerdorf an der spanischen Küste zu sein. Der Weg von Ferrol nach Santiago ist nur ca. 113 Kilometer kurz, aber es war mein schwerster Weg. Viele Höhenmeter, nicht immer bekam ich aufgrund meiner Langsamkeit ein Bett, Fußschmerzen bei jedem Schritt wegen einem chronischen Fersensporn. Aber wieder bin ich angekommen. Sowohl in der ersten Kapelle in Santiago, als auch vor der Kathedrale, habe ich Rotz und Wasser geheult. Es war so anstrengend, ich habe mich echt gequält, aber es hat sich gelohnt. Viele Eindrücke von dem Weg habe ich heute nicht in mir. Es Überwiegen die Bilder von Schmerzen, hohen Bergen, keinen tiefgreifenden Gesprächen, keine starken bleibenden Eindrücke. Seit dem war das Thema Pilgern für mich abgehakt. Die Erkrankung schreitet voran, ich habe (wenn ich sie auch nicht immer nutze) Schienen für beide Unterschenkel, ich mache mir Gedanken wann der richtige Zeitpunkt ist mir einen Rollator zuzulegen, ich stolper gerne, fallen nicht ausgeschlossen, ich leide unter Spastik und neuropathischen Schmerzen, irgendwas tut immer weh, musste aus aus meinem laufenden Beruf raus und genau jetzt denke ich über einen neuen Weg nach. Der Camino Portugues hat mich in all den Jahren nie gereizt, ich wollte diesen Weg nie laufen. Und schon seit letztem Jahr denke ich immer wieder daran, es noch einmal zu versuchen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Die MS wird nicht besser werden, aus dem schubförmigen Verlauf bin ich raus, ich bin sekundär progredient. Für diese Verlaufsform gibt es keine (oder seit kurzem die ersten) Medikamente. Zu erst kaufte ich mir nur den Reiseführer, einfach mal durchblättern. Und ganz plötzlich buchte ich im März meine Flüge nach Porto. Ich war ganz euphorisch, und ging danach direkt an die Etappenplanung. Hier sind mir 2 Kilometer immer schon grenzwertig viel, und nun will ich 240Kilometer laufen? Nach wie vor weiß ich nicht wie ich das machen soll. Aber es soll irgendwie hoffentlich gehen. Es wird ein ganz, ganz anderer Camino als alle anderen zuvor. Es wird eine Auseinandersetzung mit mir und meiner Krankheit. Auch wenn ich es schaffen sollte die geplanten Etappen zu laufen, wird mir bei jedem Schritt bewusst sein, dass es nicht mehr so ist wie früher. Den Rucksack werde ich transportieren lassen – ich stehe mit zwei Transportunternehmen in Kontakt. Alle Herbergen sind vorgebucht (bis auf 2 die mir noch fehlen). Mein Beatmungsgerät kommt mir, ich benötige es um mich nachts ausreichend erholen zu können. Das Gerät ist nicht schwer, aber da der Rucksack transportiert wird, kommt es nicht auf ein Gramm an. Erst heute war ich wieder so gerührt über die Hilfe die mir auf dem Weg entgegengebracht wird. In Rates gibt es keine private Albergue zum Vorbuchen. Ich habe die Herberge angemailt, und man hat mir am gleichen Tag schon geantwortet. Es gibt eine deutsche Hospitaliera, Volunteer, mit der ich Kontakt aufgenommen habe. Man hat mir ein Bett zugesagt was unüblich ist in öffentlichen Herbergen, aber besondere Pilger benötigen besondere Bedingungen. Heute Abend chatten wir war, um zu schauen, ob ich sonst irgendwo bei Hilfe gebrauche. Auch die Albergue in Briallos hat mir geantwortet, dass ich mir keine Sorgen machen müsste. Es gäbe in Galicien immer Betten für beeinträchtigte Pilger, ich müsste mich vorher nicht melden. Aber damit ich mich entspannter auf den Weg machen könnte, würden sie für mich auch noch Kontakt mit den folgenden Herbergen aufnehmen. Ich freue mich auf den Weg und habe auch ganz viele Zweifel in mir. Aber wenn ich den Weg nicht in nächster Zeit in Angriff nehme mache ich es nicht mehr, bzw. kann ich es irgendwann wirklich nicht mehr. Auch im Pilgerforum wurden mir nette Hilfen angeboten, von Begleitung bis Fahrradetappen. Aber darauf kann ich mich nicht einlassen. Es ist nicht meine Art mit fremden Menschen gemeinsam zu laufen. Wenn es sich durch Gespräche und langsames Kennenlernen auf dem Weg passiert, dann ist das was Anderes. Aber dennoch fand ich dieses Angebot nett.