Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022


07.04.2024
...das Training geht weiter!

Mal wieder ist es Wochenende und das Wetter soll frühlingshaft und warm werden. Die richtige Gelegenheit mich wieder auf den Weg zu machen.

Heute soll der Hermannweg weiter fortgesetzt werden. Es geht von Dissen nach Halle/Westfalen, ca. 20km.

Damit ich nicht unter Zeitdruck gerate stelle ich mir am freien Samstag den Wecker um den Zug um kurz nach 9 Uhr nach Dissen zu nehmen. Ein Umstieg mit Wartezeit steht in Osnabrück an. 

Die Bahnfahrt vergeht ohne Besonderheiten, in Osnabrück gönne ich mir einen Milchkaffee und am Bahnhof finde ich den Wegweiser zum Weg den ich letztes Mal aus dem Wald heraus nicht gefunden habe. Anfangs folge ich der Ausschilderung, irgendwann stehe ich wieder ohne Wegweiser da und laufe einfach Richtung Wald. Ein Sträßchen führt langsam aufwärts zum Waldrand, geht in einen Acker/Wiesenweg zwischen den Rapsfeldern weiter und führt fast an die Stelle wo ich letztes Mal aus dem Wald herausgekommen bin. Schnell bin ich am Wegweiser zum Hermannsweg und direkt geht es steil bergauf. Rechts und links stehen große Felder mit grünen Pflanzen und ein mich überholendes Ehepaar hat Körbe dabei und geht in die grünen Pflanzen. Ich frage nach was die Herrschaften pflücken und man erklärt mir, dass es Bärlauch ist. Er steht kurz vor der Blüte und die kurze Bärlauchsaison hat begonnen. 

Da ich heute erstmals mit meinem Rucksack unterwegs bin und auch einige leere Beutel dabei habe, pflücke ich spontan auch Bärlauch. Auch frisch gepflückt kann man ihn essen. Lecker mit einer schönen Knoblauchnote. Was mache ich daheim mit dem ganzen Bärlauch??? Ich muss mich heute Abend schlau lesen.

Der Weg ist wunderschön und bezaubernd. Überall Bärlauch, es geht steil auf und ab, der Lerchensporn blüht auch noch. Der Weg verläuft schmal und uneben auf Wurzel- und Steinwegen über den Kamm. 

Ich erreiche einen Aussichtsturm, der als Beginn der Etappe im Reiseführer derklariert wird, mitten im Wald der Beginn? Und andererseits steht im Buch: die Etappe beginnt am Bahnhof Dissen...

Egal. Ich steige auf den Turm hinauf und die Treppen sind ganz schön anstrengend. Mein Rucksack kommt mir sehr schwer vor. Auf dem Turm hat man einen schönen Blick über die ganze Region. Wieder unten angekommen ziehe ich mich mitten auf dem Weg um. Die Anstrengung und die steigenden Temperaturen lassen mich das Wetter als sehr warm empfinden. Aber wozu habe ich alles dabei? Jacke aus, Langarmshirt aus und schnell in das T-Shirt geschlüpft. Eine kurze Hose ist noch nicht dabei und so krempele ich mir die Jeans so weit hoch wie möglich. Gegen 13.30 Uhr mache ich Pause auf einer Bank in der Sonne und es gibt mein mitgebrachtes Picknick. Wasser, Quark und Banane.

Der Weg kommt mir heute weit und anstrengend vor. Es sind über 900 Höhenmeter auf und ab und die Zeit schreitet gefühlt schnell voran im Vergleich mit den Kilometern. Bevor es nach Borgholzhausen steil hinab geht komme ich zu einem weiteren Aussichtsturm, dem Luisenturm. Unterhalb dieses Turmes gibt es eine kleine Hütte zum Einkehren. Alle Tische sind voll und so nehme ich mir einen freien Stuhl und stelle ihn, nachdem ich natürlich auch auf diesen Turm gestiegen bin, vor eine Hecke. Der Kuchen lacht mich nicht an, auch wenn mir nach einem Stück wäre, besonders toll sieht er nicht aus. Ich bestelle einen Cappuchino und entscheide mich für hartgekochtes Osterei das auf dem Tresen liegt. Das Ei ist umsonst. Was genau auf dem Cappuchino schwimmt kann ich nicht definieren. Milchschaum ist es nicht, vielleicht Buttercreme? Von der Konsistenz her könnte es sein. Schmecken tuts süß und nicht sonderlich, aber egal. Beine ausstrecken, Füße etwas erholen lassen. Aufgrund meines großen Rucksackes werde ich angesprochen, ob ich den Hermannsweg durchlaufe. Ich komme mit zwei Damen ins Gespräch, erkläre was ich vorhabe und siehe dar: beide sind auch schon verschiedene Caminos gelaufen, und eine der beiden läuft sich gerade für ein Teilstück des Portugues ein. Ich packe noch eins der zu verschenkenden Eier für später ein und laufe weiter.

Der Abstieg nach Borgholzhausen ist knackig und steil, ein verrückter Radler schießt an mir vorbei und gedanklich wünsche ich ihm alles Gute.

In Borgholzhausen geht es eine Weite über verschiedene Betonstraßen und dann wieder steil den Berg hinauf zur Burgruine Ravensberg. Die 800 Meter steil hinauf ziehen sich in die Länge und die Burg schaue ich mir heute nicht an, ich kenne sie. Langsam reicht es mir für heute und ich möchte ankommen. Nachdem es wieder aufwärts ging stehe ich auf einer Lichtung und kann in ein Tal herabsehen. Hinter dem Tal kommt der nächste Berg und ich sehe einen Weg und ich bin mir sicher: dass ist meiner. Unten quaken die Frösche in einem See und zwei ältere Damen weisen mich darauf hin, dass es nicht mehr sooo weit ist, dafür aber ein ordentliche Anstieg ansteht. Der jetzt kommende Anstieg zieht sich lange hin und es geht gut hinauf. Mir war nicht bewusst, dass unser Teuto so bergig ist. Irgendwann bin ich oben, erst steil, dann weniger steil aber langstreckig ansteigend. Auf der Höhe geht es weiter und ich kann mein Tagesziel vor mir sehen. Der Wind pfeift auf der Höhe und mehr oder weniger laufe ich an Halle vorbei. Ich höre die Glocken läuten, suche nach der mir so gut bekannte Johanniskirche und finde sie irgendwann. Von der hohen Egge, geht es steil bergab und irgendwann erreiche ich die Straße und laufe in die Stadt zum Bahnhof. 

Eigentlich hatte ich mir immer vorgenommen diese Etappe mit einem Besuch meiner Schwester und ihrer Familie in die in diesem Ort wohnen zu verbinden, aber Kerstin ist auf Konzertreise. Wäre sie da gewesen, hätte ich überlegt dort zu übernachten um am nächsten Tag weiter nach Bielefeld zu laufen, aber morgen soll es mal wieder regnen.

Heute war der erste Wandertag auf dem mir die Beine nicht gezittert haben! 

Ich muss eine halbe Stunde auf den Zug warten, habe in Osnabrück Aufenthalt und bin nach 1,5h wieder in Münster. Es war ein schöner Tag!

Leider wurde mir, derweil ich unterwegs war, meine Fahrradbatterie geklaut. Ich bin fertig, müde und erbost über den Diebstahl und muss erst mal wieder auf den Bus warten um endgültig nach Hause zu kommen. Ohne Batterie funktioniert der Akku nicht, geschweige denn dass das Licht leuchtet.


13./14. April 2024

Die für dieses Wochenende angedachte Wanderung muss leider ausfallen.

Dienstag bin ich zum Dienstende die Treppe hinuntergestürzt, habe diverse Prellungen, Stauchungen und Hämatome und vor allem macht der linke Fuß Probleme. Ich weiß nicht, ob ich umgeknickt bin oder was passiert ist, aber es hat ordentlich gerumpst. Der Fuß tut noch immer weh, richtig abrollen geht nicht, aber letztendlich habe ich Glück gehabt, es hätte schlimmer enden können und besser jetzt als demnächst.

Der Rucksackinhalt ist so gut wie komplett, nur noch einige Hygieneartikel fehlen und den Regenponcho und den Fotoapparat den ich mir von meiner Mutter leihe, muss ich noch abholen.

Einen Zeitstrahl habe ich auch vorbereitet um visualisieren zu können, wie lange es noch bis zum Start ist. 

 "Trainingslager"

03. März

Sonntag war das Wetter endlich mal wieder so, dass es mich nach draußen gezogen hat.

Blauer Himmel, Sonne, kühl und teils windig, aber endlich kein Regen.

Auch wenn ich auf dem Camino durch den dicksten Regen laufe, am freien Wochenende, dazu noch daheim, muss es nicht sein.

Ich habe eine zeitnahe Verbindung nach Tecklenburg gesucht, aber am Wochenende fahren die Anschlussbusse von Lengerich nicht, und da ich nicht noch eine Stunde warten wollte, bin  ich dieses Mal in Lengerich aufgebrochen. Ohne Vorbereitung wusste ich nicht, wie ich zum Hermannsweg komme und wo er genau verläuft (das Handy habe ich auch vergessen) und so bin ich einfach Richtung Berg gelaufen, denn diese Richtung war klar. 

In einer Seitenstraße Richtung Berg fragte ich auf einem Hof, ob ich zu Fuß am Ende der Sackgasse in den Wald komme und siehe dar: für Fußgänger kein Problem und schnell war ich im Wald. Laut der Auskunft wäre es aber noch ein ganzes Stück bis auf den geplanten Weg. Und so ging es den "Berg" über eine längere Strecke hinauf. Insgeheim habe ich mich geärgert, mein Handy nicht dabei zu haben. Gerne würde ich die gelaufene Strecke messen. Eine Uhr zur zeitlichen Einschätzung hatte ich auch nicht dabei, aber egal. 

Nach gefühlt einer Stunde traf ich auf das Zeichen Hermannsweg, und von dort aus folgte ich der Ausschilderung. 

Heute trage ich erstmals meine neuen Wanderschuhe im Gelände und teste sie. An 2 Tagen bin ich ganztägig in der Wohnung und draußen getragen und sie laufen sich für den ersten Eindruck gut.

Die Schuhsohle ist sehr fest, gibt wenig nach und so passt sich die Fußstellung nicht dem Weg an, was dazu führt, dass ich immer wieder bei "größeren" Steinen unter dem Schuh auf meine Balance achten muss.

Auf dem Hermannsweg ist ein Abstecher zum Lengericher Canyon ausgeschildert und weil ich noch nie am Canyon war, verlasse ich den Weg und folge der Beschilderung. Der Canyon ist ein alter, vollgelaufener Steinbruch, dessen Wasser oftmals in der Sonne türkis-blau schimmert. Als ich dort ankomme, ist die Sonne mal wieder weg und es ist einfach ein langgezogener See unter einem steilen Bergabbruch. 

Auf einer Bank esse ich meinen Quark, es ist Mittagszeit und ich habe im zum Frühstück nur 2 Knäcke gegessen. Auf dem Camino muss ich darauf achten, richtig zu essen. Noch immer bin ich auf Diät und ich merke, wenn mein Zuckerspiegel zu tief rutscht - ich werde zittrig in den den Beinen. Mein Spork ist abgebrochen und so ist der Quark schwierig zu essen. 

Vom Canyon geht es wieder bergauf und siehe da: der Hermannweg wäre hätte mich automatisch  in dieses Naturzschutzgebiet geführt. Oben auf dem Berg kann ich Tecklenburg sehen und laufe weiter in diese Richtung. Bergab, auch unebene hohe Treppenstufen, läuft es sich für mich schwerer als bergauf. Die Spastik lässt den Weg abwärts ataktisch werden, die Beine lassen sich schwerer beugen und ich bin froh auf einer groben Treppe ein Geländer zu haben. Kurz vor Tecklenburg geht es gut bergauf, aber ich spüre, dass es sich durch meine Gewichtsreduktion wesentlich leichter bergan laufen lässt.

In Tecklenburg mache ich auf dem Marktplatz eine Pause, setze mich in ein Café und genieße die Sonne. Nach einem leckeren Flammkuchen geht es auf dem Weg den ich nur zu gut kenne Richtung Dörenther Klippen. Dieses Mal nehme ich einen Abstecher den ich nicht so gut kenne und laufe unten am Berghang Richtung Dreikaiserstuhl. Derweil ich ein Schild an einer eisenhaltigen Quelle lese, werde ich von einem älteren Mann angesprochen. Wir unterhalten uns kurz, aber nett und herzlich, dann geht es in meinem Tempo weiter. Auf einem kleinen schmalen Weg geht es aufwärts zum Königinnenfelsen. Bergkletterer kommen mir entgegen, ich höre die Haken an ihren Gürteln klimpern, und als ich nach oben schaue, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Von jetzt auf gleich sehe ich alles doppelt, alles ist unscharf und schwimmt vor meinen Augen. Ich bekomme Angst und frage mich, ob ich gerade einen Herzinfarkt oder ein Kreislaufproblem haben könnte. Mir geht es gefühlt gut, nur die Augen machen überhaupt nicht mehr mit. Mit nur einem Auge kann ich jeweils gut sehen, mit beiden Augen gleichzeitig nicht. Mir schwant, es ist meine MS. Ähnlich fühlte es sich bei meiner Augenmuskellähmung an, nur nicht so extrem. Ist es ein Uthoff-Pseudoschub durch die Anstrengung? Ist es ein neuer Schub? Ich bin total verängstigt, mein Gleichgewicht durch das nicht sehen können zusätzlich gestört. Ich kann den Rest des Weges nicht mehr genießen, alles tanzt vor den Augen.

An einem Schild biege ich zu den Dörenther Klippen ab. Das Lesen der Schilder geht auch nur mit einem Auge. Nach wenigen Metern drehe ich um. Stand auf dem Wegweiser nicht auch Ibbenbüren-Blick? Ist Ibbenbüren-Blick gleichzusetzen mit Barlags Kamp? Würde ich richtig sehen, wüsste ich genau wo ich bin, trotz des für mich halbwegs neuen Weges, aber optisch so eingeschränkt, bin ich mir unsicher. 

Ich laufe also Richtung Ibbenbüren-Blick und weiß kurze Zeit später, dass ich richtig bin. Auf diesem Weg laufe ich direkt zur Bushaltestelle und nicht erst noch den Weg bergab um wieder bergauf zu steigen. Zusätzlich muss ich nicht so schlecht sehend um das Hockende Weib steigen. 

Als ich an der Bushaltestelle ankomme bin ich nach wie vor total verängstigt, aber erleichtert es geschafft zu haben. Zufällig fährt 10min später ein Bus zum Bahnhof Ibbenbüren. Auf der Zugfahrt nach Rheine normalisiert sich mein Blick wieder. So plötzlich wie der Spuk kam ist er auch wieder vorbei.

Meine Erfahrung von heute: dass darf mir in den Pyrenäen nicht passieren. Die Wanderschuhe haben am Ende des Tages am kleinen Zeh gescheuert - ich muss ihn auf dem Weg evtl. prophylaktisch tapen.

Der Augenarzt war mit den Augen zufrieden, fand aber Anhalt für Schubsymptomatik. Eine leicht verzögerte Pupille links und ein vertikaler Restnystagmus rechtsseitig. Beim Neurologen war alles wieder so wie es sein sollte, keine Schubsymptomatik. Was das nun war? Wahrscheinlich ein Zusammenspiel aus vielen meiner Symptome. Erschöpfung in Kombination mit Gleichgewichtsstörungen, meiner Innenohrschwindelsymptomatik. Abwarten was das MRT in vier Wochen Neues bringt, denn von meinem Gefühl her, ist irgendwas rund um die Augen nicht okay.


16. März 2024

Auch heute habe ich mich wieder auf den Weg gemacht. Trainingsweg Nr. 4

Das Wetter für dieses Wochenende ist nicht sonderlich gut angesagt, aber laut Wettervorhersage für meine Region soll es ab Mittag trocken sein.

Da ich den Hermannweg zwischen Hörstel/Riesenbeck und Lengerich kenne und ich mal einen unbekannten Weg wandern möchte, starte ich heute auf die erste Etappe des Hermannsweges. Mit der Strecke habe ich mich im Vorfeld nicht sonderlich auseinandergesetzt. Ich habe kurz in die Karte/Wegbeschreibung geschaut und bin in den nächsten Zug nach Rheine gestiegen. Laut Wegbeschreibung startet der Hermannweg am Rheiner Bahnhof. 

Da ich nicht vor Schließung des Tiergeschäftes wieder zurück bin und noch dringend Katzenfutter benötige, kaufe ich auf dem Weg zum Bahnhof noch 2,5kg Katzenfutter und schleppe es mit mir rum.

2,5kg Katzefutter, 1,5 l Wasser, ein 500g Glas Joghurt, Apfel, großer Fotoapparat (Luftpumpe, kleines Fernglas - sind immer im Tagesrucksack) und so einiger Kleinkram den ich nicht aus meinem Tagesrucksack ausgeräumt habe,  - da komme ich schon fast auf meinen Trekkingrucksack ohne Proviant.

Am Rheiner Bahnhof verliere ich direkt meinen Gummipuffer, den ich direkt am Start angesteckt habe. Plötzlich klackert der Wanderstab, ich höre es und kurz hinter mir liegt mein Puffer. Nach wenigen Metern bin ich schon an der Ems, gehe vorher nur eine Runde durch die Dionysos-Kirche und merke dort, dass ich auch dieses Mal meinen Fotoapparat nicht nutzen kann. Die Speicherkarte fehlt. Schade. Mit dem Handy mag ich nicht so viele Bilder machen, da der Akku doch arg begrenzt ist und ich die Wanderung aufzeichnen möchte.

Der Weg in der Stadt ist noch gut und deutlich mit dem H ausgeschildert, ab der Ems verlieren sich die Schilder. Da der Weg aber immer geradeaus über eine Straße im Wohngebiet führt, gehe ich weiter, zweifele aber. Nach dem Wohngebiet komme ich auf eine Hauptstraße. Es gibt einen weißen Pfeil auf schwarzem Grund, aber auch Wegweiser E, F R44... Ich entscheide mich für den weißen Pfeil, schaue noch kurz auf meine App, da hält DHL neben mir und fragt ob ich den Hermannsweg suche. 

Hier an dieser Ecke würde der Weg ständig gesucht werden, erzählt der Fahrer und er erklärt mir den weiteren Wegverlauf, der mit den einfache Wegweisern übereinstimmt, sofern sie vorhanden sind.

Am Lidl biege ich nach links ab und noch immer kein Wald in Sicht. Es wird ländlicher, ich komme aus der Bebauung heraus und laufe nun über eine Landstraße, rechts und links Felder. Ich freue mich über ein Storchenpaar auf einer großen Wiese. Wieder mal ist die Wegführung für mich nicht klar, folge aber dem ausgeschilderten Radweg.

6,5km Beton und noch immer kein Wald in Sicht, aber Bäume am Wegesrand. Auf einer Bank am Fischteich wo das eindeutige H mal wieder auftaucht setze ich mich zur Pause. Ich packe meinen Birnen-Sonnenblumkeimling-Quark aus und schone meine Beine etwas. Obwohl der Untergrund eben ist, fällt mir das Laufen heute nicht so leicht. Es ist anstrengend. Vielleicht liegt es an dem recht langweiligen Weg, den grauen Wolken... Ich weiß es nicht. Nicht, dass mir die Beine weh tun, aber ich muss mich heute aufraffen weiter zu laufen. 

Am Horizont und in der Wolkendecke lassen sich kleine blaue Himmelsfetzen erkennen, aber ich traue der Wettervorhersage nicht so ganz. Einmal habe ich das Gefühl, einige Tropfen gespürt zu haben.

Vielleicht fällt mir das Laufen heute vergleichsweise schwer, da mir beide Schultern unheimlich weh tun. Ich kenne meine Schulterschmerzen, aber dafür, dass der Rucksack nur auf den Schultern hängt, ist er vielleicht doch etwas schwer. Der Hüftgurt vom Trekkingrucksack entlastet doch sehr gut und gibt eine andere Gewichtsverteilung. 

Einige Wege sind schlammig, dann geht es mal wieder durch kleine bewaldete Abschnitte, man wird für hundert Meter von der Landstraße auf einen parallel verlaufenden Naturpfad geleitet um nach wenigen Metern wieder Beton zu treten. 

Nach Kilometer 10 geht es in einen ebenen Waldabschnitt, immer schnurgerade auf einem Matschweg geradeaus. Ich setze mich mal wieder für 5-10 Minuten hin, sinniere über mich und das Wetter. Der Himmel klart immer weiter auf und plötzlich ist der Himmel komplett blau, die Bäume leuchten, ebenso die Felder und Blumen. Die Tristesse der letzten Kilometer schwindet und es macht sofort mehr Spaß zu laufen, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Kilometer nur langsam weniger werden.

Das ist auch ein Nachteil, wenn man den Weg aufzeichnet. Ich kann jederzeit schauen, wie weit ich schon gelaufen bin, und wie weit ich noch muss. Es ändert nichts an dem noch zu laufenden Weg, wenn man weiß, wie weit es noch ist. Das Aufzeichnen des Weges raubt meinem Handy auch sehr viel Energie und der Akku schwindet mit den gemachten Fotos auf dem Weg noch mehr.

Irgendwann biege ich an die Bevergerner Aa ab und folge ihr über die fast restlichen Kilometer. Manchmal sieht es ganz idyllisch aus, manchmal langweilig am Rand eines Industriegebietes.

Dann komme ich in das alte Mühlenviertel und es wird richtig schön in diesem kleinen Stadtteil. Ein alte Bockwindmühle dominiert das Bild, alte Häuschen, wundervolle blühende Kamelien. Der blaue Himmel ist Geschichte, es ist wieder alles grau und es wird nicht mehr länger als eine Stunde bis zur Dämmerung dauern.

Ich komme mit einem Ehepaar in´s Gespräch und Frage nach dem Weg zum Hörsteler Bahnhof. Auf dem Fahrradwegweiser sollen es noch 10!km bis nach Hörstel sein. So genau habe ich im Vorfeld nicht in die Wegbeschreibung geschaut, es stand nur drin, dass man über den Bahnhof Hörstel Zugang zum Hermannsweg hat. Das Ehepaar kennt sich auch nicht aus, ist nur zu einem Wochenendausflug hier und bietet mir nett an, mich mit dem Auto zum Bahnhof zu fahren. Ich überlege innerlich kurz, ringe mit mir, und lehne dann dankend, aber herzlich ab und laufe weiter. Zu Fuß wollte ich heute gehen, dass muss doch machbar sein. Aber bleibt es lange genug hell und sind es wirklich noch 10km? Das kann ich mir nicht vorstellen. Weder von der Beschreibung, noch von meiner Energie.

Kurze Zeit später bin ich an der Kanalschleuse in Bergeshövede und sehe, dass es auf der Hauptstraße nur noch 3km bis Hörstel sind und auch der Hermannsweg läuft momentan auf dem Fußweg der Straße. Es sind nur noch 1,5km bis zum nassen Dreieck (das kenne ich seit meiener Kindheit - war aber immer mit dem Rad oder zum Spazieren mit den Eltern im Auto dort). Wo fährt am nassen Dreieck ein Bus? Fährt überhaupt einer am Samastag? An der Bushaltestelle der Bundesstraße wo ich gerade bin, fährt Samstags kein Bus. Das muss jetzt nicht sein dass ich dann gezwungener Maßen noch im Dunkeln diverse Km am Kanal oder der Straße laufen muss. So bleibe ich bei der sicheren Variante nach Hörstel. Kurze Zeit später ist ein Zugangsweg Hörstel ausgeschildert. Wahrscheinlich ist das der gemeinte Weg aus der Info, vielleicht auch nicht? Wahrscheinlich aber doch.

Ich wage es, es beginnt zu dämmern und folge dem Weg. Ob er kürzer oder länger ist: keine Ahnung. Das Handy ist leer, aufzeichnen kann ich die letzten Km auch nicht mehr.

Im Wohngebiet Hörstel angekommen frage ich nach dem Weg. Ja ich bin richtig! Die Frau mit der ich spreche sieht meine Jakobsmuschel am Rucksack und spricht mich darauf an. Auch wir haben ein kurzes und nettes Gespräch, dann mache ich mich auf die letzten Meter. Mir reicht es inzwischen für heute - absolut. 

Am Bahnhof sehe ich, dass es noch eine halbe Stunde bis zum nächsten Zug ist. Dadurch, dass nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt ein Aldi ist, gehe ich noch kurz einkaufen. Abgesehen vom Quark und einem Apfel und meinem leichten Frühstück habe ich heute noch nichts gegessen. 

Ein Päckchen Blaubeeren wird daraufhin bis zur Ankunft des Zuges verspeist. Lecker! 

Der Zug in Hörstel fährt planmäßig, ein Rheine muss ich mal wieder auf meinen Zug warten. Die Verspätung wird immer größer, aber auch dieser Zug kommt nach 30min.  

Gut, dass ich auch noch Handschuhe und Mütze mit mir rumgeschleppt habe, bei Dunkelheit sind die Temperaturen wieder gesunken.

Fazit vom heutigen Tag: 

-ein gut eingestellter Rucksack der nicht auf den Schultern aufliegt ist wichtig.

-die richtigen Strümpfe in den Schuhen dürfen nicht zu dick sein. In den dickeren Falke-Wandersocken hat letztes Mal mein kleiner Zeh nach 10km gescheuert, in den Merion-Woolpowersocks nicht.

-um genügend Akkukapazität auf dem Weg zu haben um im Notfall telefonieren zu können brauche ich eine Powerbank oder ein anderes Handy

-Speicherkarten, sollten neben einem Ersatzakku vorhanden sein

-wie zu erwarten bin ich nicht sonderlich schnell, mit den vielen steilen An- und Abstiegen werde ich noch mehr Zeit brauchen. Nie bin ich spät gestartet, habe die Morgendämemrung immer genossen und dem werde ich treu bleiben, denn ich brauche meine Zeit um die Strecken zu schaffen.


19. März

Die Vorfreude auf den Weg ist groß. 

Das Wissen um meinen Plan, das Wissen wieder auf dem Camino zu laufen, löst ein riesiges Glücksgefühl in mir aus. Ich muss gar nicht auf dem Weg sein um diese Freude in mir zu spüren.

Und irgendwie ist es auch schade, dass ich weiß, wie pilgern geht und was es bedeutet und mit mir macht. Auf jedem Weg sind die Unterkünfte anders, an einigen Tagen geht das Laufen leichter und an anderen schwerer - aber ich muss nichts großartig recherchieren.

Was in den Rucksack kommt ist klar. Ich muss einfach nur noch einige fehlende Teile erwerben und einpacken und schon kann es losgehen. 

Gestern bin ich lange durch ein Sportgeschäft geschlendert und habe verschiedene Shirts und Jacken aus/anprobiert. Mir passt durch die Gewichtsabnahme nichts mehr. Das ist gut so und soll so sein  - und ist teils harte Arbeit. Einkaufen und Gucken macht auch Spaß, aber mich erschrecken die Preise. 

Es gibt auch wenige Menschen mit denen ich mich über den Weg austauschen kann, denn auf diesem Weg ist die Ruhe die ich so liebe.

Das Wetter ist trocken und nicht zu windig. Ich werde gleich mit dem Fahrrad nach Telgte fahren und schauen, was Intersport anzubieten hat.

Es muss kein Luxus-Wander-Shirt sein, aber die Plastik-Shirts von Decathlon müssen es auch nicht sein. 

Am Wochenende oder in der darauffolgenden Urlaubswoche würde ich gerne eine mir unbekannte Etappe Hermannsweg laufen. Es würde sich, wenn ich Dissen über den Hermannsweg erreicht habe, anbieten, von Dissen über Halle nach Bielefeld zu laufen und eine Nacht bei meiner Schwester Kerstin in Halle zu schlafen. Dann hätte ich 2 Etappen an auffeinanderfolgenden Tagen, könnte morgens früh weiter laufen und müsste nicht nach Hause zwecks Übernachtung. Teures Geld für eine Pension möchte ich dafür nicht ausgeben.


26.03.2024

Und wieder gab es eine ordentliche Trainingseinheit mit 20 Kilometern. Dieses Mal führte mich der Weg vom Bahnhof Hörstel zum Hermannweg und von dort über Ibbenbüren, Dörenther Klippen nach Tecklenburg. 

Dieses Mal war ich am Dienstag unterwegs. Ich habe diese Woche Urlaub, am letzten Wochenende hatte ich Samstags keine Zeit (aber das Babysitten bei meinem Neffen Patryk hat mir viel Freude bereitet) und Sonntags war das Wetter bescheiden (wäre es aber auch am Samstag gewesen). Mag sein, dass ich auf dem Weg durch den dicksten Regen laufe, daheim mache ich das nicht und es reizt mich auch nicht.

Vom Bahnhof Hörstel war ich, je nach Angabe vom Wegschild, oder von meiner Aufzeichnung, nach 1,6 bis 2,5km am Beginn des Teutoburger Waldes. Am Huckberg ging es den Waldweg hinauf auf den Kamm bis zum "Nassen Dreieck" und dann weiter über Riesenbeck nach Ibbenbüren. Den Weg vom "Nassen Dreickeck" nach Ibbenbüren bin ich schon häufig gelaufen, ich kenne ihn seit meiner frühsten Kindheit. Und an diese Sonntagsspaziergänge musste ich auf dem Weg denken. Der früher mit Baumpilz übersähte Baumstamm war löchrig und zerfurcht und der Baumstamm rottet vor sich hin. An einigen Stellen musste ich an Schlittenfahrten mit meiner Schwester Dörthe denken, quer zur Richtung den Berg runter weil der Weg dann steiler ist. Die große Buche mit ihren vielen niedrigen Ästen an den wir uns früher an den Händen hängend geschaukelt haben. Die Abzweigung zum Steinbruch im Brumleital. Wie oft sind wir diese Runde gelaufen. Auch zu Ostern, das kurz bevor steht, sind wir hier oft gelaufen, haben Ostereier gesucht und versteckt und als kleine Kinder nicht verstanden, dass Mama die Eier immer kurz vor uns ins Laub geworfen hat. 

Viele schöne Erinnerungen, besonders auf der Strecke zwischen dem Riesenbecker Postweg und dem Hockenden Weib. 

Nach neun Kilometern werden meine Beine erstmals schlappig, aber ich beschließe nicht vor den Dörenther Klippen Pause zu machen. Vielleicht hat die Almhütte geöffnet und ich kann auf einen Kaffee einkehren. 

Am Hockenden Weib sind viele Familien mit Kindern unterwegs, es sind Osterferien, sonst wäre es in der Woche nicht so voll. Zusätzlich lockt die Sonne. Ich bleibe nicht nur auf dem Weg, sondern krabbele am Rand der Felsen vorbei und schau mit die Felsformation von unten und nicht nur aus der typischen Perspektive an. Die teils vermoosten Felsen leuchten grün in der Sonne, die Kiefern oben auf den Steinen, einige Kinder sitzen oben auf dem Fels. 

Die Almhütte hat geschlossen und so setze ich mich mit meinem eigenen Picknick an einen Holztisch und esse meinen Quark, dazu etwas Wasser. Die Pause ist nicht lang, aber sie tut mir gut. Die Beine sind wieder stabiler, das Zittern hat aufgehört und so geht es schwungvoll weiter. Über den Kammweg erreiche ich Brochterbeck recht schnell. Heute mache ich keine Abstecher über die Seitenwege. Ich muss pünktlich in Tecklenburg ankommen, weil ich mit Bus und Bahn zurück muss und heute Abend noch eine Chorprobe für Karfreitag habe.

Über Brochterbeck geht es wieder nach Tecklenburg, auch hier sind wir so oft mit den Eltern gewandert. Die verzweigten, sichtbaren Wurzeln der Buchen in einem Hohlweg haben mich schon immer fasziniert. Einfach Klasse, was die Natur alles hervorbringt.

Beim Aufstieg nach Tecklenburg merke ich meine Beine wieder, aber dennoch läuft es sich ganz gut. Ich bin nicht viel langsamer, als die für die Strecke angegebene Laufzeit. 

In Tecklenburg angekommen liege ich genau in meinem kalkulierten Zeitplan. Wäre ich 10 Minuten eher da gewesen, hätte ich den vorherigen Bus noch bekommen, aber ich weiß nicht, wo ich die Zeit hätte einsparen können. Die Pausen habe ich gebraucht und es ist kein Wettrennen. 

Im Supermarkt kaufe ich mir eine Banane und eine Packung Studentenfutter und stärke mich etwas an der Bushaltestelle. Im Laufen war mir angenehm warm, im Sitzen merke ich, wie kühl es eigentlich ist.

Bus und Zug sind pünktlich und so komme ich genau passend zu meiner Chorprobe.

Wieder war es ein schöner Tag, die Beine funktionieren recht gut, die Schmerzen kommen erst, wenn ich mir eine Pause zugestehe und zur Ruhe komme.

Meine Physiotherapeutin gibt mir am nächsten Tag noch einige Tipps für Dehnungsübungen der Beine mit, in der Hoffnung, dass diese mir die Schmerzen reduzieren.

Meine Vorbereitungen sind am Laufen. Der März war ein teurer Monat, Steuervorauszahlung, eine mehr als saftige Nebenkostenabrechnung und ich bin dabei, meine Wanderausrüstung zu kaufen. Momentan sind 24kg runter, nichts passt mehr und ob ich die fehlenden Teile jetzt oder nächsten Monat kaufe ist egal. Geld kosten sie jetzt oder auch im April und Mai. Das meiste ist da, oder bestellt. Mir fehlen jetzt noch 2 neue Trekkinghosen, eine Trinkflasche auf die mein Tinksystem passt und ein Paar Merinosocken, den Rest habe ich.


Ostersonntag, 31. März 2024

Trainingseinheit 5

Für Ostersonntag war endlich mal wieder schönes Wetter und ein trockener Tag angesagt. Laut Wettervorhersage sollte die Regenwahrscheinlichkeit bei etwas 20 Prozent liegen.


Da ich erst für den 2. Ostertag mit meiner Familie verabredet war stieg ich Vormittags in den Zug nach Osnabrück und fuhr danach mit dem Bus nach Bad Iburg. Irgendwie habe ich mir in den Kopf gesetzt den Hermannsweg in Einzeletappen einmal komplett zur Vorbereitung auf den Camino zu laufen. Die ganze Strecke werde ich zeitlich nicht mehr schaffen. Im April steht noch ein Probenwochenende mit dem Chor an, im Mai ein Konzertwochenende und dann geht es auch schon ganz bald los.

Die Anfahrt zu den einzelnen Einstiegsorten im Teuto wird inzwischen auch langwieriger, ich muss umsteigen etc., aber noch geht es.


Da ich noch nie in Bad Iburg war und direkt am Einstieg zur Etappe die Iburg liegt habe ich mir diese noch kurz angeschaut. Ich bin einmal um die Burg herumgelaufen und in die Burgkirche gegangen. Es war schön in der kleinen Kirche. Ruhig, die Sonne schien durch die Fenster, die frisch gezündete Osterkerze brannte. Als ich vom Altar zum Orgelempore und dem schönen Orgelprospekt schaue, sehe ich Jakobus in der Emporenbrüstung. Wenn das kein Zeichen ist. 



Den Mittelaltermarkt vor der Burg und den Baumwipfelpfad schaue ich mir nicht mehr an, denn 13.00 Uhr ist schon durch und ich muss los. Der Weg heute führt nach Dissen (dort wo die Homann-Fabrik für Majonaise, Senf und Wurstsalat) ist. Laut Wegbeschreibung soll es auf dem Weg 3 knackige Anstiege geben.

Über die Straße geht es erst bergabwärts durch ein Wohngebiet auf den Wald zu. Der Teutoburger Wald ist hier schon wesentlich höher und breiter als in meiner Heimatstadt.


Am Wald angekommen mache ich erst einmal eine kurze Pause, auch wenn ich noch nicht weit gelaufen bin. Zur Mittagsmahlzeit habe ich die Reste vom Vortag in einer Tupperdose mitgenommen, Gemüsequiche. Da ich meine Gabel vergessen habe, habe ich mir am Bahnhof beim Chinesen eine Plastikgabel auf Nachfrage nehmen dürfen. Es gibt zwei Aufgänge zum Hermannsweg. Ich nehme den Weg der als steiler Aufstieg beschrieben ist. Zählen diese wenigen Meter als knackig? Keine Ahnung, eine Problem stellten sie nicht dar. 

Der Weg führt auf steinigen Wegen und durch ganz viel Schlamm weiter langsam aufwärts. Die Sonne scheint herrlich, der Himmel ist blau, die Blätter der Bäume sprießen in einem zarten grün und der Waldboden steht voll mit Lerchenkraut. Der ganze Boden und die Hänge leuchten in verschiedenem rosarot und weiß. Es ist zauberhaft.



Durch den Schlamm ist das Laufen sehr anstrengend. Bei jedem Schritt werden die Schuhe schwerer, es ist rutschig, und die Hosenbeine die gerade noch frisch waren sind dreckverschmiert.


Dafür das Ostern ist, hätte ich mehr Spaziergänger erwartet. Ich treffe nur wenige Menschen, und gar keine Kinder die Ostereier beim Waldspaziergang suchen. In meiner Kindheit gehörte das immer dazu. Mutter lief etwas vor, und ließ mal hier mal da ein Ei fallen und wir Kinder haben es nicht kapiert. Ich habe mich immer nur gefragt, wann die Eltern zuvor im Wald waren um Eier zu verstecken und wie sie sich so genau an jedes Ei erinnern konnte. Mal gehe ich rechts vom Weg, mal links vom Weg um dem Schlamm auszuweichen und irgendwann gehe ich einfach geradeaus hindurch. Schnell bin ich nicht, aber ich genieße mal wieder jeden Schritt. Mal ist es Mischwald, mal Buchen- mal Tannenwald. Irgendwann setze ich mich mal wieder auf eine Bank in die Sonne und pausiere, schicke der Familie und Pilgerfreunden einige Bilder und esse meine Banane. Ich bin so glücklich auf meinen Touren, es ist schön Wege zu laufen, die ich nicht kenne.

 Die zwei weiteren knackigen Aufstiege sind auch gut machbar, schwerer finde ich Abstiege im Schlamm und auf den Steinwegen. Bislang waren die Zuwege zum Hermansweg immer mit einem schwarzem H auf gelben Untergrund gekennzeichnet. Entweder übersehe ich den Abstieg nach Dissen, oder das Schild fehlt. Ich sehe Dissen, folge aber dem Weg weiter in der Annahme das Schild kommt noch und laufe so im Bogen um die Stadt herum. Da es schon später ist, biege ich auf einen auf Dissen zulaufenden Feldweg ab. Nur wo ist der Bahnhof in dieser Stadt. Auf Nachfrage heißt es, dass ich mich nach rechts halten muss. Jetzt wo ich fast da bin, spüre ich meine Beine wieder stärker. Es ist immer das Gleiche. Wenn man weiß, dass man kurz vor dem Ziel ist, fängt man an zu schwächeln. Mein Handyakku geht mal wieder zur Neige, online bin ich auch nicht und so frage ich mich durch. 

Ich habe Glück. Keine 5 Minuten nach meiner Ankunft kommt der einmal stündlich fahrende Zug. In Osnabrück habe ich Aufenthalt und kurz bevor ich in Münster in den Bahnhof einfahre beginnt es stark zu gewittern und ein heftiger Platzregen geht nieder.


Da ich keine Regenkleidung eingepackt habe, fahre ich mitsamt Fahrrad im Bus nach Hause. Nach dem schönen Tag habe ich keine Lust bis auf die Haut nass zu werden.

Sofern das Wetter nächstes Wochenende mitmacht überlege ich eine Doppeletappe zu laufen.

Von Dissen nach Halle sind es 14km (wobei die Wegrechnung im Wald beginnt und nicht am Bahnhof). In Halle wohnt meine ältere Schwester und dort könnte ich übernachten um am nächsten Morgen Richtung Bielefeld aufzubrechen.  Da es heute aber schon den 3. Tag in Folge regnet, wird die Wegqualität nicht besser sein. Tue ich mir das Matschgewate noch einmal an? Mal abwarten, wie sich das Wetter entwickelt. Falls ich starte, werde ich aber meinen Trekkingrucksack mitnehmen. Der Rucksackinhalt ist fast vollständig. Wichtig ist, dass der Rucksack so gut eingestellt ist, dass die Schultern nicht so viel Druck bekommen, denn diese tun mir momentan unter Belastung reichlich weh. Vielleicht sollte ich den Orthopäden bitten, mir zuvor noch etwas Cortison gegen die chronische Schleimbeutelentzündung in den Schultern zu spritzen.

 Meine Packliste für den Aragones:


Gewicht:

vorhanden:

Neuanschaffung:





Rucksack mit Muschel

1450g

ja


Schlafsack, Hüttenschlafsack?


ja


Trekkingstöcke


ja


Hut/Haarband


ja


Windjacke                                                                         

                  

ja


Unterhemd 2 Stück


ja


Wandershirt Kurzarm 2 Stück



bestellt

Langarmshirt



ja

Sport-BH 2 Stück



ja

Unterhose 2 Stück


ja


Zipp-Hose 2 Stück



ja

Wandersocken 2 Stück


ja


lange Unterhose


ja


Fleecepulli


ja


Wanderschuhe


ja


Crocs


ja


Zahnbürste


ja


Zahnseide


ja


Zahnpasta


ja


Sonnencreme




Hirschtalg




Duschshampoo




Slipeinlagen




Trekkinghandtuch 2 Stück


ja

1 neues

Haarbürste




Medikamente




Blasenpflaster




Erste Hilfe




Verbandschere, Pinzette




Handtasche oder kleiner faltbarer Rucksack


ja


Regencape



leihweise

Flugticket, Bahnticket, Ausdruck Hotelbuchung


ja


Brillenetui


ja


Wanderbuch




Credencial



bringt Betty vom Portugues mit

Personalausweis, Krankenkassenkarte, EC-Karte, Kreditkarte, SBA




Portemonaie 2 Stück


ja


Taschenlampe


ja


Fotoapparat mit Ersatzakku, Ladegerät und Speicherkarte


ja


Handy mit Ladekabel


ja


Powerbank



ja

Sicherheitsnadeln


ja


Spork


ja


Ohrstöpsel


ja


Notizbuch mit Kugelschreiber


ja


wasserdichter Beutel


ja

bestellt

Trinkschlauch                                                                                              ja

Camino Aragnoes???
Der Weg ruft mich erneut!


17. Januar 2024

Scheinbar bin ich für mich noch immer nicht mit dem Thema Camino durch. 

September/Oktober 2023 war ich fünf Wochen zur neurologischen Reha in Bad Zwesten/Hessen.

Seitdem habe ich wieder Verlangen nach dem Weg.

Und ausgerechnet der Camino Aragnoes mit den vielen Höhenmetern und unwegsamen Wegen durch die Pyrenäen ruft nach mir. Ich höre die Stimme ganz laut, das Verlangen mich wieder auf den Weg zu machen ist groß.

Eigentlich ist das total verrückt. Den Portugues habe ich mir nicht zugetraut, aber gut geschafft. Und obwohl ich meine Gangstörungen habe, das Gleichgewicht wirklich zu wünschen überlasst, über meine Kondition rede ich erst gar nicht, soll es ein Weg durch die Berge werden?

Ich kann es mir nicht erklären, oder nur zu einem Teil. 

Obwohl der Camino Francès für mich gut und richtig war wie er war, war es immer ein kleines Manko die Etappen durch die Berge nicht gegangen zu sein. 

In der Weihnachtszeit habe ich ganz spontan einen Flug nach Pau am Fuße der Pyrenäen gebucht. Am Abend des 31.5.2024 werde ich dort landen und mein Plan ist es mich am nächsten Morgen von Oloron St. Marie auf den Weg zu machen. 

In Bad Zwesten habe ich mich die ersten 10 Tage den Berg zur Klinik hoch gequält und ich will über die Pyrenäen, auf schlechten Wegen steil hoch und runter? Ich kenne inzwischen das Wegeprofil, habe gehört, dass es einige heikle Stellen gibt und mein Kopf sagt noch immer: Na und? Versuche es!

Bin ich leichtsinnig? Bringe ich mich in Gefahr? Habe ich die Courage zu sagen: bis hierhin und keinen Schritt weiter? Bin ich ein Sturkopf, mit dem Kopf durch die Wand? Eigentlich nicht. Ich kenne mich, ich weiß was ich kann. Kann ich die Gefahr richtig einschätzen, zudem noch alleine auf einem wenig begangenen Weg?

Was für mich spricht: seit der Reha bin ich 20kg leichter, ich muss weniger Gewicht den Berg hoch und runter schleppen und ich habe vor noch weitere 8-10kg abzuspecken. Endlich hat es in meinem Kopf klick gemacht, so müsste ich doch leichter die Berge hoch kommen.

Und andererseits fühlt sich das Laufen kein bisschen leichter an, meine Schwierigkeiten sind die Gleichen wie zuvor, auch wenn ich mit Stöckern ganz gut laufe und diese mir Halt geben.

In diversen Foren tausche ich mich zur Strecke und deren Unwägbarkeiten aus, aber dort kennt mich niemand. Meine liebe Pilgerfreundin Birgit hat ihre Bedenken und sieht mich eher nicht auf dem Weg oder bittet mich, einige Stellen auszulassen oder auf der Straße zu umgehen. Wenn sie schon so platt war, wie wird es mir dann gehen? Aber andererseits denke ich auch, spontan zu planen und nicht im Voraus wie auf dem Portugues alles im Vorfeld zu buchen. Ich habe momentan mehr Vertrauen in mich oder ich möchte versuchen wieder im Voraus Kontakt mit den oder einigen Herbergen aufzunehmen. Vielleicht finde ich auch so hilfreiche Personen wie in Rates die mir zur Seite stehen, oder am Vortag Kontakt mit den Herbergen aufnehmen können um mich anzumelden.

Bin ich größenwahnsinnig? 

Die Bilder von der Strecke faszinieren mich und sind wunderschön. Die Berge, die Wiesen, die Ausblicke. Die Lumbierschlucht und das Kloster St. Juan de la Pena möchte ich unbedingt sehen.

Und wenn es nicht geht: soweit bis zum Francès ist es nicht. Ich könnte entweder dort über die Pyrenäen oder ich laufe einfach von Eunate so weit wie ich es in der Zeit schaffe. Einen Weg ein stückweit zu wiederholen wäre auch nicht schlimm. Mein erster Camino liegt mittlerweile 16 Jahre zurück und der Reiz ist nach wie vor da. Der Weg ist in mir, er ist Teil von mir und wird es immer bleiben.


07.02.2024

Und wieder bin ich ein kleines Stückchen weiter in Sachen Aragones.

Nach wie vor ist ein unbändiger Wille vorhanden mich auf diesen Weg zu bewegen, Unwägbarkeiten hin oder her.

Die letzten 2 Wochen habe ich dazu genutzt in diversen Outdoorläden verschiedene Wanderschuhmodell anzuprobieren. Meine Füße haben sich verändert was ich schon daran merke, dass meine kaum getragenen Hanwag Bänks einfach nicht mehr passen. Weder mein Modell dass in meinem Schuhschrank steht noch einige andere Hanwags in den Läden. 

Ich habe mich durch das gesamte Sortiment getestet, die verschiedenen Läden hatten verschiedene Modelle auf Lager. Dienstag war ich mit meiner langjährigen Pilgerfreundin Sigrid in Warendorf verabredet und bin im Anschluss dort noch im Sportgeschäft gewesen. Und so ein Zufall: alle bis dato anprobierten und für gut empfundenen Wanderschuhe standen dort im Regal, aber auch noch zwei weitere Modelle von Meindl. Zusätzlich gab es Prozente auf reduzierte Artikel und ich wusste es nicht: der von mir auserwählte Meindl war wegen Sortimentwechsels reduziert und so gab es noch weitere Prozente darauf. 

Bei den vorher anprobierten Modellen habe ich nach der Anprobe im Laden immer im Internet nach Vergleichspreisen geschaut, dieses Mal habe ich nicht gezögert, weil ich dachte: wegen der evtl. 15 Euro Unterschied schiebe ich den Kauf nicht auf. Auf der Heimfahrt im Bus habe ich dennoch das Internet durchsucht und siehe dar: nirgends habe ich den Schuh günstiger gefunden! Alles richtig gemacht.

Den Rest des Tages und auch gestern bin ich ganztägig im Meindl Vakuum Sport Lady GTX3 rumgelaufen und bisher hat er sich gut am Fuß angefühlt.

Ein weiterer (für mich großer) Erfolg: Seit Beginn der Reha im September habe ich nun die 20kg-Marke geknackt. Minus 20 Kilogramm Körpergewicht, mindestens das Gewicht von 2 Rucksäcken. Auch mit Rucksack bin ich dann leichter als im letzten Herbst und schön wäre es, wenn ich noch 8kg abspecke. Dann soll es aber genügen. Bis Ende Mai schaffe ich das, bedeutet nur, dass ich noch keine neuen Wanderklamotten kaufen kann. Aber sie sollen dann auch richtig sitzen. Je kleiner, desto leichter. 

Dann ist der Weg eine tolle Belohnung für die Anstrengungen. Das Laufen an sich, die Bewegungsstörungen durch die MS, sind nicht besser, wohl aber die Kondition. Bei der schönen Tour durch den Teuto bin ich konditionell gut die "Berge" hochgekommen. 

Sobald das Wetter wieder mitmacht und ich ein freies Wochenende habe werde ich wieder eine ausgiebige Runde durch den Teuto drehen. Mal sehen, vielleicht laufe ich den Hermannsweg mal von Tecklenburg nach Bad Iburg - diese Strecke kenne ich nicht, aber sie hat nur wenige Anstiege, aber dann würde ich einen neuen Teilabschnitt des Teutoburger Waldes kennenlernen. Von Hörstel bis Tecklenburg kenne ich so ungefähr jeden Weg, bin ich doch dort im Wald aufgewachsen.


24. Februar 2024

Gerade habe ich meinen Rückflug von Bilbao aus gebucht. Egal wie weit ich komme, oder ob ich zwischendurch den Weg ändere, ich werde von Bilbao aus zurückfliegen. Vor meiner Abreise möchte ich mir Pamplona noch etwas genauer anschauen und von dort geht es in 2 Stunden mit Bus nach Bilbao. 

Auch dieses Wochenende hat sich wieder nicht zum Wandern angeboten. Das Wetter ist gruselig, ständig fängt es an zu regnen.

Auf dem Weg habe ich kein Problem durch den Regen zu laufen, aber hier im Alltag macht es mir keinen Spaß, ich hoffe auf den März, dass das Wetter dann etwas stabiler ist.

Santiago de Compostela (Padron bis zum Ziel))
10. Juni 2022 

Schon seit mehr als 24 Stunden bin ich in Santiago de Compostela, am Ziel meiner Reise.

Zu Fuß habe ich es bis hierhin geschafft. 

Ich bin nicht davon ausgegangen es noch einmal zu schaffen - und hier bin ich! Man kann so viel ehr als man oftmals glaubt und auf der Hälfte des Weges war ich einen Tag lang kurz davor aufzugeben. Wie gut, dass ich weitergemacht habe, dass es mir am Folgetag so viel besser ging und die Zweifel verflogen waren.

Mein Kopf und mein Herz wollten hierher und also mussten auch meine Füße und Beine mit auf den Weg machen. 

Zurück zur letzten Etappe: ursprünglich waren als ich in Padron ankam, neben meinem Bett noch 2 weitere Betten belegt. Abends als ich zurückkam, war ich wieder alleine. So oft habe ich auf einer Pilgerreise noch nie alleine genächtigt - aber ich bin nicht böse drum. In der privaten Albergue war es sehr anonym, man hat niemanden gesehen. Aber es war eine schöne Unterkunft die ich nur empfehlen kann. Zudem lag beim "Heimkommen" meine gewaschene und getrocknete Wäsche auf dem Bett. 9 Euro für eine Wäsche, aber ich kann sauber und ordentlich vor der Kathedrale ankommen. 

Da für heute meine längste Etappe der vergangenen 2 Wochen auf dem Plan steht, schellt der Wecker frühzeitig und im Dunkeln verlasse ich um 6.00 Uhr die Herberge. 


Mein Hintergedanke zum frühen Aufbruch ist auch, dass ich dem großen Pulk etwas voraus sein möchte und die Möglichkeit, evtl. die Pilgermesse um 12.00 besuchen zu können - da bin ich mir aber unsicher ob ich es schaffe. 

Laut meinem Pilgerführer sind es 21 km - das habe ich auf dieser Reise schon geschafft, laut Kilometerstein sind es noch 26km. Wahrscheinlich ist die Wahrheit irgendwo dazwischen. Aber egal, der Weg ist so weit wie er ist, und wie es sich für mich anfühlt. Heute ist es mir egal, ich möchte und werde ankommen.


Da es noch zu dunkel ist hinterlasse ich vor meinem Aufbruch noch einen längeren Text im Gästebuch. Diese schöne Möglichkeit habe ich auf diesem Weg nur selten angetroffen. Die meisten privaten Herbergen sind ein Wirtschaftsbetrieb, haben nicht die Seele wie die Casa Fernanda und auch keine Gästebücher. Besonders au der Via Plata konnte man meinen Weg anhand der Eintragungen in den Gästebüchern verfolgen und ich habe Pilger getroffen, die mich auf meine Einträge ansprachen - darüber habe ich mich immer gefreut. 

Die  Dämmerung in der Stadt ist nicht sonderlich reizvoll, verleiht nicht zum Bleiben oder Frühstück. Ich habe immer einen Morgen auf der Via Plata im Hinterkopf. Das Licht, die Einsamkeit, der Vogelgesang in der Dämmerung - so wunderbar. Heute ist der erste Morgen in der ich in der Dämmerung laufe. Wie die Stimmung hier in der Dämmerung gewesen wäre, ich kann es nicht vergleichen. 

Es geht auch am letzten Tag, oder gerade heute in der Nähe einer großen Stadt, über viele Kilometer Straßen, große und kleine.

Um 7.00 Uhr gibt es an einer Hauptstraße ein Toast mit Käse und schnell geht es weiter. Ich laufe schnell und problemlos über den Beton. Heute brauche ich keine Jacke, es wird heiß, aber  noch ist die Morgenluft feucht. 

Die Straße höre ich kontinuierlich, dafür laufe ich heute wieder mit freiem Blick, ohne Pilger. 


Viel von meiner letzten Etappe ist mir nicht in Erinnerung, viel gedacht habe ich nicht. Der Weg geht mir durch den Kopf. Ich habe so viel mehr geschafft als gedacht. Ich hatte nette Bekanntschaften, aber wenig tiefgreifende Gespräche. Häufig bin ich gefragt worden, wie viele Wege ich schon gegangen bin. Das war, sofern ich im mich richtig zurückerinnere, sonst nie eine Frage. Hier war diese Frage ein sich ständig wiederholendes Thema. Vielleicht weil so viele Erstlingspilger auf diesem Weg unterwegs sind, wer weiß... Auf dem langen Frances wurde häufiger gefragt wo man gestartet ist, aber sonst?

Zeitweise geht es durch den Wald, hoch und runter, so wie sonst auch. Schnell laufe ich, versuche den Km-Steinen auszuweichen. Es ist heute ein weites Stück und ich muss mich nicht demotivieren mit dem Gefühl nur langsam näher zu kommen. 

Da es mit der Ankunft vor 12 Uhr zur Pilgermesse knapp wird und wohl auch nicht mehr klappen kann, nehme ich mir noch Zeit für eine letzten Café con leche auf dem Weg. Die Auszeit tut mir gut und ich regeneriere ich etwas und kann danach gut weiterlaufen. Nach den Pausen ist es immer das schwierige wieder in den Tritt zu kommen, meinen Rhythmus zu finden, dann ist es in okay. 

Noch einmal grobes, altes Pflaster durch einen schattigen Wald. Die Autobahn und die Schnellstraßen zeigen, dass es nicht mehr weit sein kann. 6 Kilometer vor der Stadt kann ich erstmals die Kathedrale sehen und verweile kurz und genieße den Blick.


Ich bin glücklich und die letzten 6km schaffe ich auch noch. Hier gibt es noch einmal 2 Wegvarianten und ich entscheide mich für die kürzere Alternative. Hier begegnet mir noch ein rot-weißer Kater der meine Streicheleinheiten sehr zu würdige weiß, und auch ich freue mich darüber, mit einer Katze kuscheln zu können. 



3km vor dem Ziel passiere ich dem letzten Kilometerstein und sehe danach keinen Kilometerhinweis mehr. 


Danach geht es entlang der Hauptstraße in die Stadt hinein. Mein Instinkt sagt mir wo ich lang muss, die Wegweiser können auch im Getümmel untergegangen sein. Aus dieser Richtung bin ich noch nie in die Stadt gekommen und als ich den Park am Rande der Altstadt sehe, weiß ich genau wo ich bin.

 Es ist brechend voll, Massen. War Santiago schon einmal so voll, evtl. 2010 im heiligen Jahr? Nicht, dass ich mich erinnere. Es ist richtig heiß geworden, 30 Grad, kein Wind. 


Ich komme an der Vorderseite der Kathedrale an, laufe aber, wie es sich gehört, um die Kathedrale herum um den Vorplatz durch das Tor zu erreichen. 


Auf den letzten Kilometer und auch in der Altstadt kommen mir immer wieder, aber nur kurz, die Tränen. Ich bin tatsächlich fast 250 Kilometer gelaufen. Ohne Rucksack, aber immerhin, mit oder ohne Gepäck ist es die gleiche Distanz.


Ich stehe vor der gewaltigen, mir so gut bekannten, Kathedrale und bin ergriffen. Kein bekanntes Gesicht weit und breit. Gerade jetzt würde ich so gerne einen meiner Mitpilger bei mir haben und uns gegenseitig beglückwünschen. Ich gebe einem anderen angekommenen Pilger mein Handy um das obligatorische Ankunftsbild zu schießen.  


Ich bin so glücklich da zu sein, glücklich nicht gestürzt zu sein, den Mut gehabt zu haben und ich bin, abgesehen von den ersten Metern in Porto, den ganzen Weg gelaufen. Durch Hitze, Sonne, Regen, Wind und Gewitter. Nichts hat mich aufhalten können. 

Ich Schatten sitze ich am anderen Ende der Placa, lasse den Weg Revue passieren und bin zufrieden, glücklich, dankbar, erleichtert... Mich durchströmen ganz viele Gefühle gleichzeitig. 

Ein Pilger dessen Namen ich vergessen habe kommt mir entgegen. Wir umarmen uns. Er wartet auf Isabell und Melanie. In Rubiaes haben wir gemeinsam übernachtet. Mir ist so heiß und ich gehe in meine Unterkunft, das Pigerhotel San Martin de Pinario auf der Rückseite der Kathedrale. Dieses Mal habe ich dort ein einfaches Pilgerzimmer und nicht ein Hotelzimmer bekommen. 


Nach dem Einchecken zieht es mich wieder zur Kathedrale und treffe dort auf Christina und Caroline die gerade ankommen. Wir machen ein gemeinsames Foto und ich freue mich über Christines Kommentar, dass ich immer ein Sonnenschein für sie auf dem Weg gewesen sei. Nun gehe ich in mein Zimmer, duschen, ausruhen und noch einmal eine Handwäsche. 
Später laufe ich noch einmal durch die Stadt und treffe Devin den ich in Rubiaes und Tui getroffen habe. Auch er kennt die Stadt, ist zuvor schon einmal angekommen und freut sich über die Freude seiner Mitpilger, sie sind schon gestern angekommen.


Da ich die Mittagsmesse nicht geschafft habe gehe ich um 19.30 Uhr in die Pilgermesse. Ich komme mit genug Vorlauf und kann so vorne einen guten Platz finden. In der Messe wird nicht gesungen, es wird nicht die Zahl der angekommenen Pilger verlesen. Überall in der Kathedrale schellen während der Messe die Handys, es wird fotografiert. Nirgends geht es so unheilig in einer Kirche vor, wie in Santiago. 

Alle meine Freunde und meine Familie habe ich über meine Ankunft informiert, aber das Handy ist in der Kathedrale aus. Zu meiner großen Freude wird auch der Botafumeiro, das Weihrauchfass, geschwungen. Ich genieße das Spektakel ohne zu fotografieren und zu filmen. Während das Weihrauchfass durch das Kirchenschiff schwingt, ist fast jeder Hand mit Handy hoch erhoben um den besten Blick einzufangen. Bei der Kommunion sehe ich auch das italienische Pilgerpärchen, dass ich in Tivo einmalig getroffen habe. Fast alle sind da, nur den Priester aus Münster treffe ich nicht in der Messe. Über Allan würde ich mich freuen, aber er ist auf den Camino Espiritual abgebogen und kann noch nicht hier sein. 

Nach der Messe lege ich mich bald hin und finde schnell in den Schlaf. Die Bettdecke nehme ich zum lagern der Beine, bei der Wärme reicht es, den Schlafsack locker über mich zu werfen. 

Morgens frühstücke ich in der bekannten, einfachen, schlichten und schönen Cafeteria des Seminarios in der Klosteratmosphäre neben dem Kreuzgang. 

Da mein Rückflug von Porto aus geht, suche ich für morgen nach einer guten Bus/Zugverbindung und bereue es, nicht einfach von Santiago aus zu fliegen. Warum immer dieser Umstand? Warum tue ich mir das an? Auf dem mir vermeintlich bekannten Weg laufe ich zum Busbahnhof, nur wurde der Busbahnhof inzwischen abgerissen und an einen anderen Ort verlegt. Gut, dass ich das schon heute merke, morgen wäre ich zu spät vor Ort gewesen um meine Verbindung zu erreichen. Immer entlang der Hauptstraße geht es mehrere Kilometer weit zum Busbahnhof. Und siehe dar: gestern bin ich hier vorbei gekommen, nicht ahnend, dass sich der Busbahnhof hier befindet. 

Zurück an der Kathedrale treffe ich die beiden deutschen Frauen aus der Herberge in Tivo. 

Der Weg zeigt mir jetzt im Nachhinein was ich geleistet habe. Ich bin erschöpft und kaputt und nehme mir eine Pause. Wer hetzt mich? Niemand! Warum sollte ich das hier am Ziel anders sehen als auf dem Weg. Generell sollte man im Alltag so auf sich achten, wie unterwegs auf dem Camino. Schritt für Schritt, heute ist heute, morgen ist morgen und irgendwie wird es schon gehen. 

Ich werde mich noch etwas Treiben, mein Glücksgefühl und die Stadt genießen, mal schauen wer mir noch begegnet und was noch passiert. Morgen werde ich in aller Ruhe aufstehen, meinen Rucksack packen und dann geht es nach Hause. So schön die Reise war, so sehr freue ich mich auf daheim.

Mal sehen was die Zukunft bringt, ich bin nicht das letzte Mal hier gewesen. Sei es zu Fuß, mit dem Flieger, als Pilger oder als Tourist.

Ich bin und bleibe eine Pilgerseele und der Weg ist in mir!

Danke für die gute Zeit, Danke allen, die mir den Weg ermöglicht haben! Danke an Christina aus Rates, die mir die Sicherheit gegeben hat, dass immer einer für mich da sein wird, falls es nötig sein sollte. Dieser Zuspruch hat mir eine große Sicherheit gegeben. Es gibt so viele gute Menschen auf der Welt, man sollte nicht nur das Negative sehen.