Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022
18. August 2024

Auch gestern habe ich mich wieder auf den Weg gemacht. Die letzten Tage habe ich immer die Wettervorhersage im Auge gehalten. Anfangs war für dieses Wochenende fast nur Regen angesagt, und täglich wurde die Prognose besser, wenn auch nicht gut. 
Für Bad Driburg ist die Regenwahrscheinlichkeit sehr hoch geblieben und so habe ich die Weiterführung des Weges von Bad Driburg für dieses Wochenende gecancelt.
Freitagabend sah ich dann, dass die Wettervorhersage für Halle/Bielefeld - einer noch nicht gelaufenen Etappe - ab Samstag Mittag eine geringe Regenwahrscheinlichkeit von 20-30% angab.
Morgens erwachte ich bei strömenden Regen und meine Lust durch den Regen zum Bahnhof zu fahren, war nicht sehr groß. Ich überlegte hin und her und kurz vor neun Uhr warf ich mir den Regenponcho über, nahm meinen Tagesrucksack und überwand mich.
Wie immer wenn man knapp in der Zeit ist: Die Bahn nach Osnabrück hatte Verspätung. Da ich aber 25min Aufenthalt bis zur Weiterfahrt nach Halle hatte, war ich ganz entspannt. Als ich im Zug saß, wurde die Verspätung immer größer und irgendwann auch knapp. In Osnabrück konnte ich noch die abfahrende Bahn sehen, aber zu spät ist zu spät. Zufällig stand auf dem Nachbargleis ein Zug nach Bielefeld, der nur fünf Minuten später abfuhr und ich stieg spontan ein. Über Osnabrück nach Bielefeld ist ein Umweg, aber so war ich immer noch früher abmarschbereit, als wenn ich auf die nächste Bahn gewartet hätte.
Ich bin echt froh, dass ich meine über den Schwerbehindertenausweis meine Jahreswertmarke für den öffentlichen Nahverkehr habe. Ich kann ohne zögern, ohne überlegen und passendes Ticket einfach in jeden Regionalzug steigen, unabhängig von Fahrverbänden etc. 
In Bielefeld sind es fast 2km bis zum Ausgangspunkt der heutigen Tour, der Sparrenburg. 
Ich stiefele mal wieder den Berg zur Burg hoch und so wie letztes Mal sehe ich nur das H für Hermannsweg und keine Richtungsangabe. 
Die Richtung vom letzten Mal kann ich ausschließen, da kam ich nach Oerlinghausen. Also dem H in die Gegenrichtung folgen und den Weg den ich gekommen bin, wieder zurück. 
Erst geht es durch die Stadt an und unter Straßen lang um wieder steil einen Weg in einen Park hochzusteigen. Es ist trocken, aber die Wolken hängen tief, es hat bis vor kurzem noch geregnet. Mit jedem Windhauch tropft es von den Bäumen. Man hat von diesem Hügel aus einen schönen Blick auf die Sparrenburg. Durch den Park geht es wieder auf einem Fahrradweg entlang der Straße und dann durch und in einen Naturzoo. Von Enten, Dammwild, Storchen, Kühen über Eulen und ähnlichen Tieren komme ich in den Wald. Es geht auf und ab auf breiten Schotter/Natursteinwegen. 
Ich komme gut und für mich flott voran, es läuft sich so viel leichter als zu Beginn des Jahres als ich mein Lauftraining gestartet habe. Anfang des Jahres haben mir meine Beine immer so stark gezittert, davon merke ich nichts mehr. Ich empfinde den Weg als relativ unspektakulär, die Luft ist sehr feucht und die Wolken hängen zwischen den Bäumen. 
Unerwartet führt mich der Weg über eine Terrasse eines Cafés und, obwohl es noch nicht so weit war, nutze ich die Gelegenheit für eine Pause. Der Apfelkuchen schmeckt mir nicht wirklich lecker, irgendein Gewürz kann ich nicht zuordnen. 
Vom Kammweg kann ich immer wieder Ortschaften sehen, weiß aber nicht, welche Orte es sind. 
Mit Blick auf Halle fühle ich mich schon fast angekommen, aber es zieht sich noch hin. 
Es geht den Berg hinunter nach Ascheloh und weiter auf einer Landstraße. 
An einem Baum mit herrlichen Pflaumen sammele ich mir einen Vorrat und esse diese im Laufe. Dabei scheine ich einen Wegweiser verpasst zu haben, oder vielleicht war er zugewuchert, entfernt...
An einer Weggabelung weiß ich nicht wie weiter. Nach den Angaben von google maps laufe ich weiter auf einem Ackerweg der in den Wald hineinführt und irgendwann ist da wieder das H und auch das gelbe H, dass den Zuweg nach Halle ausschildert. 
Bis zu Heimfahrt muss ich noch 30min warten.
Ich glaube, ich bin gut vorbereitet, so gut wie noch nie. 
Entweder der Camino klappt, oder er klappt nicht, aber dann kann ich stolz sagen: ich habe es versucht. 
Alles in meiner Macht stehende habe ich zur Vorbereitung getan, Vorwürfe kann ich mir nicht machen.




4. August 2024

Inzwischen sind wieder etliche Wochen vergangen und in etwas mehr als einen Monat geht es los.

Etliche Kilometer bin ich seit Mitte Juni wieder gelaufen. Meinem Fuß geht es besser, die Flüge sind neu gebucht, die französischen Herbergen sind reserviert und ich hoffe darauf, dass es im September schönes, aber nicht zu nass wird.
Ich fliege am 6. September früh morgens von Düsseldorf über Paris nach Pau und lande ungefähr zu 14.15 Uhr. 
Da ich noch Zeit für die Kathedrale und die Stadt Oloron St. Marie haben möchte und da ich es mir sehr schön vorstelle noch etwas auf die Pyrenäen zuzulaufen und sie größer werden zu sehen, ist mein Plan, dass ich am Flughafen Pau direkt nach der Landung in ein Taxi steige und nach Artigelouve, ggf. Lacommande fahre. 
Weder Artigelouve oder Lacommande werden vom Busverkehr angefahren, aus keiner Richtung und direkt vom Flughafen nach Artigelouve zu fahren ist streckentechnisch und zeitlich kürzer, als der Umweg über Lescar, wo ich auch ein Taxi nehmen müsste. 
Wenn der Flieger planmäßig landet dürfte ich noch Zeit haben die letzten 8km von Artigelouive nach Lacommande zu laufen. Ich muss die Gite noch einmal kontaktieren und fragen, wann der späteste Zeitpunkt zum Ankommmen ist.




Lauftechnisch bin ich etliche Kilometer auf dem Hermannsweg vorangekommen. Bielefeld, das Hermannsdenkmal in der Nähe von Detmold und die Externsteine liegen hinter mir. Meine letzte Etappen ging nach Leopoltstal. 




Die Natur verändert sich immer wieder im Wald, es ist wunderschön und abseits der Touristenattraktionen ist es im Wald überwiegend ruhig und einsam.
Auch wenn ich die Pyrenäen hier nicht nachahmen kann: auf dem Hermannsweg geht es für uns Bewohner der Münsteränder Tiefebene ordentlich hoch und runter und die Auf- und Abstiege und Strecken um die 20km klappen gut. 




Ich muss mich auf den Weg konzentrieren, die Wegbeschaffenheit im Auge behalten, nicht zu viel beim Laufen in die Gegend schauen, dann klappt es.
Ein Problem sind meine Schultern. Sie tun einfach weh. Die Athrose der Schultergelenke macht sich durch Schleimbeutelentzündugen und in die Arme ausstrahlende Schmerzen deutlich bemerkbar.
Mein Orthopäde hat mir letzte Woche mal wieder Cortison in die Schultern gespritzt und langsam wird es erst einmal wieder besser.
Schwierig werden auch meinen Sehnenansatz- und Muskelschmerzen werden.
Wahrscheinlich wird es nicht ohne Analgesie hier und da funktionieren, aber das ist mir egal. 
Mein Körper wird mit so viel Chemie in Form von Medikamenten bombadiert, da kommt es nicht mehr auf eine Tablette Ibuprofen, oder etwas Cortison von Zeit zu Zeit an.





Die Anfahrten mit dem öffentlichen Verkehr zu den Ausgangspunkten vom Hermannsweg werden immer länger, aber ich habe mir in den Kopf gesetzt diesen jetzt, wo ich so wet gekommen bin, auch zu vollenden. 
Leider habe ich meinen einen Wanderstock in Paderborn am Bahnsteig vergessen. Noch im Zug habe ich eine Verlustmeldung aufgegeben, aber bislang kam vom Bahnfundbüro keine Nachricht, dass dieser gefunden wurde.
Ein Paar neue Stöcke sind gestern mit der Post gekommen. Faltbare Wanderstöcke aus Carbon, klein und Platzsparend. Sie fühlen sich, bis auf die Handschlafe die ich nie nutze gut an.
Der Rucksackinhalt ist komplett, im Prinzip könnte es übermorgen los gehen.


10. August 2024

Auch gestern habe ich mich wieder auf den Weg gemacht den Weg fortzusetzen. 
Da ich mich immer gestresst fühle, wenn ich so spät abends nach Hause kommen bleibt mir nur: Wecker ganz früh klingeln lassen und auf geht es.
Der Tagesrucksack war abends schon vorbereitet bis auf Lebensmittel und so stieg ich morgens um 5.50 Uhr schon auf mein Fahrrad um nach Leopoldstal zu fahren. 
Die einfache Variante wäre gewesen: Münster-Paderborn, Umstieg nach Leopoldstal. Variante 2 ist: Münster-Hamm-Altenbeken-Leopoldstal. Da der Zug nach Leopoldstal der gleiche ist, habe ich mich für Variante 2 entschieden, bedeutet: 30min länger schlafen, kürzere (aber ausreichende Umstiegszeiten). Um 8.50 Uhr war ich in Leopoldstal und begab mich Richtung Wald, den Weg ordentlich hinauf, den ich letztes Mal zum Zug herabgestiegen war. Kurz nach Beginn meiner Wanderung war kein Hermannswegzeichen mehr zu sehen. Der Weg wird ab dieser Ortschaft als Eggeweg fortgesetzt. Da auf der Internetseite vom Hermannsweg steht, dass die Wegzeichen mutwillig von Unbekannnten entfernt werden und der Weg daher schlecht ausgeschildert oder nicht zu finden ist, habe ich mir erstmals im Leben GPS-Daten heruntergeladen. Mit dieser Hilfe konnte ich den Weg gut finden. Bis zum Einstieg in die Etappe waren es fast drei Kilometer stramm bergauf. 


Es muss noch kürzlich geregnet haben, die Wege und Wiesen sind nass und nach wenigen Metern sind die verstaubten Schuhe wieder trocken und meine Hosenbeine bis zum Oberschenkel nass.
Der Weg ist oftmals nicht breiter als zwei Füße nebeneinander und rechts und links zugewuchert. 
Auf beiden Seiten des Weges stehen viele Brombeerbüsche und ich kann nicht anders - ich muss Brombeeren pflücken und genießen. Die Früchte sind süß und fruchtig. 
Zwischenzeitlich nervt mich das Handy um mir den Weg anzusagen, aber an vielen Stellen hätte ich ohne die Ansage nicht gewusst, wo lang. 
Ich habe mir den heutigen Tag gewählt, da für heute nur 10% Regenwahrscheinlichkeit angekündigt sind und weil es heute 2 Grad kühler als am Sonntag werden soll.
Noch hängen die Wolken tief, der Himmel ist grau, es pustet ein angenehmer Wind und mit der nassen Hose ist mir tendentiell kühl. Von den Windrädern in der Ferne kann ich nur den Unteren Mastanteil sehen, die Rotorblätter verschwinden im Nebel.


Und obwohl es so grau aussieht, ist es wunderschön. Es ist nichts zu hören, aber wenn man "nichts" hört, hört man so viel.
Die Insekten schwirren und surren umher, der Wind, das Geraschel der Blätter, die Vögel.... Abgesehen davon, dass ich bis Bad Driburg nur 4 Radler und eine Wanderin treffe, ist kein Alltagsgeräusch zu hören. Keine Stimmen, keine Autos, kein Flugzeug. 


Nur die Natur und ich und eine Handystimme, die mir sagt: in 200 Metern rechts, in 100 Metern rechts, in 49 Metern rechts und jetzt rechts abbiegen - so hilfreich wie auch nervig, weil oftmals der Weg nach rechts führt und kein Weg abzweigt. Aber dann sind da die Momente wo es mir hilft mich zu orientieren.
Nach 6km kommt langsam die Sonne raus, es klart auf und mit dem Aufklaren wird es warm. 
Immer auf dem Kamm geht es entlang und nach wie vor liegt alles brach. Auch hier hat der Borkenkäfer ganz viel Natur vernichtet. Aber auch die Brachlandschaft, die Baumstümpfe, Gräser und Blumen wirken malerisch, dazu blauer Himmel, Wolken und Sonne. 





Am Wegesrand gibt es immer wieder nette Rastplätze die vom Eggegebirgsverein betrieben werden.
In einer Hütte mache ich nach 11km Pause, lege die Beine hoch und esse mein Brötchen und etwas Obst. 
Abgesehen von dem strammen Aufstieg zur Etappe gibt es heute nicht sehr viele Höhenmeter. Die Auf- und Abstiege sind leicht machbar. 
In der Sonne surren viele Bienen und Hummeln auf der Heide, kurze Zeit später fliegt eine Libelle an mir vorbei. Ich beobachte, wie sie in der Luft tanzt und immer wenn sie sitzen bleibt und der Fotoapparat parat ist, fliegt die Libelle weiter. 




Aber denn bleibt sie an einer Tanne in Augenhöhe, unweit des Weges, sitzen.
Ich kann die Libelle ganz genau beobachten und sie scheut sich nicht vor dem Fotoapparat. Fasziniert begutachte ich die Augen dieses Tieres durch das Objektiv und mache einige Fotos im Makroformat und laufe weiter.




Die Brachlandschaft wird nach einem Abstieg zum Buchenwald und irgendwann sagt das Handy: "Ziel erreicht". Das Ziel der Etappe habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet, da ich das Ende an der Iburg erwartet habe. Laut vorhandenem Wegweiser sollen es noch 2,2km bis zum Ort/Bahnhof sein.
Ich schlage den Weg zur Ortschaft ein und noch 500 Metern finde ich den Wegweiser zur Burganlage.
Ab hier treffe ich auf Touristen/Ausflügler, vorher so gut wie niemanden. Zum Kaiser-Karl-Turm geht es noch einmal ordentlich hinauf. Oben angekommen steige ich noch auf den alten Turm und schaue über die Umgebung. So grau wie es morgens war, so schön ist es jetzt. 




Im Anschluss setze ich mich in die Sachsenklause, aber da der Kellner mich immer wieder vertröstet mit der Aufnahme meiner Bestellung, stehe ich wieder auf und laufe weiter. 
Die Kilometerangaben auf den Schildern passen nicht, mal bin ich eine ganze Weile gelaufen und plötzlich soll der Weg wieder weiter sein, als vor langer Zeit. Egal. 
Fast 20km lang zeigte der Wegweiser "Bad Driburg - Bahnhof" an und in Bad Driburg gibt es keinen einzigen Wegweiser. Ich frage mich durch und sehe noch die Rücklichter von einem Zug. 
Auf dem Bahnhof setze ich mich im Schatten auf den Boden und warte auf den nächsten Zug.




Dadurch dass ich so zeitig aufgestanden bin, bin ich schon um 18.30 Uhr wieder in Münster.
Ich habe das Gefühl, gut vorbereitet zu sein. Mir fehlen noch 2 Etappen und bis zur Abreise bleiben noch 3 Wochenenden. Vielleicht schaffe ich es noch den Weg zu Ende zu laufen. Ich könnte auch ein Wochenende laufen und vor Ort übernachten, aber dazu bin ich zu kniepig.
Zuhause habe ich meine neuen Wanderstöcke in der Post gefunden. Beim Auskundschaften nach möglichen Stöckern haben mich die faltbaren Stöcker interessiert - klein, handlich und leicht. 
Zwei verschiedene Paare dieser Stöcker habe ich mir zur Ansicht bestellt. Modell Nr. 1 hatte ganz unbequeme, scharfkantige Handschlaufen und Modell 2 war ähnlich. Abgeschreckt haben mich letztendlich dann doch die Berichte von gebrochenen Stöcken, da die Faltstöcke weniger belastbar sind. Nicht auszudenken, wenn die Stöcker in den Bergen brechen, weil ich mich plötzlich und hart damit abstützen muss. Jetzt sind es wieder Teleskopstöcke geworden. 
Meinen in Paderborn am Bahnhof vergessenen Komperdellstock habe ich bei der Bahn gemeldet, aber keine Rückmeldung erhalten. Ich gehe davon aus, dass ich ihn nicht wieder bekomme.