Die Geschichte meines Jakobsweges

2008 Camino Frances, Pamplona -Santiago de Compostela, 2010 Via de la Plata, Sevilla - Salamanca, 2011 Via de la Plata, Salamanca - Santiago + Camino Finisterre, 20212 Camino del Norte, Hondarribia - Gurriezo, 2014 Camino Primitivo, Oviedo - Santiago, 2017 Camino Ingles, Ferrol - Santiago, 2022 Camino Portugues, Porto - Santiago, 2024 vier Caminos ein Weg, Via Tolosana - Camino Piamonte, Camino Frances, Camino Baztan entgegen der Richtung: im Zickzack durch das Baskenland: Artigelouve - Oloron Saint Marie, Saint Jean Pied de Port - Trinidad del Arre - Bayonne

In 2 Wochen bin ich schon unterwegs + Camino Ingles /Bericht

Heute in 2 Wochen laufe ich voraussichtlich meine erste Etappe auf dem Camino Ingles. Nach wie vor fühlt sich dieses Vorhaben supergut und richtig an. Trainiert bin ich nicht, meine Etappen sind nicht im Voraus geplant, nach wie vor gedenke ich alles auf mich zukommen zu lassen und dann aus dem Bauch heraus zu entscheiden. Das Hotel in Ferrol für die erste Nacht ist gebucht. Zug und Flugtickets muss ich noch ausdrucken, mir fehlen noch einige Sicherheitsnadeln als Wäscheklammerersatz und Ohropax habe ich auch noch nicht besorgt, aber das war es. Ob ich ein Langarmshirt mitnehme, bei meinem ständig vorhandenen Hitzegefühl, mache ich von der Wettervorhersage einige Tage vorher, ab. Im Prinzip kann es los gehen, noch 9 Dienste und dann heißt es: Hola Espania! Letztes Wochenende war unser jährliches Pilgertreffen in Bocholt. Ich habe mich wieder sehr darüber gefreut meine langjährigen Pilgerfreunde zu treffen und zwei Tage mit ihnen zu verbringen. Der Kreis war mit 25 Pilgerfreunden überschaubar, aber der harte Kern war da. Getrübt wurde die Freude beim Treff durch Streitigkeiten im Vorbereitungsteam. Wir sind alle längstens erwachsen und einige zicken miteinander herum wie im Kindergarten. Wer hat bei der Vorbereitung unseres Vereinsheimes mehr oder weniger geputzt, wer hat wann was gesagt, wer kommt nicht mit wem aus. Dadurch dass wir uns so gut kennen, kennen wir inzwischen nicht nur unsere guten Seiten, auch die jeweiligen Eigenarten kennen wir inzwischen bestens - woraus sich auch eine Distanz entwicklt. Vor 9 Jahren war das noch leichter. Man freute sich kennenzulernen und auszutauschen über die Wege und Planungen. Fragen wurden gegenseitig beantwortet, man half sich. Die Wege stehen nun mehr im Hintergrund, wir alle haben reichlich Pilgererfahrung. Es geht um Erhalt der Freundschaft und Austausch über persönliches. Dass nicht jeder mit jedem kann, dem einen gegenüber mehr Sympathien als dem anderen empfindet, ist normal. Aber ich empfände es als sehr schade, wenn durch dieses Gezicke und Gestreite, die Gruppe auseinander fällt. In Bocholt können wir uns zukünftig nicht mehr treffen. Franz gibt nach vielen Jahren den Vorsitz im Radsportverein auf und kann dann nicht mehr über das Vereinsheim verfügen. Wir sind uns aber einig, dass wir an unserem Treffen festhalten möchten und schauen uns nun nach Alternativen um. Mal sehen wo wir uns nächstes Jahr treffen. Nur noch zwei Wochen!


Camino Ingles

21. September – 30. September 2018

Ferrol – Santiago de Compostela



Ein weiterer Weg,

ungeplant, spontan und unvorbereitet.

Ob es klappt, ob ich ankomme?

Ich weiß es nicht, aber ich möchte es probieren.



22. September 2018

Gleich geht es los auf den Camino Ingles.

Ob das die richtige Entscheidung war, spontan und unvorbereitet?

Eigentlich wollte ich diese Zeit mit meiner Pilgerfreundin Klaudia am Ende der Welt, in Muxia, am Atlantik verbringen, aber Klaudi ist kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen.

Was soll ich 10 Tage alleine in dem kleinen Dorf? Da versuche ich mich lieber an einem weiteren Camino.

Die Frage war nur, welcher Camino soll es werden? Für welchen Camino reichen 10 Tage.

Zur Auswahl standen ein Teil des relativ flachen Camino Portugues – was meinem Trainingszustand (nämlich 0) entgegenkäme, oder der Camino Ingles, nur 111km weit, dafür durch das Hügelland von der Küste nach Santiago.

Da ich auf dem Camino Ingles, dem englischen Weg, den die Pilger früher nach der Überquerung des Ärmelkanals von England nach Santiago de Compostela genommen haben, mein Ziel – das Ziel aller Caminos – erreichen kann, habe ich mich für diese Variante entschieden.


Beim Aufstehen zwickt mein Fersensporn, ich spüre meine Beine, die vielen Medis, die Fatigue…

Da es jetzt um 7.00 Uhr in Ferrol noch stockdüster ist, nehme ich mir die Zeit von meiner gestrigen Anreise zu berichten.

Letztendlich hat alles wie geplant funktioniert, aber es war anstrengend und nervlich aufreibend.

Immer der Gedanke: komme ich heute wie geplant bis Ferrol? Es wird knapp, die Ankünfte/Anschlüsse dürfen sich nicht verschieben.

Da ich Santiago gut kenne und es 100te Unterkünfte gibt, wäre es kein Problem gewesen in Santiago zu übernachten, aber mein Plan ist anders, ich bin extra früh aufgestanden, habe einen frühen Flug gebucht um die Anreise innerhalb eines Tages zu schaffen.

Morgens um 2.30 Uhr schellte der Wecker. Tommi und Ylvie waren sehr irritiert und ich fand sie aktiv vor, sie spüren immer, dass was im Busch ist.

Schnell duschen, Kaffee kochen, anziehen und wenig später brachte mich mein Nachbar Dietwald zum Bahnhof.

Der erste Schreck: die Bahnhofsanzeige zeigt an, dass meine Bahnfahrt ausfällt. Verspätung habe ich einkalkuliert, Zugausfälle nicht.

Komischerweise bleibe ich ganz ruhig, keine Nervosität, nix. Eine Berufspendlerin weist mich auf die nächste Möglichkeit hin. Okay, den nächsten Zug nehme ich – was bleibt mir auch anderes über.

Eine Stunde vor Abflug bin ich am Flughafenschalter und die nächste Überraschung: Ich bekomme nur ein Standby-Ticket, der Flug ist überbucht – Flug fraglich, auf welchen Flieger könnte ich umgebucht werden?

Nicht nur ich, mit vielen Fragezeichen stehen 9 Flugpassagiere beim Boarding und warten – was passiert. Man munkelt was von Lastenausgleich, etc.

Immer wieder darf nach und nach ein Fluggast das Flugzeug betreten, ich muss weiter warten.

Als letzter Fluggast darf ich, zum Glück, den Flieger betreten und los geht es nach Madrid.

In Madrid geht es wieder von vorne los. In Düsseldorf habe ich nur das Ticket für den ersten Flug meiner Reise bekommen. Also am Flughafen in Madrid auschecken, den Iberia-Schalter suchen, anstehen und wieder die Ungewissheit: darf ich, wie gebucht und geplant, meinen Anschlussflieger nehmen? Mir wird zum „Verhängnis“, dass ich einen Billigtarif ohne Schnickschnack, ohne Gepäck etc. gebucht habe.

Ich werde auf einen späteren Flug umgebucht und verbringe in Madrid die Wartezeit. Zum Glück gibt es heute Internet, und ich kann recherchieren, dass – wenn ab jetzt alles gut geht, ich heute mein Tages- und Startziel auf dem Camino, Ferrol, erreiche.

Am Flughafen in Santiago de Compostela kenne ich mich gut aus uns so geht es nach der Landung direkt zum Flughafenbus und ich bekomme direkt einen Bustransfer zum Busbahnhof. Hätte ich mir die Zeit für einen Klogang genommen, hätte ich getrödelt, wäre ich erst später am Busbahnhof angekommen und ich hätte den Anschluss nach Ferrol nicht mehr bekommen.

Am Busbahnhof gönne ich mir auf die Schnelle eine Tortilla, meinen Bushaltestelle immer im Auge habend und dann geht es nach Ferrol. Jetzt kann ich endlich entspannen und die Müdigkeit überkommt mich. Mein Hotel in Ferrol ist gebucht, jetzt muss ich nur noch bis zur Endstation fahren, der Rest des Tages kann dann kommen wie es sich ergibt.

Mein Hotel Almendra ist nicht weit vom Bahnhof entfernt, die Stadt wirkt im ersten Moment hässlich, nicht sonderlich einladend – aber was will man von Industriestädten erwarten?

Nach einer kurzen Auszeit im Hotel suche ich den Startpunkt des Weges und finde den Monolithen mit der Kilometeranzeige bis Santiago, versteckt in einer Ecke zwischen Häuserzeilen am Hafen.

Auf der Suche nach dem ersten Wegweiser treffe ich eine Mitpilgerin, die mit mir im letzten Flieger und im Bus saß. Vom ersten Eindruck ist sie mir unsympathisch.

Zum Abendessen besorge ich mir in der Bäckerei eine typisch spanische Empanada, Obst und Wasser und verzehre diese an einem lauschigen Plätzchen in der Sonne und gehe anschließend zu meinem Hotel zurück und lege mich schlafen.

Der Tag war anstrengend, aber ich habe dreifaches Glück gehabt und ich bin gut an meinem Startort angekommen.


22.September 2018

Ferrol – Xubia, nur 13.2km

Nachdem ich meinen gestrigen Tagebucheintrag notiert habe, dämmert es gegen 7.30 Uhr. Ich packe meinen Rucksack zusammen . Seit 10 Jahren hat alles seine feste Ordnung in meinem Rucksack. Niemals hätte ich 2008 gedacht, dass der Camino mein treuer Begleiter wird.

In einer der vielen Bars frühstücke ich Toastadas mit Marmelade und Kaffee, ich lese noch einmal meinen schlauen Reiseführer, und ab jetzt bin ich ein Pilger, d.h. auf dem Weg. Buen Camino y ultreiya!

Ich freue mich darüber, dass ich spontan und aus einer Laune heraus, wieder in Spanien bin. Spanien ist einfach mein Land!

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Die erste Etappe ist geschafft und es lief sich gut. Für morgen weiß ich, vor 8.30 Uhr muss ich in dieser Jahreszeit nicht starten, die Dämmerung benötigt ihre Zeit, die Sonne geht wesentlich später auf, als im Mai.

Die wenigen Meter bis zur Küstenstraße kannte ich von gestern, und dann gab es einige Meter ohne gute Kennzeichnung. Die Spanier die ich vor einer Haustür ansprach, konnten mir den Weg auch nicht erklären, es waren ebenfalls Pilger, die in Kürze aufbrechen würden.

Die Luft ist feucht und vor lauter Nebel kann man nicht weit sehen. Da Ferrol architektonisch wenig zu bieten hat, ist die schlechte Sicht nicht schlimm.

Entlang der Straße, mal auf dem Grünstreifen geht es um das Marinegelände und entlang der Ria, den weitläufigen Meeresarmen, die ins Landesinnere führen.

Momentan herrscht Ebbe und durch den Nebel sieht man eine schlammige, mit Algen überzogene Wattlandschaft. Immer wieder kommen kurze Momente, in denen ich das Meer und ab und an auch Kräuter rieche. Die Momente sind flüchtig und kurz und meine Nase kann in der Kürze nicht wahrnehmen um welchen Duft es sich handelt. Minze und Melisse sind eindeutig, der Rest bleibt ein flüchtiger Eindruck.

Immer wieder klart es leicht auf, bevor ich in die nächste Nebelwand laufe.

Ich fühle mich einfach glücklich unterwegs zu sein. Ich überhole ein Pilgerpärchen, ansonsten habe ich heute Morgen noch keine Pilger auf dem Weg getroffen.

Auf einer Bank schnüre ich meinen Schuh für einen besseren Sitz neu und hier werde ich das erste Mal von einem kleinen Pulk überholt. Einmal übersehe ich einen Wegweiser und frage an einer Straße nach der Wegführung und werde auf den Weg zurückgeschickt. Ganz falsch bin ich nicht – ich befand mich auf dem Pilgerweg für Radler, der an einigen Stellen vom Fußweg abweicht. Überall sehe ich blühende Pflanzen, Bougainville, Feigen, Zitronen, Nüsse – die Natur hat reichlich zu geben.

Mit den Stunden klart es immer weiter auf, es wird hell und die Sonne strahlt. Mit der kommenden Flut steigt das Wasser in der Ria, die Natur wird grüner, aber fast immer sieht man irgendwo Industrie und Marineanlagen.

Einige Hunde begleiten mich, einige kläffen hinter Mauern und Zäunen, aber sie bereiten mir keine Angst, Menschen treffe ich nur wenige.

Über eine Autobrücke könnte ich den Weg abkürzen, aber ich folge weiter dem Flusslauf.

Kurze Zeit später, hinter einer Flusspromenade, erreiche ich Xubia, mein Tagesziel.

In der ersten Bar des Ortes gibt es eine kleine Stärkung und Auszeit – ansonsten bin ich heute durchgelaufen. Den Gedanken noch einige Kilometer anzuhängen verwerfe ich. 29Km am ersten Tag müssen nicht sein – ich habe genügend Zeit.

Danach gehe ich zur Herberge und stelle fest, dass ich Pilger Nr. 1 bin, die Albergue ist noch verschlossen. An der Tür hängt ein Zettel, an der steht, dass man, für den Fall, dass noch niemand da ist, eine Telefonnummer anrufen soll.

Ich rufe die angegebene Nummer an, mein Problem ist, dass ich die Antwort nicht verstehe. Nicht lange nach mir kommen mehrere junge Spanier an der Herberge an und diese rufen noch einmal bei der angegebenen Nummer an. Sie erfahren, dass der kleine an der Tür angebrachte Tresor, mit einer speziellen Nummer zu öffnen ist, und dass sich in dem dahinter liegenden Kästchen der Haustürschlüssel versteckt.

Unsere Unterkunft ist einfach, aber ausreichend und liegt direkt am Meeresarm.

Tatsächlich bleibe ich die einzige Deutsche, die Herberge füllt sich bis zum Abend.

Der Nachmittag klingt gemütlich und schön aus. Wir sitzen in der Sonne, genießen das Wetter; wenn die Verständigung nicht auf englisch klappt, gibt es Übersetzungsapps.

Oberhalb der Herberge, sieht man im Wald eine kleine Kapelle im Wald liegen, eine Wallfahrtskapelle. Nachdem ich regeneriert bin, nehme ich mir die Zeit und laufe noch einige Kilometer zur Kapelle bergauf, aber sie ist verschlossen. Über der Kapelle liegt im Wald, noch einmal einige Kilometer entfernt die Ruine einer Festung. Von dieser hätte man sicher einen tollen Ausblick. Da ich mich aber in meinen Duschlatschen auf den nachmittäglichen Rundgang gemacht habe, lasse ich es mit dem Aufstieg zur Festung. Alles ist besser, als in Latschen auszurutschen, umzuknicken oder sich zu verletzen.



23. September

Xubia – Pontedeume, 15km

So zeitig wie gedacht, bin ich dann doch nicht schlafen gegangen. Wir haben alle noch auf den Hospitaliero gewartet, der zwecks Bezahlung und Stempeln der Credencial irgendwan vorbeikommen wollte. Er ließ uns bis fast 22.00 Uhr warten, eine Zeit wo Pilger meist schon im Bett liegen, aber mit Sicherheit ist der Hospitaliero so geschäftstüchtig, dass er weiß, dass zu dieser Zeit alle vor Ort sind.

Und so wie auf jedem Camino bisher: Das Fenster neben meinem Bett, dass den ganzen Tag geöffnet war, wird verschlossen. Die Spanier haben zudem alle einen langen Schlafanzug dabei und ich gehe kaputt vor Wärme.

So müde ich bin, so lange habe ich zum Einschlafen gebraucht. Um 4.00 Uhr war die Nacht erst einmal schlagartig vorbei. Die große Pilgerwanderung zum WC hat eingesetzt, und das in einer Lautstärke die man nicht überhören konnte, egal wie tief man schläft. Die Luft im Raum ist zum Schneiden, ich schließe mich der Völkerwanderung an und öffne, als alle schon wieder liegen, das Fenster und nehme mir noch eine Auszeit und schlafe weiter.

Um 7.00 Uhr ist die Nachtruhe dann endgültig vorbei. Das große Packen und Kramen setzt ein. Mit den Spaniern hatte ich gestern besprochen, dass wir uns um 7.30 Uhr zum Frühstück in der Bar treffen und im Anschluss, jeder in seinem Tempo, starten.

Das Thema Frühstück müssen wir spontan canceln, es ist Sonntag und die Bar hat geschlossen.

Es ist nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass ich ohne Frühstück in einen Wandertag starte. Ich weiß, dass es kein Problem ist, ich weiß, dass ich durchhalte – aber ein kleines Frühstück vor dem Start ist immer gut, einfach für das Gefühl, um noch etwas wach zu werden und um langsam in den Tag zu starten. Die typischen spanischen Frühstücke in der Bar sind übersichtlich. Im Normalfall gibt es 2 Scheiben Toast mit Butter und Marmelade, vielleicht auf Anfrage auch mal Käse und Schinken. Manchmal gibt es auch nur einige Frühstückskekse oder ein Stück Topfkuchen. Alles nicht sehr nahrhaft, alles hält nicht lange vor, aber man hat was im Magen.

In der Dämmerung begegnen mir viele Katzen, ein roter Kater sucht meine Nähe, lässt sich streicheln und begleitet mich einige Meter.

Walli, aus Handorf hat sich nicht bei mir gemeldet, ich gehe davon aus, dass es Tommi und Ylvie gut geht.

Der Weg führt erst an der Hauptstraße, dann an der Landstraße lang und danach bergauf. Alles ist grau in grau, wo ist der strahlende Himmel von gestern Nachmittag?

Der Nebel von gestern hat sich verzogen, aber die Luft ist sehr feucht, zeitweise nieselt es.

Es geht immer bergauf und bergab und auf der Höhe hat man einen tollen Blick auf die Mündung des Meeresarmes.

Schaue ich zurück, blicke ich in dorthin wo ich gestern gestartet bin – auf die Hafenanlagen.

Immer mal wieder durchwandere ich kleine Ansiedlungen, aber nirgends gibt es die Möglichkeit einzukehren.

Vor mir läuft eine muskulöse, sehr sportliche Herrentruppe, was denken die wohl von mir als Moppelchen auf dem Weg? Aber unabhängig von meiner Figur, ich halte das Tempo der Jungs bis Casanova durch und dort finde ich eine geöffnete Bar und endlich gibt es Frühstück.

In der Bar trudeln nach und nach einige Gesichter ein, die ich in der Albergue getroffen haben. Alle freuen sich, einen schönen Pausenort gefunden zu haben.

Nach der Pause geht es weiter und endlich geht es richtig ins Grüne hinein.

Mischwälder, Euktalyptusbäume, Wiesenwege oder mal einige Meter Landstraße durch die reiche Natur.

Mal überhole ich ein Pärchen, mal schließt das Pärchen wieder auf und sie überholen mich, über lange Zeit bleiben wir in Sichtweite.

An einer Stelle gibt es zwei Wegvarianten, ich blättere kurz in meinem Reiseführer und entscheide mich für die schönere, aber etwas längere Variante.

Über eine lange Brücke komme ich in meinen Zielort, nicht weit hinter der Flussbrücke liegt die Herberge. Die Tür ist verschlossen, aber es hängt dort ein großes Schild: Completo – Herberge belegt. Zeitlich bin ich wirklich gut dran, aber was soll ich machen? Belegt ist belegt, eine Telefonnummer finde ich nicht.

Ich warte noch fast eine Stunde vor der Herberge? Wo sind meine Mitpilger, die kurz vor und hinter mir waren?

Niemand kommt oder geht, niemand macht die Tür auf. Bis zum nächsten Ort ist es mir zu weit. Ich gehe zur Touristeninformation und reserviere ein günstiges Hotelzimmer im Ort.

15 Euro für ein Hotelzimmer ist nicht teuer, dementsprechend einfach ist es, aber das sind die Herbergen auch und ich habe meine Ruhe und mein Bad.

Pontedeume ist ein nettes, typisches Städtchen. Die Kirchen sind zu, es gibt diverse Bars und Restaurants. In der Bar treffe ich die spanischen Jungs, die mich fragen wo ich übernachte, warum ich nicht in der Albergue bin?

In der Zwischenzeit wurde das Schild: Completo, abgenommen, die Putzfrau hat vergessen, es am Vortag abzunehmen. Die Herberge ist fast komplett frei, viele haben sich Betten in den Hotels der Stadt gesucht, aber jetzt ist es zu spät und ich ziehe nicht mehr um.

Ich besichtige die Stadt, wasche meine Wäsche, setze mich an den Meeresarm und genieße die Zeit.

Mein Kopf ist beim Laufen total leer. Ich denke über nichts nach – ich bin einfach im Jetzt und genieße die Natur und die vielen, teils flüchtigen Eindrücke, um mich herum. Ich bin glücklich über jeden Schritt. Die Natur könnte noch etwas Schöner werden, aber das kommt je weiter man sich von den Städten entfernt.

Morgen steigt der Weg zu Beginn stark an. Aber auch das werde ich schaffen. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug so wie es Beppo aus Momo gemacht hat.


24. September

Pontedeume – Betanzos, 19,6km

Lange habe ich begraucht um einzuschlafen. Hitze, Schweißausbrüche, die stickige Luft, das kleine Fenster… Trotz aller Ruhe in meinem Einbettzimmer habe ich schlechter geschlafen als im Großraumschlafsaal. Aber irgendwann bin ich eingeschlafen und wurde kurz vor dem Wecker gegen 7.00 Uhr wach.

Das Frühstück in der Bar war nicht gut, es war drüsch, es gab nur Frühstückskekse, kein Brot.

Kurz nachdem ich den Ortsmittelpunkt verlassen habe geht es aus der Stadt hinaus steil hinauf. Die Einwohner dieser Dorfstraße müssen allesamt stramme Waden und eine gute Kondition haben. Schritt für Schritt, rhythmisch und langsam laufe ich Schritt für Schritt bergan. Gut, dass es noch früh ist, dass die Sonne noch nicht so warm ist.

Meine nicht vorhandene Kondition ist nicht das Problem, eher meine Achillessehne und die Muskel- und Sehnenansätze.

Nach und nach gehen die wenigen Straßenlaternen am Wegesrand aus. Es wird ein schöner Tag werden, die Sonne scheint, der Wind bläst erfrischend.

Oben an der Bergspitze angekommen wird mein linker Fuß taub. Ist der Schuh zu fest geschnürt oder ist es der Rücken, die MS…. Möglichkeiten gibt es vielfältige. Mir geht es gut, nur das pelzige Gefühl im Fuß empfinde ich als sehr störend. Auch wen ich den Gedanken verdränge: der Camino Primitivo endete in einem heftigen Schub. Die Ärzte haben mir versichert, dass der Schub unabhängig von der körperlichen Belastung gekommen wäre. Ich versuche, nicht bei jedem Schritt über das Problem nachzudenken, aber es kommt immer mal wieder hoch.

Nach ca. 20min verschwindet das pelzige Gefühl im Fuß wieder. Nicht immer verstehe ich meinen Körper, aber ich denke nicht weiter darüber nach. Wer weiß schon, was morgen ist?

Auch wenn morgends alle relativ zeitgleich starten, sieht man nur wenige Pilger wenn man unterwegs ist.

Überwiegend laufe ich auf kleinen Landstraßen, aber auch über Feld- und Wiesenwege. Die Wege führen durch die Natur und nicht immer ist es störend auf Beton zu laufen. Das Drumherum ist trotzdem schön. Auch heute komme ich wieder an vielen Apfel-, Nuss-, Feigen- und Maronenbäumen vorbei. Einmal riecht es plötzlich ganz stark nach Maracuja und erst wenig später sehe ich die Hecke.

In Mino ist die halbe Strecke geschafft, in der Touristeninformation hole ich mir einen Stempel für meine Credencial. Läuft man nur die letzten 100km der Wegstrecke benötigt man täglich 2 Stempel um die Credencial bekommen zu können. Jeder der weiter als 200km vor Santiago startet benötigt nur einen Stempel pro Tag. Da ich ein Kurzstreckenpilger bin, benötige täglich 2 Stempel, aber es ist kein Problem diese zu erhalten. In einer kleinen Bar nehme ich mir eine kurze Auszeit, lege die Beine hoch und regeneriere mich. Einige mir unbekannte Pilger schauen auch in die Bar, bekannte Gesichter treffe ich nicht. Wo haben die mir unbekannten Pilger geschlafen? Vielleicht waren sie gestern noch in der Herberge, vielleicht haben sie im Hotel geschlafen, vielleicht sind sie eine andere Tagesetappe gelaufen.

In der Bar treffe ich ein Pärchen aus Miami, ich werde das Paar noch öfter in den nächsten Tagen treffen.

Über die nächsten 6-7km geht es steil bergauf und aus dem Nichts tauchen plötzlich mal wieder vor und hinter mir Pilger auf. Ich verstehe es oftmals nicht. Entweder sieht man niemanden, oder man trifft auf mehrere Menschen gleichzeitig. Schritt für Schritt, teil in kleinen Serpentinen, obwohl die Straße geradeaus bergauf führt, steigen wir Schritt für Schritt bergan und es ist richtig kräftezehrend.

Vor Betanzos geht es wieder steil bergauf und wieder hinauf in die Altstadt und zur Herberge.

Die Herberge liegt in einem schönen alten Haus.

Ich bin total kaputt, aber glücklich.

Duschen, Waschen, Siesta und Stadtbesichtigung folgen.

Betanzos ist eine schöne Stadt. Heute war es die schönste Etappe bisher. Auf Deutsche treffe ich so gut wie gar nicht, aber mit den Spaniern kann ich herrlich lachen, auch wenn wir manchmal einen Dolmetscher benötigen oder nicht alles verstehen. Man benötigt nicht immer Worte.


29. September 2018

Muxia

Ich bin am Ende der Welt, in Muxia.

Seit Tagen habe ich nichts geschrieben. Ich bin vor lauter Erschöpfung nicht dazu gekommen. Abends ging nichts mehr, nur das Nötigste: Duschen, Wäsche, Essen, Trinken und Bett.


Am 25. September bin ich 25km von Betanzos nach Hospital de Bruma gelaufen.

Die Strecke in Kombination mit dem warmen Wetter, den vielen und langen Steigungen haben mich sehr herausgefordert und geschlaucht.

Jetzt verstehe ich den Rat meiner Pilgerfreundin Birgit, dass der längere, aber flache Camino Portugues einfacher zu laufen ist.

Über die Kilometerangeben der Strecke gab es verschiedene Angaben. Je nach Reiseführer soll die Strecke 24 bis 28km weit gewesen sein.

Fakt ist, ich habe es geschafft, aber eigentlich war es zu viel des Guten, zu anstrengend, zu weit.

Die ersten 12km bis Presedo liefen sich bestens. Es war kühl, ich fühlte mich erholt von der Nacht, auch wenn ich lange Zeit nicht einschlafen konnte.

Morgens, an diesem Tag auf der Landstraße, lief es sich an allen Tagen gut. Die Morgenfrische, der ausgeruhte Körper – aber immer die Muskel- und Sehnenansatzschmerzen, Schmerzen durch den Fersensporn, Taubheitsgefühl im linken Fuß…

Sind meine Schritte zu Beginn des Tages rhythmisch und gleich lang werden sie mit jedem weiteren Kilometer und mit der Tageswärme unausgeglichen, holperig und schwankend.

Es ging über viele kleine Straßen und Waldwege, immer auf und ab, auf und ab, gefühlt aber überwiegend aufwärts.

Diese langen Steigungen sind in der Mittagswärme anstrengend, ich habe mein Biotief und die Erschöpfung setzt ein.

Nicht nur ich, kleiner übergewichtiger Pilger muss den Berg hoch, nein der Rucksack muss auch mit hinausgeschleppt werden.

Nach einer Pause an einem kleinen See, am dem ich mich auf eine Bank lege, mich erhole und einen Pfirsich esse, geht es weiter bergauf. Die Sonne strahlt in bester Manier vom Mittagshimmel, alles um mich herum glüht. Schatten gibt es relativ wenig.

Ein kanadisches Paar holt mich ein und wir laufen eine Weile plaudernd gemeinsam den Weg weiter. Solche Gespräche lenken vom schwierigen Weg ab, aber nach einer Weile hängen sie mich ab und sie entschwinden meinem Blickfeld.

Auch wenn die Kondition nicht die Beste ist, ist meine Achillessehne das Hauptproblem, nicht meine Pumpe, die macht gut mit. Die Bein-, Fuß-, Wadenschmerzen, die schmerzenden Muskel- und Sehnenansätze machen jeden Schritt, spätestens ab Mittag, zur Qual.

Aber langsam, ein Schritt nach dem Anderen, geht es auch für mich vorwärts.

Selten habe ich mich so über Motorenlärm gefreut. Motorenlärm deutet immer daraufhin, dass ich einem Ort näher komme. Heute sagt mir der Straßenlärm, dass es nur noch ca. 3km bis zum Etappenort sind.

Es wird Zeit anzukommen. Ich bin körperlich am Ende, mein Wasservorrat geht zur Neige und ich versuche mein Wasser auf den letzten Kilometern gut einzuteilen. Auch wenn ich mich dem Ort näher, habe ich noch kein Haus am Straßenrand entdeckt, wo ich um Wasser bitten könnte.

In der ersten Bar zu Beginn der Ortschaft bestelle ich mir eine große Flasche Wasser, aber bitte kalt!

Die Wirtin erkennt wie es mir geht, und sie kommt von sich aus und schiebt mir einen Schemel unter die Füße, anstatt Wasser bringt sie mir erst einmal eine zuckerhaltige Limonade.

Das tut so gut! Die Lebensgeister kehren langsam zurück. Ich bin körperlich fertig und mir laufen vor lauter Erschöpfung die Tränen herunter. Warum mute ich mir so etwas zu? Was mache ich hier? Warum?

Diese Fragen kommen nur im Augenblick der größten Erschöpfung, aber heute kommen sie.

Vom zeitlichen Verlauf und der Anstrengung heute, tendiere ich dazu, dass die weitere Kilometerangabe aus dem spanischen Reiseführer korrekt war. Eigentlich ist es egal – ich habe es geschafft.

Sehr lange ruhe ich mich nicht aus,, die nächste Herberge hat nur 18 Betten, das Dorf ganze 50 Einwohner und ich zweifel, dass ich ein Bett bekommen. Zu oft wurde ich heute überholt, zu oft habe ich geschwächelt und kurze Pausen eingelegt.

Über eine Wegalternative/Streckeneinteilung habe ich mir keine Gedanken gemacht, der nächste Übernachtungsort wäre noch viel weiter entfernt. An Bus oder Taxi habe ich keinen Gedanken verschwendet und wenn man erst einmal unterwegs ist führt der Weg an keiner Bushaltestelle vorbei oder wie sollte ich einem Taxifahrer erklären wo ich bin, wenn ich es selbst nicht weiß.

Beschwingt laufe ich die letzten Kilometer nach Hospital de Bruma. Und es kommt wie ich es erwartet habe. Die Herberge ist belegt, alle Betten sind voll. Die einzige Möglichkeit die bleibt, ist das einige Kilometer entfernte Hotel zu nehmen. Die Hospitalieros rufen im Hotel an und buchen für mich und einige andere Mitpilger ein Zimmer, das Hotel lässt uns durch ein Taxi abholen.

Vielleicht hätte ich doch die Übernachtung auf dem Küchenboden der Herberge in Betracht ziehen sollen? Ich wäre vor Ort, aber nach dem heutigen Tag, brauche ich ein richtiges Bett.

Meinem geschundenen Körper kann ich keinen Schlafsack auf Granitboden zumuten.

Für 22 Euro bucht man uns das Hotelzimmer, und weitere 3km zum Hotel möchte ich heute nicht mehr laufen.

Kurze Zeit später sitzen wir mit mehreren Personen im Taxi. Der Hotelchef bringt uns in einen alten großen Speisesaal. Hinter spanischen Wänden stehen alte, wackelige Betten. Nicht jedes Bett hat vier Beine, bei einigen fehlen auch gleich 2 Beine und an müsste in einer schiefen Ebene schlafen. Dreck auf der Erde, alte Ohrstöpsel auf dem Bett. Auch meine Mitpilger sind entsetzt über den Zustand in einem Hotel.

Schlecht gelaunt gehe ich in die Dusche und nichts! Es gibt kein Wasser. Auch die Klospülung funktioniert nicht, ebenso das Waschbecken.

22 Euro für nichts? Nicht, dass ich mir die 22 Euro nicht erlauben kann, aber da ist jede Herberge für unter 10 Euro besser in Schuss und hat mehr Gemütlichkeit.

Da ich gerade nackt unter der trockenen Dusche stehe, bitte ich eingewickelt in mein Handtuch, meine anderen Mitpilger an der Rezeption Bescheid zu geben.

Der Hotelchef spring wie ein aufgeregtes Huhn durch unsere Mädelsdusche und bittet um 5min. Die Minuten ziehen sich immer weiter in die Länge. Nach einer Stunde geht nach wie vor nichts und siehe dar: plötzlich bekommen wir drei Pilgermädel ein ordentliches Hotelzimmer und müssen nichts mehr drauf zahlen. An der Ausbuchung des Hotels hat es nicht gelegen, aber es ist die reine Abzocke. Bei den Jungs läuft auch kein Wasser und auch sie dürfen in ein richtiges Zimmer umziehen.

Abends wird es schnell kalt, jetzt wo es wieder Wasser für alle gibt, ist es zu spät die verschwitzte Wäsche zu waschen – über Nacht wird sie nicht mehr trocken. Also wird die Wäsche heute nur gelüftet, mehr geht nicht. Die einzige Möglichkeit etwas Essbares zu bekommen, ist das hausinterne Restaurant. Und wie geahnt, das Essen ist nicht wirklich gut.

Morgen bringt uns niemand zum Weg zurück. Das heißt, die Wegstrecke verlängert sich morgen um ca. 2,5km.


26. September 2018

Hospital de Bruma – Sigüeiro 24,4km + 1,3km Zuweg

Ich habe hervorragend geschlafen.

Am Morgen ist es frisch und ich starte bei Dunkelheit entlang der Straße, zurück zum Weg.

Im Dunkeln treffe ich auf mehrere Hunde die bellend auf mich zu kommen. Ich habe immer wieder Angst vor diesen Hundebegegnungen, und dann noch eine ganze Horde bei Dunkelheit.

Todesmutig laufe ich vorbei, halte die Hunde im Auge, halte Abstand und wie immer: es passiert nichts. Der Zubringer zum Weg lässt sich problemlos finden und ist etwas kürzer als gedacht, weil ein Teil des Weges auf dem Zubringer verläuft. Angeblich ist es heute leicht zu laufen, überwiegend bergab.

In der Dämmerung laufe ich im Mondschein, ein roter Streifen am Himmel kündigt den Sonnenaufgang an. Der letzte Vollmond ist erst einige Tage her und ich genieße die kurze Zeit bei der Beleuchtung.

So wie an allen Tagen bisher ist es am frühen Morgen angenehm kühl, einige Mitpilger empfinden es als kalt.

Es läuft sich wieder gut auf kleinen Landstraßen. Es geht viel durch schöne Wälder, Wiesen, Maisfelder und sanfte Hügel.

Mit den Kilometern wird es wieder wärmer. In Presedo gibt es eine tolle Bar, mit vielen Buseumsbildern und super, leckeren belegten Baguettes.

Nach der Pause bei Kilometer 14 geht es beschwingt weiter, aber bald wird es wieder richtig heiß und die Erschöpfung kommt. Schmerzen überall, der Energielevel liegt bei 0. Das sind nicht die besten Voraussetzungen für die noch vor mir liegenden Kilometer.


An einen Baum gelehnt, mache ich im Schatten sitzend eine Pause. Ich werde angequatscht von einem Pilger den ich zuvor einmal in der Bar traf. Ich fand ihn suspekt. Er heißt Frank und textet mich voll, nicht gewillt mich in Ruhe zu lassen. Er akzeptiert nicht, dass ich eine Pause benötige. Auch wenn erkomisch ist, nehme ich ihn als Zugpferd nach Sigüeiro. Oftmals läuft es sich bei Erschöpfung leichter, wenn man nicht alleine unterwegs ist. Die Gespräche, die Gesellschaft lenken von den Schmerzen ab.

8km mit Frank. Er redet und redet – aber es läuft sich leichter.

Es ist heiß und mein Wanderführer schlägt eine Alternativroute vor. Statt 4,5km entlang der Autobahn, ohne Schatten, dafür mit viel Lärm gehen wir geradeaus weiter un in einen Waldweg abzubiegen. Die Wegalternative ist leicht zu finden und über eine Piste geht es durch den Wald, derweil Frank redet. Der Waldweg stößt automatisch wieder auf den Camino und das Häuschen einer Bushaltestelle nehmen wir als Gelegenheit uns im Schatten auszuruhen. Frank quatscht…

Ich bitte ihn darum, mich die letzten 2km alleine laufen zu lassen. Die Herberge in Sigüeiro ist reserviert, da es sich um eine private Herberge handelt und Reservierungen möglich sind.

Wissend, dass es nur noch 2km sind, erreiche ich gut und zügig die Herberge. Vielleicht haben es heute viele erst an der öffentlichen Herberge versucht, denn ich habe die ganze Albergue für mich alleine. Heute gönne ich mir zur Abwechslung eine Waschmaschine, 3Mädels die nach mir ankommen, habe ich zur Waschmaschine eingeladen. Mehr als 5 Pilger werden wir heute nicht mehr in dieser Unterkunft. Wir essen gemeinsam zu Abend und lassen den Tag ausklingen. Abends um 20.30 Uhr sind es noch immer 29 Grad im Schatten.


27. Septembeer 2018

Sigüeiro – Santiago de Compostela, 16km

In der Nacht ist es nicht abgekühlt. Abends, wir liegen schon im Bett, geht das Licht an und einige Übernachtungsgäste kommen hinzu. Sind es Pilger? Einen Rucksack haben sie nicht dabei, sie machen die Nacht zum Tag.

Früh ist die Nacht vorbei, der erste Wecker schellt schon vor 6 Uhr.

Eine letzte Etappe! Es war ein kurzer Camino, aber er hat mir meine momentanen Grenzen gezeigt. Der Weg bis hierher war anstrengend für mich, aber trotz der vielen Höhenmeter habe ich es bis hierher geschafft und die letzten 16km schaffe ich heute auch noch.

Die Bushaltestelle vor der Albergue ignoriere ich, auch wenn mein Körper nach einer Busfahrt zumute ist.

Schon um 6 Uhr sitze ich frühstückend in der Bar und dann geht es auf zur letzten Etappe.

Die Temperaturen sind angenehmer, aber wärmer als in den Bergen.

Entlang der Hauptstraße verlasse ich den Ort.

Anfangs gibt es noch Laternen, aber mit denen ist vorbei als ich von der größeren Straße auf kleine Seitenwege abbiege.

Vielleicht hätte ich meine Taschenlampe vor der Reise checken sollen. Ich habe sie dabei, bisher nicht benötigt, und sie gibt kein Licht von sich. Wahrscheinlich haben die Batterien sich während der Liegezeit entleert. Also gibt es heute bis zur Dämmerung eine Mondscheinwanderung. Gut, dass kürzlich Vollmond war. Der Himmel ist klar, in der Ferne gibt es ein Wetterleuchten. Der fast noch volle Mond gibt ausreichend Licht, nur in eineem Waldstück ist es komplett dunkel. Ich muss mich auf das Gefühl unter den Füßen verlassen. Zeitweise komme ich nur langsam voran.

Die Energie ist da, aber ich muss gehörig aufpassen, dass ich nicht falle. Mein linker Fuß ist, wie schon so oft, taub. An jeder Wegkreuzung suche ich nach Wegweisern, aber nicht immer kann ich sie in der Dunkelheit lesen. Gut, dass der Richtungspfeil nicht nur gemalt, sondern auch eingemeißelt ist. Sicherheitshalber fühle ich auf dem Pfeil nach der Richtung.

Es ist ein Weg für alle Sinne.

Langsam dämmert es und ich bin gespannt, welche Kilometeranzeige auf dem ersten lesbaren Kilometerstein steht.

Auf kleinen Wegen geht es ruhig durch einige Weiler. Ales es hell genug ist, steht eine nur noch einstellige Kilometerzahl auf dem Monolithen.

Meine Erleichterung und meine Freude es bald geschafft zu haben wird immer größer.

Weiter auf und ab durch einen Wald geht es vorwärts, Schritt für Schritt auf das große Ziel zu.

Eigentlich sage ich immer: nicht bei Dunkelheit, nur mein eigener Rhythmus, keine Eile…

Aber heute mache ich alles entgegen meiner Routine.

Ich möchte um 12.00 bei der Pilgermesse sein.

Nachdem ich den letzten Waldweg verlasse laufe ich gegen 10.00 auf eine Bar am Stadtrand zu. Ich nehme mir eine kleine Pausenzeit und in dieser Bar trifft man wieder die Mitpilger der vergangenen Tag, viele Gesichter kenne ich. Eine Tasse Kaffee, ein Stempel und weiter geht es.

Ab jetzt geht es entlang des Stadtrandes.

Zeitweise glaube ich, dass ich auf diesem Weg von der Via Plata her, in die Stadt gelaufen bin, dann denke ich wieder: diese Strecke kennst du noch nicht. Und so ist es auch nicht, denn ich komme an einer kleinen Kapelle am Eingang zur Innenstadt an die ich noch nicht kenne.

In der Kapelle bekomme ich einen weiteren Stempel und die Tränen der Erleichterung und Erschöpfung der letzten Woche laufen.

Ich habe es mir gewünscht den Weg zu schaffen, aber die Zweifel waren groß.

Und nun sind es nur noch 3km bis zur Kathedrale, dann bin ich mal wieder da.

In der Kapelle kommt eine Ordensschwester auf mich zu, redet mit mir, bietet mir eine kleine Stärkung in Form eines Segens an, dann geht es auf die letzten Meter.

Ich freue mich auf mein Ankommen und genieße es, alleine zu sein bei der Ankunft.

Zuvor komme ich noch durch die mir gut bekannte Altstadt. Mein Hostal hätte am Weg in die Altstadt neben der Straße gelegen, aber ich habe es verpasst. Und so erreiche ich, wie es sich gehört, mit Rucksack durch das bekannte Tor zum Kathedralenplatz mein Ziel.

Ich bin da, ich habe es geschafft und werde von einer fremden Person in den Arm genommen. Auch wenn wir uns nicht kennen sind wir uns in diesem Moment sehr nah. Diese fremde Pilgerin ist genau so gerührt wie ich und macht das obligatorische Ankunftsfoto von mir. Auf diesem Foto kann ich dann auch wieder lachen.

Den Rucksack darf man aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr mit in die Kathedrale nehmen und so suche ich auf die Schnelle noch die offizielle Lagerstelle. Das Pilgerbüro ist auch umgezogen.

In der Messe finde ich nur noch einen Sockelvorsprung als Sitzgelegenheit. Alles ist voll, die Schlange vor der Kathedrale war lang.

Mir tut alles weh und so ganz kann ich die Messe noch nicht genießen. Die Zeit zwischen Ankunft und Messbeginn war geprägt von Emotionen und der Suche nach dem verzogenen Pilgerbüro.

Nach der Messe melde ich mich für die Dachführung über die Kathedrale an. Anschließend lasse ich mich durch die Stadt treiben, beziehe mein Zimmer im Hostal „La Sula, und gehe wieder in die Stadt.

Bei meiner Anku nft war die Warteschlange mit mindestens 2 Stunden angegeben. Jetzt ist die Schlange wesentlich kürzer und nach einer Stunde habe ich meine Compostela, die Pilgerurkunde.

Abends in der Stadt treffe ich das US-Pärchen. Sie ist noch viel schwerer als ich und hatte auch merklich mit dem Weg zu kämpfen. Glücklich es geschafft zu haben, umarmen wir uns.

Wir unterhalten uns über die vergangene Woche und ich sage, dass man mich für „verrückt“ hält, weil ich/wir den Weg gehen. Und sie sagt: Wir können den Weg nur gehen, weil wir verrückt sind – sonst würden wir das nicht schaffen. Unser starker Wille hilft uns über alle Strapazen hinweg.

Meine spanischen Jungs treffe ich ebenfalls auf der Plaza und auch wir fallen uns in die Arme. Und auch nach der Ankunft machen wir es wie zuvor: wir benutzen die Übersetzungsapp um uns zu beglückwünschen und einige nette Dinge zu sagen für die unsere Sprachdefizite nicht reichen. Lachen und Glück sind international.

Es war ein schöner letzter Tag und eine gute Ankunft.


Am nächsten Tag lasse mich durch die Stadt treiben, nehme an der Führung über das Kathedralendach treiben, laufe spontan noch einigen meiner Mitpilger über den Weg und genieße das Flair der Stadt.

Am Nachmittag laufe ich zum Busbahnhof und bin dort, wo ich vor einer Woche angekommen bin. Ich nehme den Bus nach Muxia.

Nach Muxia, knapp 100km von Santiago de Compostela entfernt, bin ich 2011 nach meiner Ankunft gelaufen und habe die Via de la Plata so um 3 Tage verlängert.

Muxia ist ein kleines Fischerdorf, mit einer Pilgerkirche direkt am Kapp gelegen. Das Dörfchen hat architektonisch und kulturell nichts zu bieten, aber es ist ein gemütliches Fleckchen.

Wäre Klaudia nicht aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen, hätten wir die Zeit hier und in der Umgebung verbracht, hätten einfach etwas ausgespannt und eine gute Zeit gehabt.

Spontan stehe ich einige Zeit später vor der Herberge von Celia und Angel.

Diese zwei herzensguten Hospitalieros kennen mich von zwei Aufenthalten. Und bei meiner Ankunft wieder das gefürchtete Schild: Completo

Dennoch schelle ich an und Celia erkennt mich direkt und fällt mir um den Hals. Wirklich alles ist belegt, sowohl die Gruppenräume als auch die Einzel- und Doppelzimmer.

Kurzerhand wird noch ein Klappbett aus dem Lager geholt und so bekomme ich mein Bett.

Nachdem ich mein Bett habe und den Rucksack in der Herberge abgestellt habe, laufe ich weiter zum Kapp und genieße die Brandung.


Den letzten Tag verbringe ich am Meer, bin glücklich und genieße die verbleibenden Stunden.

Es ist nebelig, wie am ersten Tag. Im Café sitzend nutze ich das nicht so gute Wetter um die Berichte der letzten Tage zu schreiben.

Der Nebel hat etwas Mystisches, der Blick in die Ferne ist getrübt, aber der Blick in mich hinein ist klar.

Die Gischt spritzt, ich bin gerne an diesem kleinen Ort.

Es ist gut meinem Tag Ruhe zu gönnen. Ich hätte heute noch nach Finisterra laufen können, aber es ist wichtig, auf meinen Körper zu hören – die letzten Tage habe ich meinen Körper ignoriert.

Für die zweite Nacht habe ich mir ein Etagenbett in der Ecke ausgesucht, ich gehöre nicht zu der Pilgerschar die heute angekommen ist, aber ich gehöre dazu. Ich bin ein Pilger.

Morgen früh nehme ich den Bus zum Flughafen und am Abend werde ich wieder in meinem eigenen Bett schlafen.

Es war körperlich anstrengend, ich habe gelitten und ich habe genossen.

Ein kurzer Weg, aber kurz heißt nicht automatisch leicht.


Danke, lieber Gott, Engel, Schicksal oder wer oder was! Ich bin mir sicher, dass es eine höhere Macht gibt, die mich begleitet und beschützt. Nirgends bin ich mir so sicher, dass einer die Hand über mich hält, wie auf dem Weg, in der grandiosen Natur, dort wo ich ganz ich bin.





Der Jakobsweg ist eine Reise der Seele.

Die Seele geht zu Fuß.

oder:


Das Leben geht weiter,

auch wenn´s humpelt.






















26. August 2018

Es geht voran und ich freue mich nach wie vor über mein Vorhaben. Letzte Woche habe ich mich mit Ines auf eine Wanderung in die nahen Baumberge begeben. Obwohl es nicht weit bis dort ist bin ich noch nie dort gewesen. Mich zieht es, herkunftstechnisch immer in den Teutoburger Wald. Mit einem Wanderführer in der Hand ging es bei bestem Wetter in Havixbeck auf den Weg. Schon nach wenigen Metern standen wir auf einem Bauernhof der nicht im Weg beschrieben war. Der Weg um den Hof war nicht offentsichtlich und man zeigte uns den im Wanderführer beschriebenen Weg, aber auch eine schönere Alternative den Berg hinauf. Mit einer gemäßigten, längeren "Steigung" erreichten wir die Bruder-Klaus-Kapelle und hatten einen schönen Blick über das Münsterland. Da Ines der ausgeschilderte Weg zu lang war, und es scheinbar eine Abkürzung auf der Wanderkarte gab, bogen wir nach kurzer Zeit vom Hauptweg ab und liefen die vermeintliche Abkürzung. Scheinbar war es nicht die geplante Abkürzung und so liefen wir gut gelaunt über den Weg, frugen mal hier, mal da wo wir denn wohl sind und wo das vermeintliche oder irgendein anderes Café denn zu finden sei. Viele Spaziergänger kamen auch nicht aus der Umgebung und konnten uns nicht helfen. Irgendwann stießen wir auf eine Wanderkarte und trafen auch Menschen die sich auskannten und auch unser Standort war auf der Wanderwegkarte am Wegesrand gekennzeichnet. In einem Café gab es ein Stück Kuchen und eine mittelmäßige Tasse Kaffee. Danach orientierten wir uns auf der Karte, ich verstand Ines Interpretation dieser nicht, aber ich folgte ihr. Wieder kamen wir irgendwo raus, aber nicht dort wor gedacht. Man schickte uns wieder zurück auf dem Weg, angeblich immer geradeaus. Ich hielt mich an immer geradeaus, auch wenn Ines sehr skeptisch wurde als der Weg immer unwegsamer wurde. Anfangs war der Weg noch breit, dann sah man noch Pferdehufabdrücke und Wagenspuren und dann nur noch einen zugewucherten Trampelpfad. Wandererfahren und unängstlich wie ich bin hielt ich mich an das angebliche: "immer geradeaus". Ines zweifelte sehr, aber siehe da, wir kamen an der geplanten Stelle aus, liefen nach der Ausschilderung und fanden das Auto und den Parkplatz wieder. Aufgrund unserer scheinbaren Abkürzung sind wir wesentlich weiter gelaufen als geplant, aber ich habe es als Vorbereitungstraining für den Camino genutzt. Das Laufen hat gut geklappt, meine Wanderstöcke hatte ich dabei, und ich bin gut zufrieden abends wieder nach Hause gekommen. Am Folgetag spürte ich meinen Fersensporn sehr stark, aber wenn ich wieder im Trott bin, kann ich dennoch ganz gut laufen. Ich hoffe, dass die Ferse die Wanderwoche überesteht. Vorhin habe ich noch einmal in meinen Ordner mit Jakobswegdokumenten geschaut und siehe da: Ich habe noch eine Credencial, warum auch immer. Sie ist aus dem Heiligen Jahr 2010 und war wohl ursprünglich für die Via Plata gedacht. Warum ich eine andere Credencial benutzt habe weiß ich nicht mehr. Vielleicht liegt es daran, dass ich für den zweiten Teil der Via Plata meine erste Credencial durch eine Kopie verlängert habe, weil ich alles in einer haben wollte. Meine Unterkunft für die erste Nacht habe ich auch eben gebucht. Hotel Almendra in der Nähe des Weges in Ferrol wird es werden. Am kommenden Wochenende steht Bocholt vor der Tür, der Jahrestreff mit unseren Pilgerfreunden. Morgen wird Klaudia an ihrer Halswirbelsäule operiert und ich hoffe, dass sie davon profitiert und alles gut läuft und ihre körperlichen Beschwerden sich verbessern und dadurch auch ihre psychische Situation. Dadurch das Klaudia operiert wird und nicht mit nach Muxia kommen kann ist erst der Plan des Camino Ingles entstanden. Nach wie vor fühlt sich die Entscheidung gut an und ich freue mich auf das was vor mir liegt.

17. August 2018

Irgendwie passt gerade alles! Nicht, dass ich mich topfit und überzeugt fühle mein Vorhaben zu schaffen, aber es fühlt sich weiterhin gut und richtig an. Heute Morgen, auf dem Weg zum Dienst, traf ich einen Kollegen, den ich schon in seiner Ausbildung betreut habe. Diesen Kollegen sehe ich neuerdings regelmäßig morgens gegen 7.45 am Kanal laufen, mal mit Wanderstöcken, mal ohne. Heute Morgen bin ich vom Rad abgestiegen und wir haben eine Runde gequatscht. Fritz bereitet sich momentan auf eine Wanderreise durch England vor, die mir Sigrid auch schon des Öfteren nahe gelegt hat, ohne ihn gelaufen zu sein. Aber Sigrid ist Englandfan. Er erzählte mir auch, dass er den Camino Frances mit dem Rad gefahren ist und dass er einen gewissen Respekt vor seiner Reise hat, da er durch einen Bandscheibenvorfall vor einigen Monaten eine Schwäche im Bein entwickelt hat. Unsere Vorhaben scheinen eine gewisse Parallele zu haben. Zurück vom Dienst juckte es mir in den Fingern und ich begann meine alte Packliste für dieses Jahr zu überarbeiten. Alles was schon vorhanden ist ging über die Waage und in den Rucksack. Einige wenige Dinge, wie Credencial, Flug- und Bahntickets fehlen noch, aber um diese Dinge werde ich mich demnächst kümmern. Für Ferrol muss ich noch eine Unterkunft reservieren und in meinem Reisebuch stand, dass man in dem geplanten Hotel auch Credencials erstehen kann. Falls nicht, ich komme ja über Santiago. Am Sonntag ist eine Wanderung mit Ines durch die Baumberge geplant. Sie wollte schon immer einige Wanderwege vor ihrer Haustür ausprobieren und nun machen wir es gemeinsam und ich sehe es als Lauftraining an. Mal sehen, wie es klappt – aber der Rucksack bleibt dabei zuhause. Am Samstag vor meinem Flug nach Santiago bietet mein Arbeitgeber wieder ein Teilstück auf dem westfälischen Jakobsweg von Brockhagen in der Nähe von Halle über Marienfeld bis ??? an. Auch dazu habe ich mich angemeldet und freue mich drauf. Es wird und geht vorwärts!

5. August 2018

Ich freue mich und es fühlt sich nach wie vor richtig und gut an. Innerhalb meiner Familie mag ich nicht von meinen geänderten Plänen erzählen. Ich weiß sehr genau was ich zu hören bekomme und dass meine Eltern sich durchgehend Sorgen machen würden. Vielleicht ergibt es sich, vielleicht auch nicht. Donnerstagabend habe ich noch lange mit Pilgerfreundin Gitte telefoniert. Sie ist, so wie ich, schon viele Wege gelaufen und kennt auch den Ingles, den sie letztes Jahr mit ihren Schwestern gemeinsam gelaufen ist. Dass was sie von dem Weg erzählt hat und die Art wie sie ihn gelaufen sind, ist für mich genau richtig. Worüber ich mir noch nicht sicher bin ist, ob ich private Pensionen vorbuchen soll, oder ob ich es einfach auf mich zukommen lassen soll. Für den Ankunftstag in Ferrol werde ich mir auf jeden Fall ein günstiges Pensionszimmer vorbuchen. Es ist mir zu heikel abends nach der Ankunft durch einen unbekannten Ort zu laufen um Pensionen abzuklappern. Über die Touriinformaton, sofern sie bei meiner Ankunft noch auf hat, wäre sicherlich ein Zimmer zu bekommen, vielleicht gibt es spontan auch noch ein Bett in der Pilgerherberge, aber das Abenteuer ist mir zu riskant und bislang habe ich mir noch immer ein Pensionszimmer für die erste Nacht genommen. Meine Ausrüstung ist überwiegend komplett. Etwas Kleinkram wie Zip-Kultur-Beutel und der Inhalt fehlt noch, ein neuer Regenponcho ist bei Decathlon bestellt (überlege aber auch, ob man ihn für eine Woche zu Hause lässt, aber was ist, wenn es eine Schlechtwetterfront gäbe? Zwei Etappen sind im Reiseführer mit 24 Kilometern beschrieben, aber auch die Möglichkeit, sich in einer Pension einzubuchen, die einen bei Bedarf einige Kilometer vorher auf dem Weg einsammelt. Klaudias Flug habe ich storniert. Sie ist traurig, dass wir nicht gemeinsam nach Muxia fahren, aber froh, dass der OP-Termin naht. Ich habe ihr gesagt, dass, wenn sie wieder fit ist, wir auch im Frühling gemeinsam nach Muxia fahren können und nicht erst auf den Herbst warten müssen. Auf diese Idee ist sie noch gar nicht gekommen. Das Katzensitting ist geregelt. Walli, auf deren Katze ich während ihres Camino del Norte aufgepasst habe, wird meine in der Zeit hüten. Ich muss Dietwald noch fragen, ob er meine beiden Süßen in der Zeit füttert oder abends mal in das Treppenhaus lässt. Aber so ist es besser, als wenn ich sie weg gebe. Und mit Walli ist eine Katzenfrau im Boot die sich mit diesen Tieren auskennt, sie mal streichelt und mit ihnen spielt. Wichtig ist mir insbesondere, dass Ylvie von einem Katzenkenner gesehen wird. Auch wenn ihre schwere Erkrankung nun schon fast 1,5 Jahre her ist, ist es mir wichtig, dass ein Katzenkenner und Liebhaber einen Blick auf sie hat. Es wird schon werden!

29.07.2018

Ich fühle mich mit der Idee den Ingles zu gehen so richtig glücklich. Seid gestern habe ich diverse Internetrecherchen betrieben, den Reiseführer bestellt und auch heute morgen schon einen schönen Bericht vom Ingles gelesen. Der Weg ist kurz, kurze Etappen sind möglich mit ca. 15km und so ist man ca. 7-8 Tage unterwegs. Optimal für meine Bedürfnisse und körperlichen Voraussetzungen. Meinen Rucksack habe ich heute morgen ausgepackt und habe schon einmal geprüft was ich evtl. noch brauche. Die Hosen passen, Strümpfe sind da, Schlafsack, wasserdichte Beutel, meine Crocs und Wanderschuhe, die Trekkinghandtücher, der kleine Rucksack/oder die Handtasche für zwischendurch. Zwei neue Shirts und ggf. ein neues Regencape. Ich bin mir sicher, dass ich mein Regencape nicht entsorgt zu haben, aber mein Rucksack - und auch das Cape - habe ich drei Mal verliehen. Irgendwo wird mein müllsackblauer Regenponcho abhanden gekommen sein und ich habe es nicht gemerkt. Busse fahren regelmäßig nach Ferrol. Diese spontane Bauchentscheidung fühlt sich so gut an, dabei hat der Camino momentan gar nicht laut gerufen, aber diese stille Sehnsucht bleibt. später am Tag: Gerade habe ich mich mit Walli getroffen. Wallburga habe ich über die Gegenseitigkeitskatzensitterliste der Katzenhilfe Münster kennengelernt. Vor einigen Wochen hat sie Kontakt zu mir aufgenommen, weil sie für ihren Urlaub einen Katzensitter für ihre Katze Fine suchte. Und Jakobus hat es mal wieder gerichtet. Bei unserem Kennenlernen erzählte sie mir, dass sie zum ersten Mal auf den Jakobsweg startet. Ein Stück des Camino del Norte sollte es werden. Sie war unheimlich aufgeregt und stellte sich Fragen, die jeder Erstpilger hat. Da ich meine Erfahrungen gerne weiter gebe, habe ich ihr vieles erzählt und ihr ihre Fragen beantwortet. Vorhin habe ich sie in der Eisdiele getroffen und sie hat mir begeistert und strahlend von ihren Erlebnissen erzählt. Es hat Spaß gemacht ihr zuzuhören, ihre Begeisterung zu erleben und dass sie nun schon wieder plant wann es wieder auf den Weg gehen könnte. Auch von meinen spontanen Plänen habe ich erzählt. Mal schauen was aus meinem Spontanprojekt wird, es bleibt spannend und momentan ist die Vorfreude riesig, dabei sind meine Pläne noch keine 36 Stunden alt.

Doch noch einmal pilgern?

Lange habe ich mich nicht gemeldet, weil ich dachte dieser Blog ist beendet - ich gehe keinen Weg mehr.
Aber der Weg lässt mich nicht los.
Für den Herbst habe ich schon Ende letzten Jahres die Flüge gebucht um mit einer Pilgerfreundin eine Auszeit am Ende des Weges zu nehmen. 9 Tage Muxia - Seele baumeln lassen als Tourist mit Pilgerseele, so wie wir es letztes Jahr auch gemacht und genossen haben.
Nun ist meine Reisebegleitung abgesprungen. Nicht ganz unerwartet, aber dennoch nicht schön: weder für Klaudia noch für mich.
Die Flüge sind gebucht, eine Rücktrittsversicherung habe ich nicht und meinen Urlaub möchte ich unbedingt antreten. Aber 9 Tage alleine in Muxia und Umgebung ausspannen? Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen, außerdem kostet das Zimmer plötzlich doppelt so viel für mich und da kommt schon einiges zusammen.
Also: Was mache ich mit meiner Zeit. Santiago kenne ich, auch wenn ich gerne mal vorbei schaue.
Die Stadt hat für mich so viele tolle Erinnerungen. Nicht nur die Stadt, alles was mich dahin gebracht hat.
Heute morgen kam mir der Gedanke, dass ich von Santiago nach Porto fahren könnte um von dort aus einige Etappen des Camino Portugues zu laufen.
Ob das klappt ist fraglich, denn das Laufen ist nicht mehr so leichtfüßig wie früher. Meine Krankheit ist momentan gut eingestellt und stabil, aber meine Baustellen habe ich trotzdem. Das Gleichgewicht ist nicht wirklich gut und das Laufen ist mit Humpeln, Schwanken und bei unebenen Wegen mit vielen fuchteligen Bewegung verbunden - aber ich laufe.
Erst vor 2 Wochen fragte mich der Orthopäde, den ich wegen dauerhaften Schmerzen in den Beinen aufgesucht habe, ob ich mit Gehstützen oder Rollator laufe. Man geht von einer leichten Spastik in den Adduktoren aus, aber seine Spritzentherapie in Kombination mit Muskelrelaxantien und einer Medikation gegen Missempfindungen hilft momentan ganz gut.
Um Erfahrungen vom Portugues einzuholen schrieb ich in unserer Forumspilgergruppe meine Mitpilger an, da viele diesen Weg gegangen sind. Für die komplette Strecke reicht die Zeit nicht und diesen Stress möchte ich mir auch nicht machen.
Prompt gab es diverse Antworten und Vorschläge wie ich es machen könnte, z.B. von Porto einige Etappen über den Küstenweg, einige Etappen springen, etc. Es kamen aber auch Hinweise wie: im September sehr heiß. Ja, ich bin kein Sommermensch. Momentan hauen mich die Temperaturen wirklich um und schaffen mich, aber das Klima in Spanien ist ganz anders.
Letztes Jahr in Muxia war es warum bis heiß und ich habe mich dabei pudelwohl gefühlt und auch das Laufen fiel mir leichter, warum auch immer.
Eine Pilgerfreundin machte den Vorschlag: Camino Ingles.
Erst habe ich den Gedanken verworfen, aber seit heute Mittag freunde ich mich immer mehr damit an. Der Weg ist nicht so weit, nur 120 Kilometer ab Ferrol.
Nach der Ankunft in Santiago gibt es noch 2 Möglichkeiten mit dem Bus nach Ferrol zu fahren.
Von dort aus könnte ich in Etappen bis zu 20 Kilometer in 6 Tagen nach Santiago laufen und von dort nach Muxia fahren. Am Morgen nach der Ankunft würde ich den  Bus nach Muxia nehmen und dort in "meiner" Herberge bei Celia und Angel wohnen - von Schlafsaal, bis Appartment alles möglich.
Der Gedanke gefällt mir immer mehr.
Was habe ich zu verlieren? Nix. Versuch macht klug. Entweder es klappt, oder es klappt nicht.
Ich kenne meinen Körper inzwischen sehr gut, erkenne meine Grenzen. Und wenn es zuviel wird, gibt es Alternativen.
Ich freue mich. Den Reiseführer habe ich direkt bestellt um mir einen Überblick zu verschaffen.
Der Rucksack ist sehr schnell startklar und die wichtigsten Dinge habe ich.
Los geht es!