28. Januar 2014
Nachdem ich mir nun wirklich einige Tage, oder knapp zwei Wochen Gedanken zum Camino Primitivo gemacht habe, kommt es wie es kommen
musste.
Die Missempfindungen im linken Fuß und Unterschenkel, die
ich schon seit einiger Zeit – besonders gegen Abend - empfunden habe, haben
sich so gesteigert, dass ich mir doch meine Gedanken gemacht habe und zum
Neurologen gegangen bin.
Letztendlich kam das raus, was mir schon bewusst war, die Symptome
sind mir zu gut bekannt:
Entweder habe ich einen neuen Schub im Anfangsstadium oder
ich habe einen leichten Schub – dass heißt: mal wieder Cortison, wenn auch „nur“
hoch dosiert oral, und nicht i.v.
Vielleicht schaffen wir es so, den Schub zu
bekämpfen, oder am Fortschreiten zu hindern.
Auch wenn ich das Cortison „nur“ oral nehme und auch wenn
die Dosis geringer ist, als bei der Infusionstherapie, es schlaucht, die
Nebenwirkungen machen mich total fertig.
Ausgerechnet jetzt. Nun bin ich, nach langer Fehlzeit, seit
drei Wochen in der beruflichen Wiedereingliederung und schon wieder gibt es
gesundheitliche Probleme.
Zufall, oder bin ich wirklich so wenig belastbar geworden?
Das neue Medikament auf das ich so setzte dürfte nach drei
Monaten der täglichen Einnahme seinen Wirkspiegel erreicht haben. Eigentlich sollte
ein gewisser Schutz bestehen.
Natürlich kann dieses Basistherapeutikum die MS nicht
heilen, es kann die Schübe nicht verhindern, nur um einen gewissen Grad, um ca.
30% reduzieren. Die Wirkung/Nachwirkung der Plasmapherese im August ist
ebenfalls vorbei.
Wahrscheinlich mache ich mir zu viele Gedanken, es kommt wie
es kommt und ich muss es hinnehmen.
Am Wochenende habe ich einen schönen Waldspaziegang gemacht, das erste Mal seit langen Zeit wieder, ich möchte mein möglichestes geben um meinen Traum in die Tat umzusetzten.
Es wäre so schön, wenn es im Sommer klappen würde und
ich mich auf den Camino begeben könnte – so verrückt es auch klingen mag.
30. Januar 2014
Heute habe ich noch ein weiteres Mal mit meiner neuen
Stationsleitung über den Urlaubsplan für das Jahr 2014 gesprochen. Zu gerne
würde ich mich gemeinsam mit Klaudia auf den Camino Primitivo begeben.
Als ich meinen Chef fragte, ob ich im Juni Urlaub bekommen
könnte, sagte er mir schon, dass es schwierig werden könnte, da der Urlaubsplan
für Juni aufgrund Überplanung nicht von der PDL genehmigt wurde.
Nach einem erneuten Gespräch mit der PDL steht jetzt fest:
Im Juni darf/kann ich keinen Urlaub nehmen.
So stellt sich mir nun die Frage: Was jetzt? Laufe ich
alleine los, oder bleibe ich zu Hause, weil ich keine Wanderbegleitung habe.
Bisher wollte ich immer alleine auf den Camino, wollte für
mich, frei und ungebunden sein.
Dagegen steht nun aber meine Erkrankung.
Natürlich kann Klaudia mich nicht tragen, natürlich wäre es
vielleicht nicht immer leicht, da wir uns nicht so gut kennen – würden wir uns
über Etappen, Ruhetage etc. einig werden?
Würde ich mich vielleicht doch irgendwie unwohl bei einem
gemeinsamen Weg fühlen, so wie mit Karin auf der zweiten Hälfte der Via Plata.
Einerseits war ich froh, dass sie auf mich in den Bars gewartet hat, dass wir
abends gemeinsam quatschen konnten – aber auch ständig ihr Planen des Weges,
nichts einfach so auf sich zukommen zu lassen etc.
Andererseits gäbe eine Begleitung ein gewisses Maß an
Sicherheit, Motivation in unguten Momenten.
Ich habe in den vergangenen 14 Tagen sehr viel über vieles
nachgedacht, was einen Weg in Begleitung angeht. Ich sehe positive und negative
Seiten, aber ich war den positiven Dingen gegenüber sehr offen, sehe sie momentan
überwiegen.
Sofern Klaudia ihren Urlaub nicht umschmeißen möchte und
kann (ihre Flüge sind längst gebucht) können wir das gemeinsame Projekt
streichen.
Und dennoch: Als ich heute vom Dienst kam habe ich erst
einmal den PC angeschmissen und habe nach Flügen gen Spanien geschaut und habe
eigentlich fast gleich den ersten Flug gebucht – denn viel günstiger und
zeitgünstiger kann ich kaum einen finden.
Für 89 Euro fliege ich am Samstag den 10. Mai 2014 mit
Germain Wings von Düsseldorf nach Bilbao. Bilbao erreiche ich schon gegen 10.15
Uhr am morgen und so bleibt genügend Zeit an diesem Tag noch Oviedo zu
erreichen. Für 10 Euro günstiger hätte ich einen Tag später noch einen Flug
bekommen können, aber da dieser erst am frühen Abend in Bilbao ist, hätte ich
eine Übernachtung in der Jugendherberge gebraucht (nicht weit vom Termi-Bahnhof
entfernt – dort habe ich auf meinem Küstenweg genächtigt), was finanziell
teurer geworden wäre, als einen Tag früher für 10 Euro mehr zu fliegen.
Ich freue mich darauf, auch wenn ich jetzt schon wieder
zweifelnder bin als am Morgen.
Durch den Urlaubszeitpunkt Mai werde ich nicht am
Bundeschorwettbewerb teilnehmen können. Auch wenn ich es hinbekommen könnte
rechtzeitig zurück zu sein, die Proben in den Wochen vor dem Wettbewerb würde
ich versäumen.
Was ich wohl auch versäumen werde ist die Geburt des kleinen
Krümels von meiner Schwester Dörthe und ihrem Mann Björn – der oder die im Mai
erwartet wird, wenn alles planmäßig läuft.
Aber die Freude überwiegt.
31. Januar 2014
Irgendwie ist das doch alles verrückt.
Heute habe ich den Bewilligungsbescheid der
Erwerbsminderungsrente erhalten und gleichzeitig plane ich eine Pilgerreise auf
einem anspruchsvollen Weg.
Widerspricht sich das nicht eigentlich?
Ich kann weder klar mit ja noch mit nein antworten.
Den Antrag auf die Erwerbsminderungsrente habe ich gestellt,
weil ich gemerkt habe, dass es so wie es in den letzten 1,5 Jahren
gesundheitlich und somit auch beruflich lief, nicht weitergehen kann. Nie habe
ich länger als vier Wochen am Stück arbeiten können, dann war ich wieder
richtig krank. Mein Körper hat mir sehr deutlich seine Grenzen gezeigt.
Die reduzierte Arbeitsstelle soll dazu dienen, dass ich
gesundheitlich stabiler und dadurch belastbarer werde, dass das Leben wieder an
Qualität zunimmt, die zeitweise nur in geringen Maßen vorhanden war.
Und in einer Phase in der ich nun wirklich den schriftlichen
Bescheid habe, dass ich nicht so belastbar bin, dass es körperlich in meinem
Beruf so nicht geht, plane ich nun eine anspruchsvolle Pilgerreise.
Aber genau da besteht der Unterschied: pilgern und wandern
sind zweierlei, auch wenn die Art der Fortbewegung die Gleiche ist. Pilgern hat
einen anderen gedanklichen Hintergrund/Ursprung.
Wenn ich hier im Wald spazieren gehe, fühle ich mich als
Spaziergängerin oder als Wanderin. Bin ich in Spanien auf einem Camino
unterwegs, erfahre ich in der langen Zeit der einsamen Wanderung mich selbst,
die Natur, Gott. Ich setzte mich auf so einem Weg sehr mit mir und meinem Leben
auseinander, schöpfe Kraft und Energie, gehe an meine Grenzen und erlebe,
überschreite und akzeptiere sie.
Und genau dass ist der Unterschied zum Wandern:
Pilgern ist beten mit den Füßen!
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