Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Porto - Angueiras

27. Mai 2022, Porto - Angueiras

Ich bin in Angueiras, meine erste geplante Etappe ist geschafft!


Gestern morgen konnte ich mir noch nicht vorstellen, abends zu verreisen.                     Es fühlte sich surreal an, nicht vorstellbar, dass ich am nächsten Tag zu einer 250km langen Wanderung starte. Ich das Moppelchen, untrainiert und humpelig, gehbehindert und koordinationsgestört.

Alles war gepackt, aber der Weg ganz nah und doch so fern.

Schwer gefallen ist es mir meine Kleinen alleine zu lassen. Kater Tommi hat gespürt, dass etwas im Busch ist.


 Ylvie war entspannt und ich habe nicht gemerkt, dass sie etwas ahnt. 

 

Aber sie sind gut versorgt. Morgens füttert mein Nachbar aus dem Haus der die beiden kennt und abends kommen meine Katzensitter zwecks abendlicher Fütterung, Kuscheln, Spielen, Balkonauslauf und Katzenklo. Ich glaube nicht, dass sie sich in einer Katzenpension besser fühlen würden. Aber so lange habe ich sie noch nie alleine gelassen.

Der Flughafen in Dortmund war schnell mit dem Zug erreicht und schon bei meiner Ankunft war klar, dass mein Flug 25min Verspätung hat. Aber da ich einen Nonstop-Flug nach Porto gebucht habe ist das kein Problem. Ich erinnere mich an andere Flüge zum Camino wo ich schon beim Start des ersten Fliegers wusste, dass ich meinen Anschluss nicht bekomme. Also kein Problem, ich bin nur etwas später am Ankunftsort. Aus 25min wurden 45min, aber außer meiner großen Müdigkeit kein Problem. Der Flug war überwiegend ruhig, ich döste zeitweilig und schnell waren die 2,5h Flugzeit herum. Die Dämmerung über den Wolken, das Farbspiel des Himmels war wunderschön anzuschauen. Der Rucksack kam auf dem Gepäckband sehr schnell und kurze Zeit später stand ich vor dem Flughafengebäude.

Mit Google suchte ich mir den Weg zum Hostel in 1.2km Nähe und fand es problemlos und schnell. Angst um Mitternacht durch eine fremde Stadt, noch dazu am dunklen Stadtrand, zu laufen hatte ich nicht. Auch um diese Uhrzeit war es noch warm, kein bisschen Abkühlung, kein Hauch von Wind. Bald war ich in dem Hostel, die Luft in meinem Schlafraum zum Schneiden, alle Fenster zu, und das mir zugesagte untere Etagenbett war auch belegt. Der Lichtschalter war nicht neben der Tür, ich konnte ihn nicht finden und so tastete ich mich vorsichtig durch den Raum. Da ich keinen Lärm machen wollte und keine Lust hatte im Dunklen im Rucksack zu kramen, legte ich mich in voller Montur auf mein Bett. Ist mein Bett bezogen, wie sieht es aus – ist es ordentlich? Ich konnte es nicht sehen, war hundemüde und in dem Moment war es mir auch egal. Lediglich frische Luft hätte ich mir gewünscht. Tastend fand ich am Bettende ein Laken und breitete es irgendwie unter mir aus. Einen Deckenbezug fand ich nicht und da mir so warm war, war mir die Decke auch egal. Durch Fühlen hatte ich eine Steckdose in Bettnähe gefunden und stellte mein strombetriebenes Schlafgerät an den Rand vom Bett. Mit der Zeit wurde mir kalt und ich zog meine Jacke zusätzlich an. Geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht, aber ich konnte ruhen.,

Früh stand ich auf, duschte in einem nicht sehr ansehnlichen Bad, nahm meine bereitgestellte Frühstückstüte und verabschiedete mich nach einem netten Gespräch mit einem deutschen Pilger der seinen Weg am Vortag beendet hatte und machte mich auf den Weg. Meinen Rucksack ließ ich im Hostel zurück mit der leichten Sorge, dass es mit dem Rucksacktransport nicht klappt. Die Buchung des Rucksacktransportes fand ich etwas schwierig, da ich viele meiner gebuchten Unterkünfte nicht in der Liste von Caminofacil gefunden habe. Die Firma hat eine Mail mit allen Etappen und Unterkünften von mir bekommen und sie schrieben mir, sie hätten alles geregelt. Bezahlt habe ich noch nichts – ich hoffe, meinen Rucksack am ersten Etappenort vorzufinden. 

Bin ich ein Pilger, wenn ich mein Gepäck transportieren lasse und wenn ich meine Unterkünfte vorher buche? In einigen Foren wird dieses Thema immer wieder diskutiert. Wer ist ein Pilger, wer nicht? Ich fühle mich als Pilger, auch wenn ich nur mit leichtem Tagesrucksack pilger und auch wenn ich nicht in den öffentlichen Alberguen schlafen kann. Rucksacktransporte werden nur zu privaten Alberguen, Hostels, Hotels etc. tansportiert. Ich glaube, nein - ich weiß - dass mir das Laufen auch ohne Gepäck wesentlich schwerer fällt als gesunden Pilgern mit Rucksack. Ca. 2700 Kilometer bin ich auf meinen früheren Caminos mit Gepäck gelaufen. Egal was andere denken, ich laufe nur für mich, ich muss niemandem etwas beweisen, und als was ich mich fühle, kann nur ich sagen.

Ich hätte direkt von meinem Hostel aus auf den Weg starten können.

Der Flughafen liegt näher an der ersten Stadt auf dem Weg als an Porto und schon hier findet man gelbe Wegweiser. Ich habe das Bedürfnis vorab die Kathedrale in Porto zu besuchen, auch wenn ich eingeplant habe, von Porto die Tram, den Bus oder was auch immer Richtung Matosinhos zu nehmen.

Mit der Metro bin ich in ca. 25min in der Innenstadt und habe noch Zeit bevor die Kathedrale öffnet. So setze ich mich in eine Bar am Wegesrand und trinke einen ersten portugiesischen Kaffee, es werden noch viele folgen. In der Bar erkundige ich mich wie ich am leichtesten Richtung Matosinhos komme.


Gesunde und fitte Pilger laufen den Weg oftmals in 12 Tagen, einige auch in 10 oder weniger Tagen, aber aufgrund meiner gesundheitlichen Probleme habe ich mir vorher viele Gedanken zur Streckenplanung gemacht. Eigentlich möchte ich nicht mehr als 15km am Tag laufen, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich es schaffe, weiter als diese Strecke zu laufen. Da meine Urlaubstage fest sind, der Rückflug gebucht ist, habe ich mich in meiner Planung auf 15 Wandertage festgelegt. Um am ersten Tag nicht über meine Kräfte zu gehen, ist die Fahrt mit der Bahn fest eingeplant.

Vor der Kathedrale von Porto sehe ich etliche Pilger, sowohl Rad- als auch Fußpilger. Die ersten Wegzeichen sind auch vorhanden, entweder zum Küstenweg „Camino del Costa“ oder zum Inlandsweg, dem „Camino central“. 

 

Da der Camino central auf den ersten zwei Etappen nur Hauptstraße und hässlich sein soll, mache ich es so, wie fast alle hier. Die ersten zwei Tage laufe ich entlang der Küste, und dann biege ich auf den Weg ins Land ab.

Schon an der Kathedrale stelle ich fest, dass ich es nicht gewohnt bin ohne meinen Rucksack zu laufen. Meine Credencial, der Pilgerausweis, ist in meinem großen Rucksack und nicht in meinem Tagesrucksack. So besorge ich mir im Pilgerbüro der Kathedrale eine neue Credencial und den ersten Stempel. Die Kathedrale ist leider noch geschlossen und ich kann sie nicht besichtigen. Ich werde dieses auf meinem Rückweg nachholen. Nach dem Stempel gehe ich zur Bushaltestelle und fahre die ersten Kilometer und kürze somit den Weg etwas ab. 

 

Während der Busfahrt sehe ich Pilger die am Rio Douro entlang laufen und mich juckt es in den Füßen. Ich möchte endlich loslaufen. Nachdem der Rio Douro in den Atlantik mündet und ich den Strand und den Ozean sehe hält mich nichts mehr im Bus. Ich steige 2km vor Matosinhos aus und starte voller Freude und mir ganz viel Glücksgefühlen im Bauch auf den Weg. Auf einer breiten Strandpromenade neben der Straße laufe ich los. 

 

Ich genieße den Blick nach links auf das Meer. Schon jetzt gegen 10.00 Uhr ist es sehr warm, ein leichter Wind weht.

 

Der Blick nach rechts und geradeaus ist weniger schön. Es gibt sehr viel hässliche Industrie- und Hafenanlagen.

Nach kurzer Strecke komme ich an ein Fort und beschließe es mir anzuschauen. An meinem Wanderstock habe ich ein Klettband mit einer FFPII-Maske befestigt. Beim Betreten des Forts ziehe ich automatisch meine Maske an und werde direkt darauf hingewiesen, dass diese nicht notwendig ist. In Portugal sind fast alle Corona-Maßnahmen eingestellt. Ich mache deutlich, dass ich meine Maske tragen möchte und laufe durch das Fort. Nach meinem kurzen Rundgang hole ich mir einen Stempel am Eingang und laufe gut gelaunt weiter. 




 

Nicht nur ich bin mit kleinem Gepäck unterwegs. Ich sehe sehr viele Touristen mit kleinem Gepäck, einige haben eine Muschel am Rucksack. Sind das alles Pilger, oder sind das Touristen. Ich vermag es nicht zu sagen.

Es wird immer heißer und weit und breit gibt es keinen Schatten. Von der Strandpromenade geht es auf den beschriebenen Holzbohlenweg. Über Kilometer geht es immer auf dem Holzbohlenweg, es gibt wenig Abwechslung, nur die Industrieanlagen wechseln und begleiten mich gefühlt sehr lange, eine Industrieanlage stinkt fürchterlich. Es hat nichts mit den malerischen Videos auf Youtube gemein. Diese haben den Weg und den Blick auf das Meer gezeigt, nicht aber das was sich rechts von mir befindet.

Nach ca. 5km schlappt plötzlich mein linker Schuh und als ich nach unten schaue sehe ich, dass meine Schuhsohle nur noch vorne an der Schuhspitze klebt, ansonsten hat sie sich komplett gelöst. 

 

Das beginnt ja gut, was soll ich nun machen? Mit der Sohle die nur noch an einem Zipfel hängt kann ich nicht laufen und so reiße ich sie von der Schuhspitze los. Was mache ich nun? Ohne die Sohle ist das linke Bein „kürzer“, zudem habe ich ein großes Loch in dem dünnen Restleder.

Ich spreche einige Einheimische an die mir versichern, dass es hier nirgends einen Schuster oder ein Schuhgeschäft gibt. Jetzt ist guter Rat teuer, was soll ich machen? In meiner Not gehe ich zur Straße die nicht weit entfernt ist und vor meinen Augen fährt ein Bus nach Porto ab. Im Schatten der Bushaltestelle warte ich auf den nächsten Bus. Porto ist eine Großstadt, da werde ich Schuhe kaufen können – aber für heute habe ich kein Bett vorgebucht, da es auf dem Campingplatz in Angueiras immer einen Bettplatz gäbe. Fahre ich jetzt zurück, komme spät in Angueiras an und stehe vielleicht doch ohne Bettplatz dar? Finde ich in Porto, ohne dass ich mich auskenne, ein Schuhgeschäft mit Wanderschuhen?

Da es bis zum nächsten Bus nach Porto fast eine Stunde dauert beschließe ich auf dem Holzbohlenweg weiter zum heutigen Etappenort zu laufen. Auf dem Holzsteg läuft es sich auch mit Loch im Schuh gut. Nach meiner Ankunft auf dem Campingplatz, wenn ich mein Bett habe, werde ich mich nach einem Schuhgeschäft erkundigen.

Inzwischen ist es glühend heiß, die Sonne knallt, die Haut brennt trotz reichlich Sonnencreme. Zufällig habe ich mein Handtuch, das morgens noch nass war, im Tagesrucksack. An dem Holzsteg stehen an jedem Strandabschnitt Duschen. Egal wie blöd es aussieht: ich halte mein Handtuch unter das Wasser und hänge es mir um meine Schultern. Die Kühle tut gut, der Körper kann etwas runter kühlen, was eine Wohltat in der Hitze. 


 

Unter einem kleinen Baum gibt es eine kleine Bank die schon besetzt ist. Ich hocke mich in den wenigen Schatten auf den Boden neben der Bank. Mit Händen und Füßen erklärt man mir, dass ich mich auf die Bank setzen soll und dass man mir einen Platz freimachen möchte. Die drei Pilger auf der Bank kommen aus Italien und ich zeige ihnen meinen kaputten Schuh. Einer der drei Pilger packt Panzertape aus und umwickelt mir damit meinen Schuh. Die ganze Aktion wird gefilmt und fotografiert und wissend ein gutes Werk getan zu haben zieht die Schar von dannen. Ob ich sie auf dem Weg noch einmal treffe oder sehe?

Irgendwann erreiche ich so Angueiras und folge den Straßenschildern ca.500 Meter bergauf in den Ort. An der Rezeption des Campingplatzes finde ich meinen Rucksack.

Ich bekomme ein kleines Mobilheim unter einer Pinie – oder doch eine Kiefer?

Mein Mobilheim riecht ziemlich nach warmen Kundstoff, aber egal. Ich stelle Holztisch und Stuhl vor meine Hütte, klappe das „Sofa“ aus und richte meinen Schlafplatz her. Danach wird geduscht, die Wäsche gewaschen und ich frage an der Rezeption nach einem Schuhgeschäft. Die portugiesische Sprache verstehe ich überhaupt nicht, englisch wird leidlich verstanden. Aber mit Händen und Füßen und meines Schuhes versteht man mein Anliegen. Ich habe Glück, in einigen Kilometern Entfernung (in Matosinhos – dort wo ich meine Schuhsohle verlor) gibt es einen Decathlon. Da es keinen Bus dorthin gibt ruft man mir ein Taxi und wenig später bin ich auf dem Weg neue Schuhe zu kaufen. Eine Beratung gibt es nicht, die Schuhe sind zusammengebunden und so kann ich nicht wirklich testen wie es sich in den Schuhen läuft wenn man normal geht. Ich nehme ein Paar Wanderschuhe die auf die Schnelle einen guten Eindruck machen und fahre zurück. Den Rest des Tages sitze ich im Schatten unter meiner Pinie, schreibe Tagebuch und genieße am ersten Tagesziel zu sein. 

  

Von meiner Unterkunft aus kann ich das Meer sehen. Ich höre in der Ruhe das Meer rauschen, die Brandung knallt hier mit Wucht auf den Strand, aber ich höre auch den Fluglärm. Aber ich höre über mir auch ein leieses Knistern in den Pinienzapfen derweil sie sich langsam öffnen.Den Sonnenuntergang an diesem schönen Tag genieße ich sehr. Ich stehe am Rand des Campingplatzes, unterhalte mich sehr nett mit einem niederländischen Pilger und schaue auf das Farbspektakel bis die Sonne im Meer verschwunden ist. 



 

Danach suche ich mal wieder meine Hütte. Bis auf leichte Farbunterschiede sieht eine Hütte aus wie die andere. Schon jetzt ist es ganz ruhig, vor den anderen Pilgerhütten sieht man niemanden mehr. Ich lege mich auf mein Bett, das Fenster weit geöffnet und höre dem Meeresrauschen zu derweil ich einschlafe. Zwischendurch hört man ein kurzes "Klack" wenn Pinienzapfen auf das Dach meiner Hütte fallen.

Bis auf das Problem mit den Schuhen das im Nachhinein kein Problem war und der Hitze hat sich die Etappe gut gelaufen. Ich hatte keine Schwierigkeiten, der Rucksack hat sein Ziel erreicht. Ich sehe den nächsten Etappe optimistisch entgegen.

Morgen früh habe ich Zeit. Meinen Rucksack kann ich ab 8.00 Uhr an der Rezeption abgeben und mir stehen nur 10 Kilometer bevor.

 

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