Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Oviedo - Escamplero + Diashow 1



11. Mai

Oviedo – Escamplero, 12.7km   



Mein erster Wandertag auf dem Camino Primitivo!

Ich bin in Escamplero, ich habe mein erstes Etappenziel erreicht. Es war ein am Ende anstrengender, längerer Anstieg, aber es war ein wunderschöner Weg und die Schlechtwettervorhersage für heute hat sich bislang nicht bewahrheitet. 


Nach dem abendlichen Rundgang durch Oviedo bin ich mit Einsetzen des Regens in mein Hotel zurückgegangen und habe wider Erwarten ganz gut geschlafen.
Da war sogar das Zimmer im Studentenwohnheim in Ungarn, Nähe der rumänischen Grenze besser, in dem wir anlässlich eines internationalen Chorwettbewerbes untergebracht waren. 
Wasserflecken, Schimmel, Haare im Bett, absolut dreckiges Bad mit Haarspangen und Müll auf dem Boden, ein Blechgestell mit quietschenden, durchhängenden Metallfedern als Bett und das Fensterglas droht beim Öffnen zu reißen, weil der Rahmen so verzogen ist, dass ich beschließe, das Fenster geschlossen zu halten - mehr Extras benötige ich nicht!
Dass die Nacht in der Altstadt laut ist, dazu sage ich nichts. Das ist in Ordnung, zumal am Wochenende auf den Straßen gefeiert wird und auch abends reges Treiben in der Stadt herrscht – das ist Spanien. 
Aber dennoch erwache ich erst um 7.20 Uhr. Für 30 Euro habe ich mir etwas mehr erhofft, aber ich weiß auch, dass man Fotos ganz leicht verschönern kann oder dass das, was man auf Werbefotos sieht, nicht immer der Wahrheit entsprechen muss.
Ich habe in meinem eigenen Schlafsack geschlafen. Ich bin erstaunt, dass es noch so dunkel ist und bleibe noch etwas liegen. Irgendwann stehe ich auf und gehe ich ohne meine Brille in das Badezimmer, so sehe ich den Schmutz nicht. Wofür eine ordentliche Dioptriezahl doch alles gut ist!  Ich habe genügend Zeit für meine erste Etappe. Heute für den Anfang möchte ich die erste Etappe kurz halten, die Alternative ist mehr als doppelt so weit, und das möchte ich am ersten Tag nicht. Nicht, nachdem ich seit langem keine großen Distanzen gelaufen bin.

Zum Glück ist es morgens, als ich aus dem nicht zu öffnenden Fenster schaue, trocken. Der Regen vom Vorabend hat aufgehört. Da zum Glück kein Frühstück im Preis enthalten ist gehe ich nach einer Bar Ausschau halten, bevor ich mich auf die erste Etappe begebe.

In einer Hotelbar in der gleichen Straße, schon in Laufrichtung, bekomme ich mein Frühstück. Es gibt das übliche, einfache spanische Frühstück. Im Obstkorb für die Hotelgäste sehe ich Bananen und frage höflich nach, ob ich ein oder zwei Bananen bekommen könnte. Selbstverständlich, sie werden mir nicht einmal angerechnet. Ohne Proviant wären dreizehn Kilometer zwar möglich, aber ich fühle mich besser zu wissen, dass ich für den Notfall einen kleinen Energiespender bei  mir habe.

Der Himmel ist beim Aufbruch grau, die Straßen sind feucht, aber es regnet nicht. 
Ich sehe das als gutes Zeichen und lasse meinen Regenponcho tief unten im Rucksack. 
      

                                                                                                                                                                                Der Umweg über die beiden präromanischen Kirchen, der nicht mit gelben Wegweisern ausgeschildert ist, lässt sich gut finden. Schon am Bahnhof bei der Anreise habe ich ein Straßenschild gesehen, dass auf diese beiden Sehenswürdigkeiten abseits des Weges hinweist. Die zwei kleinen Kirchen Santa María del Naranco und San Miguel de Lillo stammen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts und sind in der Liste des Unesco-Welterbes. Diesen Umweg von nur 1km nehme ich gerne in Kauf. Ich folge der Straßenbeschilderung aufwärts und nach nur 15 Minuten bin ich aus der Stadt hinaus – endlich im Grünen. Nur wenige Häuser säumen die Straße die ständig aufwärts führt, aber die Steigung ist weniger steil, als ich sie mir vorgestellt habe. Leider sind beide Kirchen geschlossen und laut Anschlag sollen sie um 9.30 Uhr öffnen. 




Ich warte eine Weile, aber als Kirchlein Nr. 1 um 9.45 immer noch nicht geöffnet ist, wandere ich weiter. Auch Kirchlein Nr. 2 ist verschlossen. Beide Kirchen betrachte ich nur von außen.





Gerne hätte ich mir die Kirchen auch von innen angesehen, oder mir einen Stempel von den Kirchen für meine Credencial geben lassen (von Oviedo habe ich keinen Stempel, da die Kathedrale bereits geschlossen hatte – und vom Hotel wollte ich keinen), aber was nicht ist, ist nicht. Ab nun muss ich mich auf die Wegbeschreibung im Reiseführer verlassen und ich hoffe den Weg so zu finden. Meinen Reiseführer stecke ich in die kleine Tasche, die ich am Hüftgurt befestigt habe, so ist er jederzeit griffbereit. Der Weg lässt sich wesentlich leichter finden als befürchtet. An jeder möglichen Abzweigung, bei jedem kleinen Seitenweg hole ich das Büchlein hervor um herauszufinden wo der Weg lang geht, aber die Beschreibung ist eindeutig. Auf kleinen Landstassen geht es durch diverse Dörfer, der Ausblick auf die Berge und das unter mir liegende Oviedo ist schön. Noch ist alles Wolkenverhangen, aber es klart auf und der Himmel wird mit der Zeit blau. Die Sonne kommt und im Windschatten wird es richtig warm. Am Wegesrand stehen Esel, Kühe, Schafe, Ziegen und überall laufen Katzen herum, Eidechsen huschen über den Weg. 



Auch laufen mir viele kleine Hunde in den Dörfern über den Weg, aber sie gehören zu den Höfen am Wegesrand und machen mir keine Angst. Angst habe ich vor den großen Hunden, die mir in der Einsamkeit begegnen. Dorfhunde und Hunde in der Nähe von Behausungen sind meist harmlos. 
An einem kleinen Kirchlein stoße ich auf den regulären Jakobsweg, von hier ist der Weg nun ausgeschildert und ich packe mein gelbes Buch zurück in die Hüfttasche. Durch das Fenster in der Kirchentür schaue ich in die Kapelle. Neben der verschlossenen Tür ist ein kleines Kästchen angebracht, in dem ich ein Stempelkissen und den dazugehörigen Stempel finde. Ich stempele meine Credencial und nun bin ich offiziell auf dem Weg, habe den ersten Stempel des Camino Primitivos in meiner Credencial. 




Von der Kapelle trete ich wieder auf die Landstraße und laufe weiter. Nach nur wenigen Metern ruft mir ein Bauer hinterher, wo ich denn hin wolle?! Peregrina!!! Ausgerechnet dort, wo der erste Wegweiser steht, laufe ich falsch. Ich bin von der Landstraße die wenigen Meter zu Kapelle gelaufen und automatisch auf die Straße zurückgegangen. Aber nein, hinter der Kapelle führt eine Wiesenweg von der Straße weg. Nun gibt es endlich einen Wegweiser und ausgerechnet hier laufe ich falsch. Es waren nur wenige Meter und irgendwie ist es immer so auf Jakobswegen: sobald man Hilfe benötigt, oder falsch läuft taucht aus heiterem Himmel irgendjemand auf und bietet Hilfe an oder weist den richtigen Weg. 



Am Wegesrand blühen Rosen und alle möglichen Blumen. Es duftet herrlich süßlich nach den Blumen und etliche Gerüche kann ich nicht zuordnen, aber es müssen Kräuter sein.

In einem Wartehäuschen einer Bushaltestelle stehen zwei Kühe und es ist ein lustiger Anblick. Sind Kühe heute auch so lauffaul, dass sie Bus fahren? Kurze Zeit später taucht eine ganze Herde auf, die von ihrem Bauern die Straße getrieben werden. Ich schmunzele über die Situation, dann geht es weiter. Nun, wo ich auf dem „richtigen“ Weg bin, ist es mit dem Laufen auf der Landstraße vorbei. Auf teils rutschigen, matschigen Schotterwegen geht es auf und ab durch´s Grüne. 





Einige Abstiege ziehen sich, wie auch die Anstiege, in die Länge. Ich treffe auf eine Dorfstraße und finde ein Schild: Santiago 296km. Die Angaben stimmen nicht ganz mit meinem Buch überein, aber kleinlich soll man nicht sein. 




Kurz hinter dem Kilometerschild finde ich eine kleine Bar und setze ich auf einen Kaffee hin. Etwas ausspannen, erholen. Der Kaffee schmeckt nicht, er schmeckt nach Seife – ich hatte mir etwas mehr Genuss erwünscht, aber die Tasse ist sicher supersauber gespült. Nach der Pause laufe ich weiter und der Weg biegt in einen grünen Wald ab. Der Weg ist schmal, wunderschön und hat es in sich. Ich packe meine Stöcke aus und nutze sie bis zur Ankunft. Es ist gut sie zu haben, denn der Untergrund ist uneben und holperig. 




Plötzlich fangen meine Beine an zu zittern, kurze Zeit später auch meine Hände. Was soll das denn, woher kommt das so plötzlich? Erschöpfung, zu niedriger Energiespiegel? Bitte nicht schon heute nach 10 Kilometern schlapp machen! Ich esse meine Bananen und laufe weiter. Es geht steil und über eine lange Strecke bergauf und in der inzwischen scheinenden Sonne wird es mir viel zu warm.

Ich erreiche das Ortsschild von Escamplero und von hier an wird der Weg wieder flacher. Gut gelaunt, so gut wie an der ersten Herberge zu sein, läuft es sich plötzlich wieder wesentlich leichter. Die Herberge ist geschlossen! An der Tür hängt ein Schild, dass es den Schlüssel im Hotel, ca. 400 Meter zurück, gibt. Ich lasse meinen Rucksack an der Herberge stehen und laufe zum Hotel zurück. Das Hotel ist die einzige Möglichkeit im Dorf etwas Essbares zu bekommen. Ich lasse mich für die Herberge registrieren und setze mich in den Schatten der Terrasse und esse ein Pincho und trinke Wasser. In dem Hotel gibt es – oh Schreck – nur kleine 200ml Wasserflaschen mit Kronkorken. Meine leere Wasserflasche habe ich vor ca. einem Kilometer entsorgt. Wo soll ich nun für die nächste Etappe Wasser her bekommen. Wasser ist das Wichtigste auf dem Weg, auf alles andere kann man verzichten. 





Ich bin die erste ankommende Pilgerin in der Herberge. Die Herberge ist nicht sehr komfortabel, Klobrille und Klodeckel liegen auf dem Boden, Toilettenpapier gibt es nicht, der Spalt in der Duschkabine ist so schmal, dass ich nur seitlich hineinkomme und auch beim Duschen gibt es kaum eine Möglichkeit die Arme zu bewegen. Steif wie ein Brett stehe ich dort und genieße das warme Wasser. Die Betten bestehen aus einfachem Metallgestänge, es gibt sie in vielen Herbergen. Die Matratzen sind auch schon etliche Jahre alt, der häufig in Spanien unter der Decke zu findende Schimmel ist auch vorhanden. Ich nehme mir ein Bett am Fenster und reiße dieses weit auf. Nach dem Duschen wird die verschwitzte Wäsche gewaschen und draußen im Hof in der Sonne zum Trocknen aufgehängt.

Irgendwann geht es Schlag auf Schlag und in sehr kurzer Zeit ist der Herberge voll, sozusagen überbelegt. In einem Raum im Erdgeschoss, der wesentliche ordentlicher ist, als unserer, inklusive sanitäre Anlagen, gibt es ein gutes Luftmatratzenlager. Die spät ankommenden Pilger haben es viel besser als wir. Wir schlafen mit 12 Personen auf engem Raum, im Erdgeschoss schlafen nur 3 Pilger, dazu in einem renovierten Raum den das Dorf für Veranstaltungen nutzt. Aber egal, ich habe mein Bett. Am Ende des Tages sind wir mit 15 Pilgern aus Deutschland, Frankreich, Spanien und den Niederlanden in der Herberge. Etliche sind, so wie ich, heute in Oviedo gestartet, aber mindestens die Hälfte meiner Mitpilger sind schon seit längerer Zeit unterwegs und kommen vom Küstenweg.

Mit Evi, Anita und Bernadette gehe ich abends in das Hotel und wir essen gemeinsam einen würzigen, asturianischen Eintopf aus weißen Bohnen, Gemüse und Fleisch. Die Schwarte vom Schwein lege ich dezent zur Seite, Blutwurst ist auch nicht so meines, aber es ist ein regionales Gericht und so ganz haben wir die Speisekarte nicht verstehen können.

Schnell wird es mit Beginn der Dämmerung kalt. Es ist ein netter Abend und Evi und Anita teilen mir mit, dass sie meinen Blog kennen und wissen wer ich bin. Auch fragen sie mich, ob ich Frieda, meine neugeborene Nichte, schon besucht habe. 
Die Welt ist klein und es ist nicht das erste Mal, dass ich von Fremden auf meinen Blog angesprochen werde.

Dia-Show 1: Anreise, Oviedo - Campiello
 

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