Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Calzada de Valdunciel - El Cubo de la Tierra del Vino

13. April 2011
Calzada de Valdunciel – El Cubo de la Tierra del Vino,

Der Abend in der Herberge war recht kühl. Um so gemütlicher war es, in dem kleinen 8-Betten-Schlafsaal im Bett liegend sich zu unterhalten. Die Gespräche fanden auf englisch statt. Englisch ist eine Sprache die von vielen gesprochen wird und so kann sich fast jeder beteiligen. Ein schwieriges Thema stand zur Debatte: „Krankheit als Chance für das Leben“.
Wie kommt es abends plötzlich zu so einem schweren, heiklen Thema? Es hat sich von alleine ergeben. Wolfgang war schon sehr schwer krank, José ist wie ich Krankenpfleger.
Da ich sehr müde vom Tag war, habe ich mich nach einer Weile umgedreht und bin eingeschlafen. Ich bin froh mir für die Reise eine lange Unterhose gekauft zu haben. Mit langer Unterhose und langärmeligem T-Shirt habe ich in meinem bequemen, kuscheligen Daunenschlafsack in der kleinen Herberge sehr gut geschlafen. Um 7 Uhr schellt ein Wecker und ich stehe im Dunkeln auf. Erstaunt bin ich eine italienische Pilgerin im Aufenthaltsraum auf dem Sofa schlafend vorzufinden.  Es sind doch freie Betten vorhanden, warum schläft sie hier – halb sitzend? Eine Erklärung ist schnell gefunden. Die Italienerin, deren Namen ich vergessen habe, ist am Vortag auf ihr Steißbein gefallen und halb sitzend konnte sie besser schlafen, als im Liegen.
Mit gepacktem Rucksack mache ich mich von der Herberge auf zur Bar, die nicht auf dem Weg liegt. Da es aber erst im heutigen Zielort wieder eine Bar gibt, nehme ich den kleinen Umweg gerne in Kauf. In der Bar trinke ich meinen gewohnten Kaffee con leche und, da es außer Muffins nichts gibt, einen Muffin zum Frühstück. José ist auch schon da. Die Preispolitik dieser Bar verstehe ich immer noch nicht. Drei Mal habe ich hier nun einen Kaffee getrunken und jedes Mal zahle ich einen anderen Preis. Aber was soll es, der Kaffee schmeckt gut und es gibt keine andere Einkehrmöglichkeit.
Von der Bar laufe ich zurück zur Herberge und biege auf die Piste ab. An der Kreuzung zwischen Piste und Straße fließt ein kleines Flüsschen vorbei und ich sehe einen Storch im Wasser nach Frühstück suchen.


Leider kann ich den Storch nicht lange beobachten. Er sieht mich kommen und fliegt weg. Die Piste geht sanft auf und ab und ich genieße diese Kilometer auf der Piste. Heute wird mich der Weg, abgesehen von diesen ersten Pistenkilometern nur auf und parallel zur Nationalstraße und Autobahn führen. In einer Senke liegt ein kleiner dampfender Teich. Die Gräser und Enten spiegeln sich im Wasser und obwohl der Teich klein ist, strahlt alles eine große Ruhe aus.


 Der starke Wind vom Vortag hat sich gelegt und die morgendlich kühlen Temperaturen steigen schnell an.  Vor und hinter mir ist weit und breit niemand zu sehen, obwohl im Sand auf der Piste frische Schuhabdrücke zu sehen sind.



Auf dem Weg liegt eine einsame Schuhsohle, irgendwer muss sie hier verloren haben.
Mit kaputten Schuhen ist man hier wirklich verloren. Die Wegqualität ist gut, man kann auch ohne Wanderschuhe laufen, aber wo bekommt man hier in der Einsamkeit neue Schuhe oder wo findet man hier einen Schuster? Ein wirkliches Problem.
Die Piste geht in einen Wiesenweg über und führt zur N630. Nun beginnen 20 lange Straßenkilometer, die sich nicht umgehen lassen.
Gerade bei großer Wärme ist das Straßelaufen anstrengend. Manchmal wird der Beton weich, die Straße riecht nach Teer und gibt die gespeicherte Wärme zusätzlich ab. Niemand möchte auf der Straße laufen, auch wenn es die direkteste Verbindung zwischen 2 Orten ist, aber Spaß machen tut das Laufen so nicht.


Autobahn und Nationalstraße laufen direkt nebeneinander. Ich verstehe diese Baupolitik in Spanien nicht immer. Die Dörfer sind mehr als arm und gleichzeitig laufen an den Dörfern zwei groß ausgebaute Straßen nebeneinander her. Der Verkehr wäre vom Verkehrsaufkommen auch auf einer Straße machbar.
Von der linken Seite der Autobahn kommend führt der Weg unter einer Autobahnbrücke hindurch auf die rechte Seite der nebenliegenden Nationalstraße. Auf der Brücke wird ein kleiner Bach überquert und dann gibt es zwei Wegmöglichkeiten.


Auf der inzwischen anderen Flussseite zurück auf die links neben der Autobahn liegende Piste oder auf der Nationalstraße bleiben. Ich entscheide mich für die Piste und begebe mich wieder auf den links neben der Autobahn liegenden Weg. Die Autobahn ist immer zu sehen, manchmal wird sie von Bäumen oder einem Schutzwall verdeckt. Die Piste läuft sich teils recht beschwerlich, weil die Piste als Viehtrieb genommen wird und durch die vielen Hinterlassenschaften und Abdrücke im Boden uneben ist. Die Autobahn blende ich gedanklich aus. Ich höre die Autos aber mein Blick wandert überwiegend nach links. Links des Weges liegen Stein- und Korkeichen in riesigen Getreidefeldern und Wiesen.


Eigentlich sieht die Landschaft sehr nett und ansprechend aus, man darf nur nicht nach rechts schauen. Pilger kann ich nicht sehen, Wegweiser gibt es nicht, aber ein Verlaufen ist unmöglich. Am Wegesrand sehe ich Überreste gegessener Apfelsinen und Bananen – eindeutig ein Zeichen für Pilger. Auf einem schönen Stein am Wegesrand lege ich eine Pause ein und ziehe mich um.


Mit meiner Jacke ist es in der Sonne viel zu warm zum Laufen, aber nur im T-Shirt ist es zu kalt. Also ziehe ich das langärmelige Shirt unter und so ist es angenehm. Der Wind pfeift inzwischen wieder stark und die warmen Sonnenstrahlen sind nicht zu spüren, obwohl sie da sind. Im Windschatten ist es heiß und die Gefahr bei dem kühlen Wind in der Sonne zu verbrennen ist groß.
Das Zeitgefühl geht mir bei Wandern komplett verloren. Ich weiß nicht wie spät es ist oder wie weit ich schon gelaufen bin.
Es blühen nur wenige Blumen am Wegesrand. Entweder ist die Natur hier noch nicht so weit, oder der Boden gibt den Blumen nicht das zum Wachsen, was sie brauchen.



Am Wegesrand steht eine kleine Kapelle und ich laufe zu ihr. Die Kapelle ist, wie so oft, geschlossen. Vor der Kapelle stehend höre ich plötzlich meinen Namen und sehe mich um. Ich finde die rufende Person nicht. Noch ein Ruf, eindeutig mein Name und dann sehe ich den winkenden José aus großer Entfernung über zwei Straßen rufen. Wäre die Autobahn und die Nationalstraße gut befahren, könnte ich die Rufe nicht hören.
Nachdem ich José gesehen habe, beschließe ich über eine Autobahnbrücke auf den Seitenstreifen der Nationalstraße zu wechseln. Eine schlechte Entscheidung! José ist schon wieder meinem Blickfeld entschwunden und der Seitenstreifen der Nationalstraße ist noch öder als die neben der Autobahn liegende Piste.




Einige kleine Tümpel scheinen in einer Wiese zu liegen, ich höre quakende Frösche, einige Vögel singen, aber sonst immer nur geradeaus auf der Betonstraße. Hinter jeder Kurve in der Ferne vermute ich mein Etappenziel, aber es lässt auf sich warten. So anstrengend wie heute und gestern ist mir das Wandern noch nie vorgekommen. Am Wegesrand stehen noch nicht blühende Zistrosen, aber der betörende Geruch dieser bald erblühenden Pflanzen ist schon zu riechen.
Einige Störche segeln über den neben der Straße liegenden Feldern, einige Raubvögel fliegen mit weiten Schwingen an mir vorbei oder nutzen die Thermik und lassen sich treiben.



Ich müsste wirklich mehr über Vögel wissen. So viele schöne Vögel sehe und höre ich, aber ich weiß nie, was da fliegt und zwitschert. Schade!
Irgendwann taucht das Dorf in der Ferne auf und ich erreiche es über eine kleine Straße. Ein spanischer Radpilger hält neben mir und schiebt sein Rad neben mir in das Dorf hinein. Der Radpilger heißt Luis und ist in Sevilla gestartet. Die Unterhaltung ist mühsam, da mein spanisch sehr rudimentär ist. Ein Gespräch über das Wetter, woher ich komme und wo ich gestartet bin schaffe ich aber dennoch.
An der Dorfbar gehe ich vorbei. Ich möchte erst zur kleinen Herberge und mein Bett sichern bevor ich mich um das Essen kümmere. Hans-Jürgen ist schon da, José ebenfalls – weiß aber noch nicht ob er bleiben möchte. Ich weiß definitiv: für heute reicht es, ich bleibe!


Die Herberge ist klein und einfach, aber ausreichend und kostet wie immer bisher 5 Euro. 2 kleine Schlafzimmer, 2 Toiletten – eine liegt im Hof – ein Hof mit Tischen, Stühlen und Wäscheleinen, eine kleine Küche und ein Aufenthaltsraum. José entschließt sich auf Wolfgang zu warten und läuft gemeinsam mit ihm weiter. Außer Hans-Jürgen ist niemand hier den ich kenne, aber es scheinen noch einige Betten belegt zu sein. In der Bar esse ich ein Menue del Dia und streife anschließend durch das Dorf. Viel gibt es nicht zu sehen. An der kleinen Kirche steht ein neues Granitkreuz mit Jakobsmuscheln verziert. In dem Dorf gibt es nichts zu tun und nichts zu sehen. Ich setze mich auf eine Bank die in der Nähe der Kirche liegt und beobachte die Kinder.



Kleine Hunde streunen umher, eine Beerdigung findet in der Kirche statt. Nach der Beerdigung gibt es eine Prozession mit dem Sarg durch das Dorf, scheinbar zum Friedhof, den ich aber nicht gesehen habe und am anderen Ende des Dorfes liegen muss. Die Wäsche hängt bei vielen Spaniern direkt an der Hauswand zur Straße, ältere Spanier spielen Karten in der Bar oder sitzen auf ihren Bänken vor den Häusern und wärmen sich in der Sonne. Die Spanier altern anders als die Deutschen. Ich glaube, dass viele gar nicht so alt sind, aber durch die harte Landarbeit und das einfache Leben schneller altern.
Sehr auffällig empfinde ich bei vielen das Gangbild. Steife Knie, steife Hüften oder sonstige Gangprobleme. Richtige Gehstützen, Handstöcke und Rollatoren wie bei uns hat niemand.
Auch wenn mir meine Knochen und Muskeln heute wehtun, muss ich froh und dankbar sein die ersten Kilometer so gut geschafft zu haben.

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