Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Salamanca - Calzada de Valdunciel

12. April 2011
Salamanca – Calzada de Valdunciel, 16,3km

Nach 36 Stunden ohne Schlaf habe ich himmlisch in meinem Herbergsbett geschlafen. Weder habe ich mein Ohropax gebraucht, noch habe ich meine wenigen Mitpilger kommen hören.
Ich erwache gegen 6.30 Uhr und höre den Hospitaliero schon in der Herberge umherlaufen. Im Zimmer selbst ist es noch ruhig, alle schlafen oder liegen ruhig in den Betten.
Um 7.00 Uhr ist die Nacht schlagartig beendet. Gnadenlos fordert uns der Hospitaliero zum Aufstehen auf. Das Deckenlicht wird angestellt und Radioklänge erschallen nicht gerade leise.
So, als ob ich schon ewig unterwegs bin, packe ich meinen Rucksack, ziehe meine Schuhe an und mache mich auf den Weg. Draußen ist es noch dunkel, aber die Dämmerung setzt langsam ein. Ich durchlaufe die Altstadt und erreiche eine befahrene Straße am Stadtrand. Hier, wo die arbeitende Bevölkerung vorbei kommt, haben die Bars schon geöffnet. In die erste Bar am Wegesrand kehre ich ein und bestelle wie immer auf meinen bisherigen Wegen die üblichen Toastadas mit einem Kaffee con leche, grande. Wie in allen Bars in Spanien läuft auch hier schon am frühen Morgen der Fernseher. Das einzige was mich interessieren würde ist die spanische Wetterkarte, aber diese wird auf diesem Sender nicht gezeigt.
Das Gedudel im Fernseher macht mich rammdösig. Ich bin mit einem eigenartigen dumpfen Kopfschmerz erwacht und fühle mich nicht wirklich fit für den ersten Wandertag. Kopfschmerzen am Morgen bedeuten bei mir nichts Gutes, im Normalfall wird im Laufe des Tages eine dicke Migräne mit Übelkeit und Erbrechen daraus. Da ich dieses nicht riskieren möchte dope ich mich in der Bar zusätzlich zum Frühstück mit einer Kopfschmerztablette und begebe ich hinaus auf den Weg.
Der Weg führt mich heute viele Kilometer an der Straße entlang.


Bevor ich die Stadt endgültig verlasse, komme ich an einem großen, bewachten Gebäude vorbei. Wachen mit großen Gewehren im Anschlag stehen vor den Absperrungen des Grundstückes, eine schwarze schicke Limousine hält auf dem Gelände. Ich beobachte das Schauspiel nicht länger, aber plötzlich erschallen Trompetenfanfaren für die aussteigende Person. Natürlich gilt die Fanfare nicht mir, aber es kommt mir vor, als ob man mich mit einem Tusch auf den Weg entlässt. So grandios hat man mich noch nie verabschiedet oder auf einem Weg willkommen geheißen. Das kann doch nur ein gutes Zeichen sein!
Da ich am Vortag den Weg ausgekundschaftet habe ist es nicht schwer den Weg zu finden. Wegweiser sind auf den ersten Kilometern an der Straße nur spärlich zu finden, aber der mein Reiseführer sagt eindeutig: an der Straße entlang. Die Nationalstraße N630 ist eine mir seit ca. 500 Kilometern vertraute Straße. Auch auf der ersten Hälfte der Via bin ich immer wieder auf diese Straße gestoßen.


Im Morgenverkehr ist die Straße stark befahren. Mal zeigt ein Wegweiser auf die rechte Seite, mal auf die linke Seite. In einigen gefährlichen Manövern überquere ich die Straße, aber eigentlich macht das Wechseln der Straßenseite keinen Sinn und so entscheide ich mich auf einer Straßenseite zu bleiben. Der Weg ist nicht sonderlich schön und beeindruckend – halt Nationalstraße. Die ersten 60 Kilometer bis Zamora führt der Weg mich immer auf der Straße oder in nicht allzu großer Entfernung dazu.
Wenn der Weg nicht schön ist, dann muss man sich gute Gedanken machen oder auf kleine schöne Dinge rechts und links des Weges achten. Die Vögel zwitschern, wollen mich aber zum Narren halten. Immer wenn ich ein besonders schönen Vogel sehe und beschließe ein Foto zu machen, fliegt der Vogel kurz vor dem Drücken des Auslösers weg. Ich habe das Gefühl, dass die Vögel das Geräusch meines Fotoobjektives nicht mögen.


Die Vögel sitzen auf dem Zaun oder einem Geländer jenseits des Weges. Zücke ich meinen Fotoapparat fliegen sie ein Stück weiter, bis ich wieder ankomme. Sie legen den Kopf schräg, gucken mich an, zwitschern – und fliegen weiter. Blumen blühen nur wenige entlang der Straße. Nach ca. 6km biegt der Weg in eine Seitenstraße ab. Ich durchlaufe das Dorf und halte Ausschau nach einer Bar. Ich fühle mich irgendwie schlapp, der Rucksack kommt mir schwerer vor als je zu vor, dabei ist er leichter als auf meinen anderen Wanderungen. Das durch die OP bedingte fehlende Training macht sich bemerkbar.
Im Dorf Aldeaseca de Armuna soll es laut Reiseführer eine Bar geben.


Entweder hat diese seit Herausgabe des Buches geschlossen oder ich habe sie übersehen und laufe weiter. Hinter dem Dorf geht die Straße in eine Piste über und gabelt sich ohne dass ich einen Wegweiser finde. Ich setze meinen Rucksack ab und hole mein allwissendes Buch hervor. Das Buch sagt eindeutig: zurück an die Straße. Im Rechtsbogen umlaufe ich einen Acker und bin wieder auf der Nationalstraße. Weiter geht es an der Straße, bis es wieder auf eine Piste geht der ich folge. Der Weg ist gut ausgeschildert.


An jeder Weggabelung oder Pistenkreuzung stehen Wegweiser. Nach einiger Zeit kann ich am Horizont zwischen den ebenen Feldern der Meseta ein Dorf erkennen und bin mir sicher, dass es mein heutiges Etappenziel ist. Am Dorfrand erschrecke ich mich kurz über einen großen Hund der neben dem Wegweiser liegt, aber er ignoriert mich und sonnt sich seelenruhig.


Calzada de Valdunciel ist ein typisches kleines spanisches Dorf mit Kirche, Plaza und Bar. Dem Weg folgend treffe ich auf eine schöne kleine Herberge mit 8 Betten.
Mein erstes Tagesziel, Calzada de Valdunciel ist erreicht!
Die kleine Herberge hat einen kleinen Vorgarten. In diesem Vorgarten lerne ich Hans-Jürgen kennen. Hans-Jürgen klärt mich auf, dass ich mich zuerst in der Bibliothek des Dorfes anmelden muss. Ich stelle meinen Rucksack ab, nehme meine Credencial und gehe zur Bibliothek zurück. Ich bekomme meinen Stempel, zahle mein 5 Euro als Donativo und gehe zurück um zu duschen und meine Kleidung zu waschen.


Nach der Ankunft und dem üblichen Dusch- und Waschprozedere schaue ich mich im Dorf auf der Suche nach etwas essbarem um. In dem kleinen Tante-Emma-Laden gibt es fast nichts zu kaufen, aber man berichtet mir, dass es eine kleine Panaderia gibt. Ich frage an der Plaza nach der Panaderia und eine ältere Dame bringt mich in ein äußerlich unscheinbares, nicht als Bäckerei erkennbares, Haus. Die tüchtige Bäckerin ist nicht bereit mich mit nur einem kleinen Brot wieder gehen zu lassen und so kaufe ich zwei kleine Baguettes. Was soll ich nur mit 2 kleinen Broten machen? Etwas Chorizo erstehe ich im Lädchen, ebenso 2 Bananen und etwas Wasser für den nächsten Tag. In der Sonne sitzend nehme ich meine einfache Mahlzeit zu mir und erfreue mich am Quaken der Frösche. In einer nicht fertig gestellten Baugrube nebenan steht das Wasser ca. einen halben Meter hoch, Schilf hat sich angesiedelt und Frösche sitzen überall und sonnen sich.




Ich habe Spaß die Frösche zu beobachten, da Hans-Jürgen nicht so gesprächig ist. Nachmittags trudeln noch zwei weitere Pilger ein. José aus Cadiz in Spanien und Wolfgang, ein Deutscher in Indien lebend.
Da in der Herberge und im Ort nichts los ist, gehe ich auf einen Kaffee in die Bar und treffe dort zufällig Wolfgang und José. In englisch ergibt sich ein nettes Gespräch. Zwar bin ich heute erst meine erste Etappe gelaufen, aber da ich die ersten 500 Kilometer im Vorjahr gelaufen bin, kann ich mit schwärmen und über die Etappen reden. Es ist, als wäre ich nie von der Via weg gewesen. José möchte abends gerne kochen. Dem warm angezogenen Spanier ist kalt, derweil ich in der Sonne schwitze. Zu dritt kochen wir abends ein Tütensüppchen und so werde ich mein überschüssiges Brot noch los. In der langsam schwindenden Sonne schreibe ich mein Tagebuch. Sobald die Sonne untergeht ist es wieder sehr kühl. Im Schlafsack liegend erzählen wir noch etwas, Hans-Jürgen hat sich irgendwo abgeseilt, und dann verabschiede ich mich für die Nacht. Es ist richtig kühl in der Herberge und ich bin froh über meinen Schlafsack. Heute Nacht muss Ohropax sein, José schnarcht in einer beeindruckenden Lautstärke.
Die erste Etappe ist geschafft! Eigentlich war sie kein Problem, die Kopfschmerzen haben sich schnell gebessert und an das Rucksackgewicht werde ich mich auch wieder gewöhnen.
Warum hat der erste Kaffee in der Bar 1,50 Euro gekostet und der zweite im Beisein eines Spaniers nur noch 1 Euro?
Fragen dir mir wohl niemand beantworten kann, aber ich bin in Spanien und auf der Via de la Plata!
Mit 16,3 Kilometern war die Etappe nicht wirklich lang, aber die Alternative wäre ingesamt 37 Kilometer gewesen. Dass muss ich nicht haben und schon gar nicht am ersten Tag!

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