Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Puebla de Sanabria - Requejo

22. April 2011
Puebla de Sanabria – Requejo
12,8 Kilometer

Die Nacht im Schlafsaal der Herberge war sehr kalt und feucht. Abends habe ich noch spontan meinen Bettplatz mit einem älteren Herrn gewechselt, der gerne neben dem offenen Fenster schlafen wollte. So gerne ich bei offenem Fenster schlafe, (die Luft war eisig kalt und feucht),  so ungern mag ich frieren und mich erkälten. Dankbar habe ich den Tausch angenommen und habe mir zusätzlich, wie fast alle anderen, eine Wolldecke geben lassen. Mit Wolldecke und Schlafsack, fernab des Fensters, habe ich dann gut geschlafen.
Morgens beim Erwachen höre ich es direkt: Es regnet noch immer, und nicht gerade wenig.
Am Vortag habe ich mich nach der Öffnungszeit der gegenüberliegenden Bar erkundigt und erfahren, dass diese um 7.00 Uhr öffnet. Ich beschließe den Tag in der Bar mit einem Frühstück und einem heißen Kaffee willkommen zu heißen. Kurz nach sieben Uhr stehe ich mit einigen Pilgern vor einer verschlossenen Bar. In der Bar wird schon alles vorbereitet, aber eingelassen werden wir nicht. Unter dem Vordach warten wir geduldig, dass die Barbetreiber sich zur Öffnung aufraffen. Erst einmal passiert scheinbar gar nichts, dann, nach einer halben Stunde, werden wir eingelassen. Die Bar ist nicht sonderlich gemütlich, warm schon gar nicht. In der Bar bekomme ich das übliche Frühstück, Tostadas und Kaffee. Wolfgang, die Österreicher und etliche andere Mitpilger kommen ebenfalls hinzu. Wegen des schlechten Wetters wird es von einigen in Erwähgung gezogen ein Taxi zu nehmen, aber ich möchte laufen. Der Regen wird einfach nicht weniger, die Wolken versprechen keine Besserung und so mache ich mich auf den Weg.
Der Weg ist in Puebla de Sanabria nicht durchgehend gut ausgeschildert, oder die Pfeile sind sehr versteckt angebracht. Hinter dem Burgberg verlaufe ich mich ein erstes Mal. Mein Reiseführer ist in dieser Situation keine große Hilfe, da er veraltet ist. Die ehemalige Herberge auf dem Burgberg gibt es nicht mehr, und von hier ist der Weg aus der Stadt hinaus beschrieben. Etwas orientierungslos laufe ich durch den strömenden Regen, finde dann aber den entscheidenden Wegweiser um nach kurzer Zeit wieder nicht zu wissen wo es lang geht. Ich laufe die Strecke zurück um auszuschließen dass ich einen Hinweis übersehen habe, und drehe nach der Sichtung eines mir bekannten Wegweisers wieder um.


Der Weg kreuzt eine große Nationalstraße und wo bleibt er dann? Ich kann keinen Wegweiser finden, ich sehe keinen Trampelpfad… Biege ich auf der Nationalstraße nach links ab, komme ich wieder in die Ortschaft aus der ich komme, biege ich nach rechts ab, bin ich in 4 Kilometern in Portugal. Die Entfernung zu Portugal ist hier so gering, wie sonst nirgends auf den über 1000 Kilometern der Via de la Plata. Im Regen packe ich wieder meinen Reiseführer aus, dieser erwähnt eine große Straße und so beschließe ich mich Richtung Portugal zu wenden, vielleicht kommt ja bald der nächste Hinweis. Nach nur wenigen Metern werde ich von der heimatlichen Bevölkerung darauf hingewiesen, dass ich auf dem falschen Weg bin – wo der richtige Weg ist kann man mir leider nicht sagen.
Entnervt wate ich durch den Regen zurück. Nach einer 70 minütigen Starkregenwanderung bin ich wieder in dem Ort wo ich gestartet bin – super! Inzwischen bin ich so genervt, dass ich in Erwägung ziehe mir ein Taxi zu gönnen, als mir zwei Pilger entgegenkommen. Es sind Karin aus Österreich und John aus Irland. Beide sind verwundert mich zu treffen, da ich eine Stunde vor ihnen die Bar verlassen habe. Ich schildere mein Dilemma und gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach dem Weg. Die Strecke die ich nun schon zweimal gelaufen bin, laufe ich ein drittes Mal, nur öffnet sich dieses Mal zufällig an der entscheidenden Stelle eine Haustür und uns wird durch einen Einheimischen geholfen. Er erklärt uns, dass der Weg den ich gegangen bin richtig war, dass ich aber die Nationalstraße hätte kreuzen müssen. Irgendwo in der versumpften Wiese hinter der Straße muss der Weg weiter gehen, rät aber von dieser Variante zwecks der Schlechtwetterlage ab – alles stünde unter Wasser und die Wege wären nur schwer passierbar. Er erklärt uns die Alternativroute über die Straße, die ebenfalls ausgeschildert ist, aber eben erst, wenn man auf der Straße ist. Genervt und durchnässt wie ich bin, entscheide ich mich frohgelaunt überhaupt zu wissen wo der Weg ist, für die Straße. Zu dritt laufen wir hintereinander über den Seitenstreifen der wenig befahrenen Straße. Die Wolken hängen tief an den Bergen und in den Tälern.




Obwohl mein Zeitplan etwas durcheinander oder knapp wird, entscheide ich mich, zwecks der Schlechtwetterlage nur bis Requejo zu laufen, die nächste Möglichkeit nach Requejo ist Lubián, das aber 33 Kilometer vom heutigen Startpunkt, hinter einem Bergpass liegt. Karin und John haben einigen zügigen Schritt und so erreichen wir schnell das Dörfchen Requejo.


In Requejo gibt es zwei Herbergen, eine sehr einfache staatliche Herberge und eine private Herberge. In der privaten Herberge gibt es eine Heizung, warme Duschen, richtige Decken plus Waschmaschine und Trockner. Gerne bin ich bereit 10 Euro für diese Unterkunft zu zahlen. Nach und nach trudeln noch andere durchnässte Pilger ein, alle kommen heute aus Puebla de Sanabria, keiner läuft an Requejo vorbei. Mit Wolfgang und Karin laufen wir zu einem abseits liegendem Restaurant, dass leider aber um diese Uhrzeit kein Menü anbietet. Mit einem Kaffee warten wir in der sehr kalten Bar auf das Mittagsmenü. Das Menü ist sehr günstig, aber als besonders schmackhaft empfinde ich es nicht. Die Gespräche sind sehr interessant, aber ich kann nicht mitreden, höre aber gerne zu. Zufällig stellen Karin und Wolfgang fest, dass sie im Himalaja den gleichen Treck gewandert sind und geraten in´s schwärmen. Zurück in der Herberge ist unsere gemeinsame Waschmaschine fertig und wir gönnen uns noch den Trockner. Mit Wolfgang besuche ich noch eine Karfreitagsmesse. In der Kirche ist es sehr kalt und feucht, ich friere, verstehe gar nichts und die Messe dauert endlos lange.


Nach einer Stunde Messe, haben wir erst die erste Seite des vierseitigen Messblattes „abgearbeitet“. Als es eine Prozession durch die Kirche an der geöffneten Kirchentür vorbei gibt, nutze ich die Gelegenheit und begebe mich Richtung Herberge. Falls die Messe in dem Tempo weitergeht und jeder weitere Seite des Messblattes eine Stunde dauert, erfriere ich in der Kirche. Mit einem etwas schlechten Gewissen, aber überrascht außerhalb der Kirche wärmere Temperaturen zu erleben, laufe ich zurück.



Karfreitag ist auch in Spanien ein sehr hoher kirchlicher Feiertag, aber im Dorf geht es nicht sehr feiertäglich zu. In den Bars sitzen mehr Menschen, als in der Messe – wie immer läuft der Fernseher. Gemeinsam mit meinen Mitpilgern gehe ich in die benachbarte, schöne Bar und wir lassen den Abend nett ausklingen. Dietmar, ein etwa gleichaltriger, lustiger Pilger ist auch in Requejo eingetroffen, schon gestern sind wir uns in Puebla de Sanabria begegnet. Der Abend endet lustig mit Wein, Käse und Chorizo in der Bar -  wir lachen viel und ausgiebig. Zur Herbergsschließung begeben wir uns zurück. Laut Wettervorhersage soll das Wetter morgen besser sein, aber es soll noch zu Regenfällen kommen. Ich hoffe, dass das Wetter morgen halbwegs mitspielt. Morgen steht die Überquerung des Pardonelo-Passes an. Ich würde mich so freuen, wenn es bis dahin aufhören würde zu regnen, über schlammige Wege beschwere ich mich nicht.
Mir bleibt nur Hoffen und Beten.

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