Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Requejo - Lubián + Dia-Show

23. April 2011
Requejo – Lubián
20 Kilometer

Meine Wünsche und Gebete wurden erhört! Die Sonne scheint und ich habe den Pardonelo-Pass bei Sonnenschein problemfrei und trocken geschafft.
Aber der Reihe nach:
Nach einem wirklich netten und lustigen Abend in der Bar mit tollen Gesprächen bin ich als eine der letzten gegen 21.30 Uhr in den Schlafsaal gekommen und habe mich im Dunkeln schlafen gelegt. In der Herberge war es, so wie den ganzen Tag, kalt. Nach einer Nasenmeditation die Wolfgang mich gelehrt hat und bestimmt nicht schaden kann, schlafe ich gut und traumlos und hoffe auf eine Wetterbesserung. Als ich um 7.15 Uhr aus der Herberge heraustrete kann ich nicht glauben was ich  sehe, ein fast wolkenfreier, klarer Himmel leuchtet mir entgegen.


Es ist kalt, Hochnebel liegt über den Tälern, aber es ist sonnig, trocken, klar und wunderschön. Frohgelaunt, meine Gebete wurden erhört, mache ich mich auf den Weg. Auf einem kleinen Sträßchen werde ich aus dem Dorf hinausgeführt und bin schnell wieder in der Natur. Die Berghänge leuchten lila, die Heide blüht. Die Berge liegen direkt vor mir und ich muss heute hinüber, es gibt keine andere Möglichkeit. Karin, Hannes und Martin möchten über die Nationalstraße laufen, ich laufe den Originalweg, auch wenn die Schuhe wahrscheinlich feucht werden. An einem Pilgerdenkmal bestehend aus zwei Wanderschuhen verlasse ich das Dorf.



Es geht sanft aufwärts auf einem Schotterweg, nicht steil, aber die Steigung wird noch kommen. Nach nur wenigen Kilometern sehe ich auf der rechten Seite einen Schuppen am Wegesrand stehen und einen großer Hund läuft bellend und knurrend auf mich zu. Der große, wild aussehende Hund, macht mir eine große Angst. Es ist immer das Gleiche in solchen Situationen: Weit und breit ist kein anderer Pilger zu sehen. Ich muss mich selbst meiner Angst stellen und gehe auf den Hund zu, der den Weg nicht frei macht und laut knurrt. Erschrocken weiche ich zurück und schaue ob nicht vielleicht doch jemand zu sehen ist, der mit mir an dem Tier vorbei gehen könnte. Aber niemand kommt. Der Hund hat den Weg wieder frei gegeben und ich wage den nächsten Anlauf. Wieder das Gleiche, der Hund kommt knurrend auf mich zu und ich verzweifele, weil ich nicht weiß, wie ich mit meiner Angst umgehen soll. Mein weiteres Vorgehen sollte ich wahrscheinlich verschweigen, weil es bestimmt einige Lacher hervorruft, aber was soll es. Abseits des Weges schlage ich mich durch das unwegsame Gelände um so eventuell den Hund zu umgehen. Ich stolpere durch mannshohe Büsche und Heidelandschaften, falle hin, weil Vertiefungen im Boden nicht zu sehen sind. Die Feuchtigkeit vom Vortag sitzt auf den Büschen und ich werde nass und dreckig – bis plötzlich ein bellendes Etwas unweit vor mir steht. Für den Hund ist es ein Leichtes hier hin zu kommen und ich schlage mich wieder auf den Weg durch, die Trillerpfeife im Mund, zwei Steine in der Hand und laufe zitternd an dem Hund vorbei. Anstandslos macht der Hund den Weg frei und ich kann passieren.
Erleichtert und zitternd laufe ich auf dem Weg weiter, ich traue mich noch nicht mich umzugucken. Nach einiger Zeit bin ich mir sicher, dass der Hund mich nicht verfolgt und bleibe erleichtert auf dem Weg stehen. Ich könnte heulen: Warum muss ich immer alleine diese Begegnungen machen? Warum habe ich so große Angst vor diesen Tieren, wenn ich sie in freier Wildbahn treffe? Vor den Wölfen die es hier geben soll habe ich keine Angst, aber die wilden Hund – vor denen schon und sie riechen meine Unsicherheit mit Garantie. Aber es ist für dieses Mal wieder geschafft und ich beruhige mich wieder.



Der heutige Weg fasziniert mich. Die Berge leuchten lila, blauer Himmel mit einer kleinen, noch zu sehenden Mondsichel, frisches Birkengrün, Hochnebel im Tal. Der Weg ist holperig, führt mal über Wiesenwege, Schotterwege, Matschpisten und Waldwege.


Der Weg führt an bemoosten Mauern lang, zwischen den Mauern steht das Regenwasser des Vortages. Obwohl es inzwischen merklich bergauf geht genieße ich die Etappe. Es wäre jammerschade gewesen, diesen Abschnitt im Regen und bei Nebel zu laufen. Zeitweise steht der Weg komplett unter Wasser und es bleiben nur zwei Möglichkeiten: Augen zu und durch oder über die Mauer am Wegrand klettern und schauen, wie es auf der Gegenseite der Mauer aussieht. Da das Wasser häufig zwischen den Mauern steht klettere ich des Öfteren über die Mauer und laufe auf der Gegenseite weiter.

                                                             

Die Bäume sind nach wie vor mit Flechten bewachsen, durch die Bäume ergeben sich immer wieder schöne Blicke in´s das Tal und ich kann sehen, wie hoch ich heute schon wieder aufwärts gelaufen bin. Mein Herz höre ich in der Anstrengung bis in die Ohren schlagen, ich bleibe kurz stehen, mache Fotos, genieße den Blick und laufe weiter.


Fast auf der Höhe angekommen sehe ich den Eingang zum Tunnel durch den Pardonelo-Pass. Einige Mitpilger möchten die letzten Höhenmeter durch den Tunnel verkürzen, Karin und Hannes haben direkt die Straße genommen. Mir geht es gut und ich bleibe auf dem Originalweg, auf die wenigen Höhenmeter die jetzt noch anstehen kommt es auch nicht mehr an. Was haben die Pilger auf der Straße heute nur verpasst. Ich genieße jeden Schritt und freue mich über das gute, von mir nicht erwartete Wetter, die Schönheit und die Ruhe des Weges. Auf einem Wiesenweg geht es noch eine Weile aufwärts, dann stehe ich auf der Höhe des Pardonelo-Passes.


Auch ich Flachlandtiroler habe diesen Aufstieg gemeistert, Wolfgang hat mich Schwierigkeit des Passes hingewiesen und sich zum wiederholten Mal für den Tunnel entschieden – er hat den Pass noch auf keinem seiner Wege auf dem Fußweg überquert.
Was war der Weg bisher schön, ständig begleitete mich bis hierher das Rauschen der Bäche, Wasserfälle, die Ausblicke – den Hund vergesse ich einfach.


Abwärts finde ich keine Wegweiser, laufe einmal in die falsche Richtung, finde dort komischerweise aber einen Wegweiser in die Richtung aus der ich gekommen bin (wahrscheinlich kommt der Straßenweg hier wieder auf den Fußweg). So beschließe ich den Tritten im Sandboden zu folgen und hoffe, dass die Abdrücke von Pilgern kommen. Der Weg führt hinab an die Autobahn und entlang der Straße, wo ich das mir von Bildern bekannte, Hotel am Padornelo-Pass sehe. In der Bar des Restaurants mache ich eine Pause und erhole mich bei einem Kaffee und einem Schokoladen-Croissant. Anschließend geht es eine Weile abwärts an der Nationalstraße entlang. Es ergeben sich schöne Blicke über die benachbarten Täler. Argwöhnisch beobachte ich die wieder größer werdenden Wolken am Himmel, ab noch stellen sie keine Gefahr dar. Im Dorf Pardonelo finde ich mal wieder keinen Wegweiser und bevor ich falsch laufe frage ich einen Bauern am Wegesrand. Dieser versteht meine Frage direkt und klopft lachend auf einen Laternenmast. Dort, direkt vor mir, ist ein dicker gelber Pfeil angemalt. Warum ich diesen Wegweiser nicht gesehen habe ist mir schleierhaft, aber ich bedanke ich lachend und laufe weiter.


Abwärts der Straße schlängelt sich ein kleiner Pfad in Serpentinen und vielen Kurven am Rand eines Tales lang. Es ist malerisch,  Granitfelsen, Ginster, Heide in weiß und lila, kleine dunkelblaue Blumen auf dem Boden. Meine Energie schwindet langsam und ich frage mich, welches der zu sehenden Dörfer im Tal mein heutiges Tagesziel ist.


Am Wegesrand verläuft ein kleiner Bach, manchmal auch auf dem Weg. Bis zum Ende der heutigen Etappe bleibt es immer wieder feucht und nass auf dem Weg. In einem winzigen Dorf treffe ich eine Bäuerin und komme kurz mit ihr in ein Gespräch. Die nette Dame verweist mich auf meine angebliche vor mir laufende Partnerin. Ich erkläre, dass ich alleine unterwegs bin und niemanden vor mir gesehen habe, seit meinem Start. Die Bäuerin kann nicht verstehen, dass zwei Frauen alleine auf dem Weg sind und ich frage mich, wer da wohl vor mir auf dem Weg ist, da ich keine zweite alleine laufende Pilgerin kenne. Karin kann es nicht sein, da sie mit Hannes zusammen läuft. Mal sehen, vielleicht treffe ich die Pilgerin in Lubián?! Die nette Dorfbewohnerin möchte mir den Weg durch das Dorf zeigen und ich lasse mich von ihr durch das Dorf begleiten, auch wenn die Ausschilderung deutlich ist.



Die Bewohner sind alle so lieb und hilfsbereit, die Hilfe möchte ich nicht ausschlagen und verabschiede mich am Dorfende, das nur wenige Meter vom Dorfeingang entfernt liegt. Um zahlreiche Kurven geht es weiter auf und ab bis nach Lubián. 



Ich weiß nicht wo die Herberge in Lubián liegt, aber gleich das erste Haus sieht stark nach Herberge aus – auf der Wäscheleine am Balkon hängt verdächtige Pilgerkleidung – und ich höre bekannte Stimmen. Und tatsächlich, an der Eingangstür hängt das Herbergsschild. Karin, Martin und Hannes sind schon da. Die Betten der Herberge erschrecken mich sehr. Die Matratzen sehen nicht vertrauenswürdig aus, die Wolldecken eben so wenig – aber was anderes gibt es hier nicht.


Ich suche mir das optisch am wenigsten schmuddelig aussehende Bett und eine „gute“ Wolldecke. Mit der Wolldecke decke ich die Matratze ab und gehe in die Dusche. Das Wasser ist heiß und da nach mir noch niemand eingetroffen ist, bleibe ich, obwohl ich eigentlich gewaschen bin, eine kurze Zeit genießend unter der heißen Dusche stehen. Genussduschen ist Luxus auf dem Weg, und in einer vollen Herberge nicht möglich – man möchte niemanden das heiße Wasser wegnehmen. Nach der Dusche mache ich mich auf den Weg in´s Dorf um eine Bar zu suchen, die am Dorfende liegt. Karin, Hannes und Martin sind auch schon dort, ein Menü gibt es nicht. Zeitgleich mit mir trifft eine Bäckerin des Dorfes ein und bringt eine riesige Empanada, die eigentlich in kleinen Stücken als Beilage zu Getränken serviert wird. Ich lasse mir ein großes Stück abschneiden und freue mich über die gute Mahlzeit – Karin, Hannes und Martin haben nur ein Bocadillo bekommen. Gestärkt mache ich mich auf den Weg zurück zur Herberge, setze mich aber noch auf eine Bank in der Sonne.



Ein halbgroßer schwarzer Hund kommt schwanzwedelnd auf mich zu. Mit Respekt schaue ich dem Hund eine Weile zu, habe aber keine Angst vor diesem Dorfexemplar. Der Hund ist verschmust, kommt zu mir und legt seinen Kopf auf meinen Schoß und schaut mich mit seinen Knopfaugen an. Eine Weile kraule ich den schwarzen Kopf, dann entschwindet der Hund wieder im Dorf. Die Eingangstür zum Glockenturm der Dorfkirche ist geöffnet. Im Dunkeln taste ich mich durch die Dunkelheit auf den Kirchturm und schaue durch die Gegend. Der Abstieg stellt sich etwas komplizierter dar – ich kann nichts sehen, die Stufen sind sehr uneben, aber irgendwie komme ich wieder unten an. In der Herberge zurück, treffe ich auf Wolfgang, es hat sich in der Zwischenzeit gut gefüllt, Dietmar ist auch wieder da.


Ab Lubián/Galicien gibt es wieder andere Wegweiser. Der Pfeil und Pilgersymbole sind in einen Stein gehauen und markieren so die Wegführung, auch an die in der Gegend von Lubián leben Wölfe wurde in Form eines Brunnens gedacht.


Gegen Abend verspricht der Blick nach draußen kein gutes Wetter für den Folgetag, alles ist grau, die Wolken hängen tief, es fängt an zu gewittern und mir bleibt wieder nichts anderes, als für den Folgetag auf gutes Wetter zu hoffen.

Dia-Show:
Rionegro del Puente bis Lubián

1 Kommentar:

  1. Kann nur bestätigen,liebe Anne,dieser Wegabschnitt war der schönste,wenn du auch Pech mit dem vielen Regen hattest und trotzdem hast du fleissig Fotos gemacht.
    Vielen Dank
    heinz

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