Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Xunqueira de Ambia - Ourense

28. April 2011 
Xunqueira de Ambia – Ourense
23,4 Kilometer

Ich bin in Ourense, ca.110 Kilometer vor Santiago de Compostela. Ourense entspricht in etwas der Entfernung von Sarria nach Santiago auf dem Camino Francés. Wer auf der Via Plata laufend die Compostela erhalten möchte, muss also hier spätestens seinen Weg beginnen.
Froh, dass ich ein Fensterbett in Xunqueira ein Fensterbett zu haben, benötige ich erst etwas länger zum Einschlafen. Das Fensterphänomen hat sich auch nach 400 Kilometern, die ich nun schon gelaufen bin, nicht geändert. Die Spanier lieben es nach wie vor in stickigen, warmen Räumen zu schlafen – frische Luft könnte gefährlich sein. Argwöhnisch habe ich „mein“ Fenster im Auge, damit es mindestens einen Spalt breit auf bleibt.
Als ich um 6.15 Uhr kurz aufstehe um zur Toilette zu gehen, bin ich erstaunt beim Wiedereintritt in´s Zimmer nur noch leere Betten vorzufinden. Alle meine Mitpilger sind in den wenigen Minuten aufgestanden. Kurz überlege ich mich noch für ein viertel Stündchen hin zu legen, aber begebe mich dann doch an das übliche Morgenritual und bereite alles für den Abmarsch vor.
Durch das kleine Städtchen führt der Weg schnell wieder auf Wiesenwege hinaus aus dem Dorf. Laut meinem Reiseführer führt der Weg heute überwiegend nur auf dem Seitenstreifen einer Landstraße, durch die Vororte von Ourense in die 110.000-Einwohner-Stadt.
Seit Zamora, also seit 340 Kilometern bin ich nur durch kleine Dörfer und kleinste Städtchen gelaufen.
In Ourense ist Hannes mit Martin verabredet. Vor 5 Tagen in A Gudina hat sich Martin von seiner Laufbegleitung Hannes getrennt um sein geschwollenen Knöchel zu schonen – die letzten 100 Kilometer wollen sie gemeinsam zurücklegen. .

Hannes und Karin laufen vorweg, Mikel aus Manchester und ich mit geringem Abstand hinterher. Mit Mikel ergeben sich tolle Gespräche, die ich sehr genieße, deren Inhalt hier aber nicht hingehören – gerne wäre ich ihm schon eher begegnet.



In der ersten Bar am Wegesrand nach einigen Kilometern treffen wir auf die beiden Österreicher und kehren ebenfalls auf einen Kaffee und eine Madeleina ein, Tostadas gibt es leider nicht. Nach 20 Minuten und meiner üblichen Umziehprozedur (im langärmeligen Shirt wird es zu warm) laufen wir weiter. Die Etappe ist unspektakulär. Grüne Hügel liegen rechts und links von der Straße, aber ich kann den Blick nicht genießen. Die Spanier rasen in einem irrsinnigem Tempo über die kleine Landstraße, der Abstand zu uns Pilgern ist nicht wirklich groß.


An den Häusern am Straßenrand kann man erkenne, das man in den Randbereich einer Stadt kommt. Die Dörfer am Stadtrand von Ourense sind gut hergerichtet, moderne Häuser mit hergerichteten Ziergärten säumen den Straßenrand. Alles ist modern und ordentlich, aber der Charme der verwunschenen einsamen Dörfer ist hier nicht zu spüren. Eine zweite Pause in einer kleinen Bar am Straßenrand folgt, danach geht es nach Ourense hinein.
Am Straßenrand sehe ich eine alte Bauernfamilie beim Bestellen des Ackers. Der Acker wird wie vor Jahrhunderten hergerichtet, mit Esel und Pflug. So etwas hätte ich hier in der Stadt nicht erwartet, aber auch hier gibt es noch das ursprüngliche, einfache Leben.


Der Weg führt über die Bahnschienen, obwohl in einiger Entfernung eine Unterführung zu sehen ist. Wir klettern das Gleisbett hinauf, schauen rechts und links und klettern schnell auf den Weg hinunter. Ob ich Mikel nach der heutigen Etappe noch einmal wieder sehen werde, weiß ich nicht. Ich glaube es nicht, denn er möchte in Ourense einen Ruhetag einlegen und sich die Stadt ansehen. Er fragt, ob ich mich nicht auch einen Pausentag einlegen möchte, aber mein Entschluss steht fest: Ich laufe weiter. Gestern bin ich extra eine Doppeletappe gelaufen um die Möglichkeit zu haben, den Atlantik zu Fuß erreichen zu können – und der Atlantik war von Beginn an mein Ziel auf dieser Reise. Die intensive Begegnung mit dem Briten war toll, aber dabei wird es bleiben. Man trifft sich auf dem Camino und man verliert sich wieder – das ist der Weg.


Die vollen Straßen in Ourense schrecken mich ab. Seit 18 Tagen laufe ich durch die Einsamkeit Spaniens und nun dieser Trubel, dieses quirlige Leben. Wie so häufig ist die Albergue so ungefähr das letzte Haus in der Stadt und ich folge der Hauptstraße eine ganze Weile. Die Herberge in einem alten, restaurierten Kloster gelegen, hat noch geschlossen.
Ich setze mich auf den Sockel des Wegkreuzes vor der Herberge und warte dass die Herberge in einer halben Stunde geöffnet wird. Viele mir bekannte Gesichter trudeln so nach und nach ein, aber voll wird es auch in dieser Herberge nicht werden.
Obwohl es draußen sehr heiß ist, laufen im Eingangsbereich der Herberge die Heizungen. Da es draußen in der Sonne keine Wäscheleinen gibt, hänge ich meine gewaschene Kleidung über die warmen Heizkörper und mache mich anschließend auf zur Stadtbesichtigung.




Mit den Österreichern esse ich in einer Stadtbar eine Racion Pimientos Padron und beschließe beim anschließenden Stadtrundgang einige Samen dieser leckeren Paprika zu kaufen – falls ich sie finde. Karin und Hannes laufen zur Herberge zurück und ich breche zum Stadtrundgang auf. In der Sakristei der Kathedrale lasse ich mir meine Credencial stempeln. Ich habe noch genügend leere Stempelfelder, so dass ich mir von besonderen Orten noch einen Extrastempel geben lassen kann. In der Fußgängerzone treffe ich auch Karl-Martin, der mir erstmals in Laza begegnet ist, wieder. Ich folge den gelben Pfeilen bis zum Rio Mino und besichtige die beiden Brücken. In nur geringer Distanz zueinander befinden sich die alte Römerbrücke und die neue, moderne Brücke über den Fluss. Seit meinem ersten Camino faszinieren mich diese schönen Brücken.
Zu erst laufe ich über die Römerbrücke und steige dann an´s Flussufer hinunter und laufe flussaufwärts zur modernen Brücke. Leider gibt es keinen Weg hinauf und so laufe ich über den Wiesenhang zum Brückengeländer und kletter hinüber. Jetzt erst erkenne ich, dass es sich bei den geschwungenen Bögen über die Brücke um Treppenstufen handelt. Ein wirklich interessante Konstruktion, lohnenswert anzuschauen. Morgen früh in der Dunkelheit und in einigen 100 Metern Entfernung zu alten Römerbrücke hätte ich das Bauwerk kaum betrachten können.
Auf dem Rückweg zur Herberge komme ich an einer Blumenhandlung vorbei und finde tatsächlich Samen für die schmackhaften Pimientos Padron. Vielleicht habe ich Glück und ich kann in einigen Monaten Pimientos ernten, laut Packungsbeilage könnte es jahreszeitlich gerade eben noch klappen. In der Bar neben der Herberge sitzen meine Österreicher und warten auf das Erscheinen von Martin. Martin ist bislang nicht erschienen und ich glaube auch kaum, dass er abends noch erscheinen wird. Wäre er noch in der Stadt, wäre er längstens da – aber das ist nicht mein Problem.

Plötzlich sehe ich auf der anderen Straßenseite Vincenzo, den italienischen Küchenchef aus Tabara, laufen. Ich rufe ihn, er erkennt mich und läuft lachend auf mich zu. Auch Vincenzo habe ich nur einmal auf dem Weg getroffen, aber ich hätte nie gedacht, dass ich ihn noch einmal treffe. Vincenzo berichtet mir stolz von seinem Weg, und dass er gerade auf der Rückreise von Santiago ist. Vincenzo hat es tatsächlich geschafft 5 Tage schneller zu sein als ich – und befindet sich auf der Heimreise. Morgen geht sein Bus von Ourense nach irgendwo.
Martin taucht bis abends nicht mehr auf, wo auch immer er steckt. Hannes, Karin und ich werden morgen wieder gemeinsam aufbrechen und uns spätestens in der Herberge in Cea wieder treffen.

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