Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Gernika - Bilbao

24. Juni 2012
Gernika – Bilbao

So erschöpft wie ich am Vortag war, bin ich bereits um 20.30 Uhr in mein Hotelbett gefallen und direkt eingeschlafen. Meinen Handy-Wecker habe ich mir nicht gestellt, da ich bis zur Abfahrt des Busses um 10.30 Uhr sicher von alleine wach bin.
Nach einem tiefen, erholsamen, aber traumlosen Schlaf werde ich morgens um 7 Uhr wach. Nichts, absolut gar nichts habe ich aus der Altstadt und von meinen Mitpilgern und Mitbewohnern im Hotel gehört.
Ich bleibe noch eine Zeit lang wach und träumend im Bett liegen, dann stehe ich auf.
Welch ein Unterschied! Wenn ich in der Herberge übernachte, ist mein Rucksack abends schon gepackt und der Rest hängt ordentlich am Bettgestell. Hier in meinem Hotelzimmer liegt alles einzeln rum. Obwohl ich meinen Schlafsack nicht benötigt habe, liegt er auf einem Stuhl (aber mit Verpackung), die Kleidung liegt unordentlich auf den Stühlen und der Kommode, im Bad liegt mein Kulturbeutel (oder das was Pilger als Kulturbeutel bezeichnen: ein Zipp-Beutel (Gefrierbeutel) mit dem Nötigsten). In aller Ruhe packe ich alles zusammen und verlasse danach, auf der Suche nach einer Bar, das Hotel.
Die Bar des Hotels hat noch geschlossen, aber in der nächsten Seitenstraße sehe ich eine geöffnete Bar. Ich betrete diese und sehe an einem Tisch eine etwas ältere Person sitzen, die eindeutig als Pilgerin zu identifizieren ist. Nach meiner Kaffeebestellung werde ich an den „Pilgertisch“ gebeten. Ich stelle mich vor und erfahre, dass mein Gegenüber Henrike aus den Niederlanden ist. Warum ich Henrike bisher nicht getroffen oder kennen gelernt habe, finde ich nicht heraus. Aber ich erfahre, dass sie Luna und Tatjana kennt und dass heute, gemeinsam mit Luna und Tatjana, den Bus nach Bilbao nehmen möchte. Scheinbar nicht nur ich, sondern auch einige Mitpilger, setzten sich mit dem Gedanken auseinander Bus zu fahren. Ich erzähle, dass ich heute den Bus hinauf nach Morga nehmen möchte und von dort bergab nach Lezama zu laufen, am Folgetag nach Bilbao. Henrike, Luna und Tatjana möchten bereits heute in Bilbao ankommen, da das Guggenheim-Museum montags geschlossen ist.
Das ist allerdings ein Argument! Die Kultur darf für mich auch auf einem Pilgerweg nicht zu kurz kommen, das Guggenheim-Museum kann ich mir auf keinen Fall entgehen lassen – es stand von Anfang an auf meinem Plan. Kurz entschlossen disponiere ich um. Auch ich werde nachher den Bus nach Bilbao nehmen. Einen zusätzlichen Tag Pause möchte ich in der Großstadt nicht verbringen, mich reizt die Einsamkeit und die Ruhe der Natur wesentlich mehr als eine quirlige Großstadt. Da es bis zur Abfahrt des Busses noch fast zwei Stunden hin ist, schaue ich mir Gernika noch etwas genauer an. Gestern war ich so müde, dass ich von Gernika fast nichts mehr gesehen habe. Leider ist die Kathedrale geschlossen, der Park auch und so schlendere ich gemütlich durch die frühe, aber schon warme Sonne.



 Auf meinem Rückweg zum Busbahnhof sehe ich, dass die Kathedrale inzwischen geöffnet ist und ich schaue sie mir kurz an – kann mich aber für dieses Bauwerk nicht begeistern. Wie kann man direkt hinter dem Altar einen Flachbildschirm an die Wand dübeln? Auf dem Bildschirm flimmern irgendwelche Texte und Bilder. Vielleicht gehört die Präsentation zur Predigt des bald beginnenden Gottesdienstes, aber vorstellen kann ich es mir nicht.


Frühzeitig bin ich am Busbahnhof und warte auf meine Mitpilgerinnen. Spontan entschließe ich mich dazu in der Jugendherberge von Bilbao anzurufen. Vielleicht kann ich ein Bett reservieren, denn auch in Bilbao gibt es keine eigene Pilgerherberge. Das Gespräch mit der Jugendherberge verläuft gut. Vor einem Jahr habe ich es mir nicht vorstellen können in spanisch zu telefonieren. Auch jetzt, nach drei Aufenthalten in Spanien, ist mein spanisch weiterhin sehr rudimentär, aber ich traue es mir zu. Ich stelle mich am Telefon in spanisch als deutsche Pilgerin vor, die ein Bett für die Nacht braucht. Danach schwenke ich auf englisch um und erfahre, dass die Jugendherberge etliche freie Zimmer hat, diese telefonisch aber nicht vergibt. Ab 14 Uhr kann man an der Rezeption einchecken. So habe ich zwar noch kein Bett für die Nacht, aber ich weiß, dass es Sinn macht in der außerhalb gelegenen Jugendherberge vorbeizuschauen.


Luna, Tatjana und Henrike treffen kurz vor der Abfahrt des Busses ein und wenig später sind wir schon in Bilbao. Der Bus fährt in einer halben Stunde nach Bilbao, wir hätten für den Fußweg zwei Tage benötigt. In Bilbao fragen wir uns zum Guggenheim-Museum durch.
Das Museum ist auch äußerlich ein Kunstwerk.


Ohne dass wir es besprechen, trennen wir uns voneinander. Jeder schaut und guckt sich von außen das Museum an. Vor dem Museum steht der bekannte, große „Blumenhund“ Puppy. Die Farben des Blumenkunstwerkes schimmern vor dem strahlend blauen Himmel.


Das Museum ist von einem Wasserbecken umgeben. Irgendwann fängt das Wasser von jetzt auf gleich an zu dampfen. Ich nehme an, dass es sich auch dabei um Kunst handelt – weiß es aber nicht.


In einem dieser niedrigen Wasserbecken steht ein Kunstwerk aus Spiegelkugeln, auf einer Insel hinter den Kugeln, wohl aber nur vom Museum aus zu betreten liegt ein farbiges Kunstwerk. Diese Bilder habe ich beim Vorbereiten des Weges, beim Beschaffen der Informationen alle gesehen, auch das große spinnenartige Monstrum auf der einen Seite des Gebäudes.





Ich kaufe mir eine Eintrittskarte und danach geht es zu wie in der Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen. Ich muss meinen Rucksack abgeben, ebenso meine Wanderstöcke und alles wird durchleuchtet bevor ich eine Nummer für mein Gepäck bekomme.
Mit den Kunstwerken im Museum kann ich nicht so viel anfangen. Es gibt eine Ausstellung mit Bildern von David Hockney, aber für mich sehen die vielen Bilder so aus, als ob auch ich sie mal ebenso dahinpinseln könnte. Vielleicht liegt gerade da die Kunst drin, man sieht nicht, dass es Kunst ist – oder die Kunst liegt darin, so viele Bilder vom gleichen Motiv zu malen.
Ich weiß, dass ich keine Ahnung von Kunst habe, aber die Ausstellung haut mich nicht um, das Gebäude auch von innen zu betrachten macht mir Spaß.
Im Museum treffe ich auch Ida aus Madrid wieder, ebenso die Koreanerin Nanda. Ida und Nanda mussten am Vortag von Gernika nach Bilbao weiterfahren, da es in der ganzen Stadt Gernika keine Unterkunft mehr gab. Irgendwie finde ich es schade, dass es zu solchen Situationen kommt. Der Weg ist wirklich nicht überlaufen, aber viele Städte stellen keine Unterkünfte für Pilger bereit. Die Jugendherbergen können von allen gebucht werden – es sind Ferien viele junge Familien und Kinderfreizeiten haben günstige Unterkünfte gebucht – aber der Pilger bleibt dabei auf der Strecke. Pilger, die nicht bei Sonnenaufgang starten, weitere Distanzen laufen oder einfach nur langsamer laufen, sich Zeit zum Erleben der Natur oder für Pausen nehmen, bleiben auf der Strecke. Schade!
Als ich mir meinen Rucksack in der Gepäckausgabe abhole treffe ich die Slowakin Tatjana wieder. Tatjana traut sich den Weg zur weiter entfernten Jugendherberge nicht zu, weiß nicht wie sie sich im fremden Land orientieren oder den Weg erfragen kann. Ich warte auf sie bis sie mit ihrem Rucksack zurück ist, dann machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Neben dem Museum gibt es eine Information und dort habe ich mir bereits den Weg zur Jugendherberge erfragt. Wir nehmen eine Straßenbahn bis zum großen Busbahnhof, dann frage ich nach dem Fußweg. Entgegen den Aussagen von der Information, ist der Weg bis zur Herberge angeblich zu Fuß nicht machbar und wir werden an einen Bus in der Nähe verwiesen. Mit dem Bus fahren wir zwei oder drei Stationen den Berg hinauf. Zuvor scherze ich noch, dass die Jugendherberge bestimmt das große Gebäude hoch oben auf dem Berg ist, und wenig später steigen wir eben vor diesem Gebäude aus.


An der Rezeption stehen schon andere Pilger, aber es gibt genug Betten für alle. Tatjana und ich beziehen ein Zweibettzimmer.
Da ich heute nicht gewandert bin fällt die Großwäsche aus, die Kleidung wird nur zum Lüften aufgehängt. Danach verabschiede ich mich von Tatjana – nun weiß sie wie sie zur Herberge kommt – und fahre mit einem anderen Bus in die Altstadt von Bilbao. Einen wirklichen Plan wie ich den Nachmittag verbringen möchte habe ich nicht, aber ich lasse mich treiben.


Leider ist die Santiago-Kathedrale geschlossen. Auf einer Plaza nehme ich als Ersatz zum Mittagessen einige Pinchos zu mir und genieße das Treiben auf der Plaza und die Sonne.



Wie immer beim Stadtrundgang und bei Pausen habe ich meinen Pilgerführer bei mir. Ich studiere mal wieder die Wegbeschreibungen. Das Industriegebiet von Bilbao möchte ich nicht durchlaufen, ich möchte hinaus aus der Stadt und so werde ich morgen eine S-Bahn nach Portugalete nehmen, aber danach wird wieder gelaufen. Das Industriegebiet von Bilbao wird als hässlich beschrieben – nichts als Industrieanlagen. Da ich so aber nicht die bekannte Brücke von Portugalete zu Gesicht bekommen, entschließe ich mich spontan an einer Metrostation schon einmal nach Portugalete zu fahren. Ich mag Brücken – sie üben eine Faszination auf mich aus. Dabei meine ich nicht irgendwelche Kanal oder Autobahnbrücken, nein ich meine architektonisch interessante und historische Brücken. Auf der Via habe ich gerne Pause auf oder an römischen Brücken gemacht und diese betrachtet.
Die Metro bringt mich in 20 Minuten nach Portugalete und ich durchlaufe die Altstadt den Berg hinunter zur Brücke. In dem kleinen Städtchen herrscht ein reges Treiben und ich fühle mich in solchen Städten wir Portugalete wohler als in der Großstadt.



Die Hängebrücke von Portugalete besteht aus viel Metall. In 50 Meter Höhe kann man die Brücke auf einem Fußweg überqueren und es gibt eine an Seilen hängende „Fähre“, auf der man für wenige Cent den Fluss überqueren kann. Ich schaue eine Weile zu, treffe Diego – einen der Italiener – und nach einem kurzen Gespräch verabschieden wir uns wieder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Diego den kompletten Weg von Deba bis Portugalete in so kurzer Zeit gelaufen sein kann, aber er äußert sich auf mein Nachfragen nicht zu dem Thema. Ich stehe dazu, ich bin Bus gefahren, aber Diego schweigt zu diesem Thema.



Mit der Metro geht es zurück nach Bilbao und dieses Mal zu Fuß den Berg zur Jugendherberge hinauf. Der Weg ist gut zu laufen und für die Strecke lohnt sich der Bus und vor allem das Warten auf den nächsten Bus nicht.
Vor der Herberge treffe ich Luna und den Briten Edward, den ich zuvor nur kurz gesehen habe. Ich setze mich zu den Beiden und wir lachen und quatschen gemeinsam. In der Jugendherberge wird ein Menue zum Abend angeboten, wir sind spät dran und bekommen gerade noch etwas zu essen. Auch Henrike gesellt sich noch hinzu. Es wird ein munteres Abendessen, danach verabschieden wir uns zur Nachtruhe.


Auf meinem Bett sitzend mache ich noch meinen Tagebucheintrag, dann quatsche ich noch kurz mit Tatjana und dann geht es in´s Bett. Unterhalb der Jugendherberge verläuft die Autobahn und ich höre es kontinuierlich rauschen, aber trotzdem oder vielleicht wegen des gleichmäßigen Rauschens schlafe ich – auch wenn ich heute nicht wirklich weit gelaufen bin – direkt ein.

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