Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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spontane Heimreise


27. Juni 2012, später Vormittag
Islares – Bilbao – Münster

Nach dem kleinen, aber dennoch Kraft gebenden Frühstück laufe ich gemütlich zur Bushaltestelle. Als ich dort ankomme, stehen schon sehr viele Menschen an der Haltestelle – in wenigen Minuten kommt der Bus nach Castro Urdiales. Warum nicht nach Castro Urdiales? Gestern hat mir dieser Ort so gut gefallen, und eigentlich ist es schade, dass ich den schönen Strand und das gute Wetter nicht zum ausgiebigen Baden benutzt habe. Also gut, ich fahre erst einmal nach Castro Urdiales, der nächste Bus nach Laredo oder Liendo wird nicht so bald kommen.
In einem winzigen, aber sehr vollen und überhitzen Bus, fahre ich stehend nach Castro Urdiales. Als ich an der Stierkampfarena aussteige, sehe ich wo ich gestern einen Abzweig verpasst habe. Zufällig steht auf genau gegenüber von meinem aus Islares ankommenden Bus der Bus nach Bilbao.


Es ist glühend heiß und so langsam weiß ich, warum ich nach Castro Urdiales zurückgefahren bin. Ich werde hier, jetzt und sofort meinen Camino beenden. Ich habe immer gewusst, dass ich momentan dieser Strapaze nicht gewachsen bin. Ich habe es immer gewusst dass ich es dieses Jahr nicht schaffen werde, es war nur eine Frage der Zeit bis ich es mir selbst eingestehe und zugebe.
Dass ich bereits heute aufhören würde, habe ich heute Morgen, trotz aller körperlicher Beschwerden nicht geahnt. Die Entscheidung fühlt sich gut und richtig an und die spontane Entscheidung fällt mir ganz leicht – ich überlege gar nicht länger, denke nicht weiter nach. Ich steige in den Bus nach Bilbao ein und nur fünf Minuten später fahre ich mit dem Bus die Strecke zurück, die ich in den letzten zwei Tagen zu Fuß bewältigt habe. Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran, dass ich einfach noch einige Tage Kultur- und Badeurlaub machen könnte. Ich möchte einfach nur nach Hause.
Als ich in Bilbao aus dem Bus steige ist es glühend heiß, die Hitze schlaucht und um so glücklicher bin ich, als ich sehe, dass nur zwei Bussteige entfernt der Flughafen-Bus steht. Auch hier steige ich ein und es geht direkt los. Wenn das kein Zeichen ist! Drei Busse stehen zufällig und ungeplant immer gerade an der richtigen Stelle – es hat so sollen sein!
Das erste Mal seit Tagen fühle ich mich total gut und beschwingt und weiß, dass alles was ich so gerade tue richtig ist. Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran, weiter zu laufen.
Ich bin nicht gescheitert, ich habe es versucht – und ich habe es auch geschafft – nur nicht die ganze Strecke. Aber wie man immer wieder hört und liest: Die Strecke des Küstenweges durch das Baskenland ist der schönste und auch schwierigste Teil des Camino del Nortes und diesen Weg habe ich geschafft. Es war nicht leicht, schmerzfrei schon gar nicht, aber ich habe ihn geschafft!
Am Flughafen klappere ich alle Fluggesellschaften ab und kann einen Flug für den Nachmittag buchen. Der Flug ist nicht wirklich günstig, aber wenn ich mich hier in Bilbao noch für einige Tage in ein Hotel einquartiere um auf einen billigeren Flug zu warten, werden die Gesamtkosten auch nicht günstiger.
Vom Flughafen aus melde ich mich kurz mit einer sms bei meiner Familie, die etwas überrascht, aber nicht unglücklich über diese Entscheidung ist. Die Stunden am Flughafen vergehen relativ schnell. Als erstes ziehe ich meine Wanderschuhe aus und laufe nur noch im meinen Crocs umher. So hässlich wie die Dinger sind, so bequem sind sie auch.
Von Bilbao geht es über Palma mit einigem Aufenthalt nach Düsseldorf. Leider dauert die Gepäckausgabe in Düsseldorf sehr lange und so verpasse ich den letzten Zug nach Münster. Ich erkundige mich nach einem Hotel in Flughafennähe, weil ich einfach nur müde und kaputt bin, aber die Preise lassen mich schnell wieder erwachen. Nein, Danke! Dadurch dass ich bis zum nächsten Zug noch Zeit habe, kann ich noch das Elfmeterschießen der Europa Meisterschaft von Portugal und
Spanien in einer Flughafenkneipe anschauen. Spanien gewinnt und der Jubel ist riesengroß von allen Reisenden.

Der Zug hat leider Verspätung und so zieht sich die Wartezeit noch um eine weitere halbe Stunde heraus. Morgens um 5 Uhr bin ich endlich nach einem langen Tag wieder zurück in Münster. Erst einmal ausschlafen in meinem Bett und dann werde ich sehen, welche Überraschungen mein Resturlaub daheim noch für mich bereithält.

Es war keine falsche Entscheidung mich auf den Weg zu machen, aber es war auch die richtige Entscheidung den Weg zu beenden. Ich habe es keine Minute bereut und ich erfreue mich an dem zurückgelegten Weg.
Ob ich mich noch einmal auf den Weg mache? Pilgere ich den Camino del Norte vielleicht irgendwann noch zu Ende?
Die Zeit wird es zeigen, es wird sich – wie so fast alles im Leben – ergeben, und wie es sein wird, es wird kommen wie es kommen muss.

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