Die Geschichte meines Jakobsweges

2008 Camino Frances, Pamplona -Santiago de Compostela, 2010 Via de la Plata, Sevilla - Salamanca, 2011 Via de la Plata, Salamanca - Santiago + Camino Finisterre, 20212 Camino del Norte, Hondarribia - Gurriezo, 2014 Camino Primitivo, Oviedo - Santiago, 2017 Camino Ingles, Ferrol - Santiago, 2022 Camino Portugues, Porto - Santiago, 2024 vier Caminos ein Weg, Via Tolosana - Camino Piamonte, Camino Frances, Camino Baztan entgegen der Richtung: im Zickzack durch das Baskenland: Artigelouve - Oloron Saint Marie, Saint Jean Pied de Port - Trinidad del Arre - Bayonne

Monasterio Urdax - Ustardix

 18. September 2024

Monasterio Urdax – Ustardix          21,3km
Das Gespräch vom Abendessen mit dem Pilger geht mir, schon im Schlafsack liegend, noch durch den Kopf. Diese besonderen Begegnungen habe ich immer auf den ruhigen Nebenwegen.
Sowohl die US-Amerikanerin, die das erste Mal einen Camino läuft, als auch mein spanischer? Mitpilger, laufen wie auch ich, nicht nach Santiago. Wir alle laufen nur über einen kürzeren Zeitraum. Mein Pilgerkollege ist auch schon viele Wege gelaufen und er sagt wie es ist: Der Weg ist das Ziel. Santiago ist eine schöne Stadt, auf unseren Wegen nur der kleinste Teil der Reise. Ein schönes Ziel und ohne die Kathedrale mit ihrer Legende des Jakobus gäb es den Weg nicht. Es ist schön dort anzukommen und die Atmosphäre und das Glücksgefühl zu erleben, aber viel wichtiger ist alles, was man in der Zeit bis zum Ziel erlebt.
Nachdem mir eine campingerfahrene Pilgerfreundin vor dem Einschlafen noch schreibt, dass es besser ist, im Schlafsack nicht so viele Lagen Kleidung zu tragen, zwecks Wärmespeicher etc. ziehe ich zum Schlafen wieder einige Schichten aus, und in der Nacht friere ich tatsächlich nicht.
Morgens hänge ich meine komplett feuchte, gestern gewaschene Kleidung an meinen Rucksack und laufe als mobiler Wäscheständer durch die Gegend. Nicht, dass das Ganze schick aussieht, aber die Sonne wird bald wieder herauskommen und bis zu meiner Ankunft in Ustardix wird alles trocken sein. Nachdem ich meinen letzten Teebeutel aufgebrüht habe, mein trockenes Baguette von gestern darin eingeweicht habe, geht es um 8.00 Uhr nach draußen und auf in den neuen Tag.
Morgen starte ich zum letzten Mal auf dieser Reise. Es ist gut anzukommen, die Tage verfliegen einfach so und plötzlich ist man da. Auch wenn ich nur 13 Tage im Gesamten laufe, spüre ich, dass mein Körper Ruhe braucht und erschöpft ist, aber ich bin so stolz auf meine Beine, dass sie so gut mitmachen. Blasen habe ich auch keine - und all das ohne besondere Fußpflege, ohne Hirschtalg, Blasenpflaster, Tape etc. Die Schuhe und Strümpfe müssen zum Fuß passen und eine Einheit geben.
Daheim habe ich verschiedene Wandersocken aus meiner Kollektion mit dem "neuen" Schuh getestet. Die Socken von Falke waren zu dick vom Material, meine No-Name-Socken waren zu warm, aber mit den Socken aus dem Merinomix sitzen sie hervorragend.
Vor zwei Jahren ist mir auf dem ersten Tag des Camino Portugues von jetzt auf gleich die Sohle von meinen guten Wanderschuhen abgefallen. Sie waren wohl doch zu alt, haben zwischenzeitlich zu lange ungenutzt im Schrank gestanden. Damals bin ich mit dem Taxi zum nächsten Decathlon am Stadtrand von Porto gefahren und habe innerhalb von ganz kurzer Zeit neue Wanderschuhe gekauft. Ich musste das nehmen womit ich mich auf die Schnelle wohl fühlte und noch nie hatte ich so viele Blasen wie auf dem Weg.
Obwohl die Wege gut sind, es sind mal wieder breite Feldwege, kleine Landstraßen, Schotterstraßen etc., und ich mich gesundheitlich gut fühle, merke ich, dass meine Beine sehr müde sind. Die Steigungen fallen mir heute schwer, sind aber nicht so hoch. Ich schwitze und oftmals muss ich bei den Anstiegen kurz stehen bleiben. So ganz ist heute nicht mein Tag.



Als ich in einem Anstieg um eine Kurve laufe, sitzt dort mal wieder ein gewaltiger Vogel auf einem Stein. Leider ist er zu weit weg um zu erkennen, ob es ein Adler oder ein Geier ist, aber der Vogel beeindruckt mich. Ich komme mit einer einheimischen jungen Frau auf einem Spaziergang in´s Gespräch und sie erzählt mir, dass der Vogel/diese Vogelart dort oben regelmäßig sitzt. Leider reicht mein Sprachverständnis nicht aus, um die Vogelart zu erfragen - aber ich glaube es ist eine Adlerart. Noch öfter drehe ich mich im Laufen um und schaue auf den Vogel zurück.



Immer wieder geht es auf und ab, auch wenn die Steigungen nicht mehr so groß und langgezogen sind. Heute kommen mir mehr Pilger als in den letzten Tagen entgegen, aber die Menge ist sehr überschaubar, aber ich schätze, dass es mehr als 10, aber weniger als 15 Personen gewesen sind.



Ob der ursprünglich von mir geplante Weg zum Col de Somport und weiter nach Pamplona bergiger gewesen wäre, als der Piamonte, die drei Tage Frances und jetzt der Baztan? Ich weiß es nicht. Ich stelle mir auch die Frage, ob der Primitivo mehr oder weniger Höhenmeter auf die Gesamtstrecke gerechnet, gehabt hat. Auf dem Weg zum Somport wäre ich auf jeden Fall in den ersten drei Tagen höher hinauf gelaufen, bis auf 1600 Meter. Der Ibanetapass liegt bei 1300 Meter, der höchste Punkt auf dem Baztan bei 900 und... Meter. Es ist egal, aber die Frage stelle ich mir.



Ich laufe stillvergnügt vor mich hin und komme an die Stelle, die zwei Wegvarianten bietet. Entweder kann ich über Espelette laufen (dort übernachten etliche Pilger) oder über Souraide. Kurz bevor ich mich entscheiden muss, komme ich in´s Gespräch mit einer Joggerin und sie meint, dass der Weg über Souraide etwas länger, aber schöner wäre. Wie lang die Streckendistanz ist, keine Ahnung? Aber es ist mir egal, groß kann der Umweg nicht sein und so laufe ich über Landstraßen über Souraide nach Ustardix weiter. Unter einem großen Baum steht eine Bank und ich setze mich kurz hin und esse einen kurz zuvor gepflückten Apfel. Auch heute gibt es keine Einkehrmöglichkeit am Wegesrand.


Wahrscheinlich wäre es in Espelette anders gewesen, aber es ist okay so wie es ist. Vielleicht hätte es auch in Souraide etwas zu Trinken gegeben,
aber in die Ortschaft bin ich nicht abgebogen, weil ich dort nicht übernachten möchte.

Kurz vor oder hinter Espelette steht ein Gebäude am Wegesrand, dessen Türen weit geöffnet sind. Die Holzregale sind voll mit Chili- oder roten Paprikaschoten. Vorsichtig schaue ich von außen in den Raum hinein und werde von einem Bauern hineingebeten. Liegen die Paprikaschoten zum Trocknen in den Regalen? Ich weiß es nicht, aber es sieht interessant aus und ich meine einen leichten Duft von den Früchten riechen zu können. 


Zum Schluss geht es durch einen Wald und einige Naturwege und dann erreiche ich Ustardix. 




Das Pfarrhaus liegt direkt neben der Kirche, der Weg führt daran vorbei. Die Adresse vom Pfarrhaus steht als Unterkunft mit im Verzeichnis, aber es handelt sich nicht um eine "normale" Herberge.

Der Priester der katholischen Kirche in Ustardix lädt Pilger in sein Haus ein. Ich klingel und mir wird von einer Pfarrsekretärin geöffnet. Ich bekomme meine Credencial gestempelt, dann wird der Priester geholt. Man begrüßt mich und führt mich durch das Wohnhaus. In einem Anbau gibt es einige Räumlichkeiten für Kirchenveranstaltungen, Kommunionsunterricht und Gruppen. Neben die Tische stellt man mir ein Klappbett, holt eine Matratze und baut mir so ein Lager für die Nacht. Im anderen Gruppenraum stehen Wäscheständer, Kaffeemaschine, Wasserkocher, einige Kleinigkeiten und eine Mikrowelle. Alles ist etwas usselig, der Kaffeeprütt in der Maschine verschimmelt, , aber es ist total in Ordnung. Jemand Fremdes öffnet sein Haus für Pilger.

Ich habe meinen eigenen Eingang zum Gruppenraum und wieder mal bin ich alleine. Bei Pastor im Haus hängt bald die frische Wäsche im Fenster, denn dort steht die Sonne auf mein Fenster und ich möchte nicht wieder nasse Wäsche mit mir herum tragen. Da das Fenster nach hinten raus geht, erlaube ich mir einfach, die Wäsche dort an das schmiedeeiserne Gitter zu hängen. An der Vorderfront zum Städtchen und der Straße hätte ich die Wäsche nicht so aufgehangen. Wie sieht denn das Haus - Dameunterwäsche im Fenster des Priesters...
Im Supermarkt hole ich mir einen frischen Eintopf zum Aufwärmen in der Mikrowelle und etwas Obst. Morgen früh hat der Priester zu 7.00 Uhr zum gemeinsamen Frühstück eingeladen.
Für Bayonne habe ich leider kein Bett in der Herberge bekommen, alles ist ausgebucht, aber es gibt noch alternative Unterkünfte für Pilger und dort habe ich zentrumsnah eine Unterkunft.
Morgen sind es nur noch 14km in der Ebene, dann bin ich an meinem persönlichen Ziel.
Ich habe überlegt, ob ich am letzten verbleibenden Tag evtl. die "erste" Etappe des Camino del Norte laufe (von Bayonne entlang der Küste gen Westen), aber ich habe mich dagegen entschieden. Einerseits fühlt sich der Weg mit Abschluss in Bayonne komplett an, andererseits wäre es umständlicher, wenn ich aus irgend einem Dorf wieder mit dem Bus oder Taxi nach Bayonne zurückfahren müsste, oder in den nächsten Ort mit Anschluss wo es eine Busverbindung nach Bilbao gibt.
Da ich schon öfter in Bilbao war, habe ich mir auch Gedanken gemacht, ob ich alternativ vielleicht einen Zwischenstopp in San Sebastian oder Biarritz einlegen soll, habe mich aber dagegen entschieden.
Morgen werde ich mir die Zeit nach meiner Ankunft in Bayonne vertreiben, dann geht es am Folgetag nach Bilbao. Dort habe ich ein Bett in der Jugendherberge (wie immer wenn ich dort bin) und werde mich zum Abschluss noch einmal mit Angela und Gionato treffen. Mit diesen zwei Pilgern bin ich die ersten 5 Tage auf dem Camino Piamonte unterwegs gewesen, bevor sie von St. Jean Pied de Port direkt nach Irun gelaufen sind um dem Küstenweg zu folgen. Wie der Zufall es so will, sind wir drei morgen noch einmal im gleichen Ort.
Die Nacht im Pfarrhaus schlafe ich kaum, einen Grund dafür habe ich nicht. Es ist ruhig, aber mir ist mal wieder viel zu warm, die Matratze ist so weich und durchhängend, ich habe Schmerzen in den Beinen... Es wird Zeit für mich anzukommen.

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