14. September 2024
Zubiri – Trinidad del Arre 16,4km
Tatsächlich erwache ich als letzte bei uns im Schlafsaal, es ist bereits 7.00 Uhr und nur noch wenige Betten sind belegt. Ich habe nichts davon mitbekommen, dass um mich herum alle aktiv sind. Ich nehme mir die Zeit wach zu werden und stehe dann in aller Ruhe auf und habe die Herberge fast für mich alleine.
In der Herbergsküche habe ich gestern Teebeutel gefunden und so koche ich mir in aller Ruhe einen Tee, esse noch ein Stück von meiner verbliebenen Tortilla und verschenke den letzten Rest an einen Mitpilger der mit mir in der Küche sitzt.
Das Wetter wirkt vielversprechend und es wird ein wunderschöner Tag.
Mit der Dämmerung reihe ich mich in die Pilgerkolonne ein und schwimme im Strom mit. Über viele Schotterwege und Landstraßen geht es gen Westen.
Die Sonne geht auf und der Himmel leuchtet blau. Es strahlt alles. Rechts und links vom Weg sehe ich Hügel, neben mir fließt ein Flüsschen und ich erfreue mich an den Farben.
Die Schatten von den Bäumen auf dem Weg geben ein herrliches Lichtspiel, der Bach rauscht und so geht es Kilometer um Kilometer.
Oftmals werde ich überholt, aber das macht mir nichts aus. Ich laufe mein Tempo und das ist wichtig. Es bringt nichts, sich dem Tempo eines anderen anzupassen, wenn es nicht der eigene Rhythmus ist. Das kann man vorübergehend machen, aber nicht über Kilometer. Ich genieße den Blick über den Bach, den Blick in die Natur, das Läuten der Schafglocken.
Vielleicht kann ich das mehr genießen, weil ich schon so viele Wege gelaufen bin, weil ich nichts erwarte – nur alles dankbar annehme was kommt.
Heute, nachdem ich schon 3000 Kilometer über diverse Wege gepilgert bin, kann ich mich sehr schnell vom Alltags- auf Pilgermodus umstellen. Auf meinem ersten Weg war das noch anders, und auch vor 2 Jahren hatte ich das Gefühl, das Neupilger mindestens 3 Wochen laufen sollten und im Pilgeralltag anzukommen und loslassen zu können. Der nur 110km lange/kurze Camino Ingles oder die 12 (ich bin relativ kurze Etappen gelaufen, andere schaffen den Portugues drei Tage schneller) Tage auf dem Camino Portugues empfand ich für Neupilger zu kurz um richtig loslassen zu können. Man hat sich gerade in seinem eigenen Pilgerrhythmus eingefunden, da ist der Weg schon vorbei.
Ich bin so dankbar, dass ich mir beim ersten Weg einen Monat Zeit nehmen konnte, dass ich die Via Plata – wenn auch in 2 Teilen von jeweils 500 und 600km laufen konnte. Durch meine Erfahrungen, kann ich schnell umstellen – aber beim ersten Weg war alles neu und unbekannt, so dass ich meine Mitpilger teils auch verstehen kann. Sie sind zu Beginn des Weges aufgeregt, haben keine Zeit und genießen vielleicht etwas zu wenig, weil es viel zu viele Eindrücke auf einmal sind.
Nachdem ich den Fluss an dem ich über Kilometer langlaufe über eine Brücke überquere bin ich in einem ersten Dorf und direkt an der Brücke gibt es eine nette Bar mit Außenanlage.
Die Sonne strahlt und ich nehme die Möglichkeit wahr zu pausieren. Ich denke, dass es ca. 11 Uhr sein müsste, ideal, für ein kleines zweites Frühstück. Alles ist voll, ich reihe mich in die Schlange für die Bestellungen ein, setze mich auf ein altes Weinfass und warte. Durch ein Fenster sehe ich, wie die Köchin Eier aufschlägt und herrliche Tortillas backt.
Als ich an der Reihe bin, bestelle ich mir ein Stück Tortilla und einen Kaffee und setze mich unter die Weinreben in die Sonne. Zu mir gesellt sich nach kurzer Zeit eine Koreanerin, mit der ich in Roncesvalles zu Abend gegessen habe. Ihr gefällt die spanische Küche bislang nicht, sie erzählt beim Essen von ihren Bauchbeschwerden und Durchfällen und ich denke nur: bleib mir weg. Auf Krankheit habe ich keine Lust und bei den reduzierten Angeboten von Sanitäranlagen, da springen die Keime gerne und schnell von einem zum Anderen. Der Pilgerstrom reißt nicht ab, wird ein Stuhl frei, wird er direkt wieder besetzt, die Rucksäcke reihen sich am Straßenrand zu einer langen Reihe.
Auf dem benachbarten Flachdach liegen mehrere Katzen, aber auf mein Rufen kommen sie nicht. Ich setze meinen Rucksack wieder auf und laufe weiter.
Ich denke nicht viel, und kann auch nicht wirklich viel von den folgenden Kilometern berichten. Genuss und Glück ist das, was die Kilometer kennzeichnen.
Was ein Unterschied an Temperatur und Wetter, Helligkeit und Dunkelheit, Klarheit und Nebel. Derweil ich wander, überlege ich, ob ich meinen Rucksack in Trinidad del Arre abstelle und die noch fehlenden vier Kilometer nach Pamplona zu laufen. Pamplona würde ich mir gerne einmal mit Zeit anschauen, aber es liegt nicht auf dem Weg. Ich könnte, nachdem ich in Trinidad del Arre eingecheckt habe, meinen Rucksack dort abstellen, nach Pamplona laufen und abends mit Bus oder Taxi zurückfahren. Ich lasse die Entscheidung offen und wander weiter auf kleinen Wegen, teils oberhalb der Straße, teils abseits von Straßen.
Die 16km bis Trinidad del Arre sind relativ fix gelaufen, die Herberge liegt direkt an der Brücke am Eingang zum Dorf. Die Kirche, in deren Komplex die Herberge liegt, ist geöffnet und ich besichtige sie kurz. Ein Stempel steht auch im Kircheneingang, leider ist das Stempelkissen sehr verbleicht und bräuchte dringend Farbe.
Da mein Knie nicht schmerzfrei ist, beschließe ich im Dorf zu bleiben. Meinen Rucksack lasse ich vor der Herberge stehen und suche mir eine Sitzgelegenheit im Dorf. Im Café schreibe ich bei einem Café con leche und einem Eis mein Tagebuch, die Kinder spielen und rennen überall herum, eben Spanien.
Zur Öffnungszeit gehe ich zur Herberge zurück. Sie hat einen wunderschönen alten Garten, die Himbeeren sind reif, die Geckos sitzen in der Sonne. Die Herberge selbst ist einfach und alt. Die ersten Frauen, darunter auch ich, kommen das kleine Achtbettzimmer, aber ein Teil der Betten bleibt leer. Anschließend wird der große Schlafsaal gefüllt. Alles ist sehr einfach, alles riecht muffig, besonders die Küchenniesche. Solange es geht sitze ich im Garten und höre mir das Gerede von einem Schweizer an. Er ist sehr anhänglich, seine Art mag ich nicht, und ich versuche ihm auszuweichen indem ich mich kurz hinter der Herberge an den Fluss setze. Er wirkt heruntergekommen, alternativ und so, als hätte er schon öfter nicht nein zu der einen oder anderen Substanz hat sagen können.
Von einem tschechischem Arzt bekomme ich Voltaren für oder gegen meine Knieschmerzen, die Apotheken haben am Samstagnachmittag alle geschlossen und auf dem Camino Baztan könnte ich ggf. in 2 Tagen eine Apotheke erreichen. Dankbar, über die Gemeinschaft und Hilfe unter den Pilgern nehme ich das Schmerzmittel gerne an. Besser etwas dabei zu haben, mein Vorrat an Ibuprofen hat sich schnell verringert.
Zum Abendessen und als Proviant für morgen gehe ich kurz noch einkaufen. Schnell wird es kalt, den Garten kann man nicht mehr nutzen und so bleibt mir nichts anderes über, als mich früh in mein Bett zu legen. Nachttischlampen gibt es nicht, meine Mitschläfer haben eine Freude daran, das Fenster im Zimmer immer wieder zu schließen. Da ich nicht direkt schlafen kann, warte ich ab, bis alle schlafen und öffne das Fenster zur Nacht endgültig. Die Luft ist mit mehreren Schläfern so schnell verbraucht, das alte Gebäude ist feucht, etwas Luft wird niemanden Schaden.





















Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen