Die Geschichte meines Jakobsweges

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Portilla del Reina - Riano, 08.06.2025

 8. Juni 2025

Portilla de la Reina – Riano, 19,9km

Unterkunft Campinghütte 25Euro, geteilt mit Ildefonso

Endlich eine Nacht in der ich zur Ruhe gekommen bin. Ich habe gut geschlafen und zum Glück hat mein Mitpilger einen ruhigen Schlaf, von ihm ist nichts zu hören.

Da die Bar zu meiner geplanten Aufbruchszeit noch geschlossen ist, es im Dorf nichts zu kaufen gibt, habe ich um ein kleines Frühstück/Proviant gebeten und man hat mir gesagt, dass man mir etwas bereitstellt.

Um 6 Uhr schellt der Wecker und ich stehe langsam auf. Ildefonso der froh ist, durch mich und meine Reservierung eine Schlafmöglichkeit gefunden zu haben, ist höflich und fragt mich, ob ich zuerst in das Bad möchte. Es ist mein Zimmer und Ilde hat jedes Mal beim Reinkommen angeklopft um mich nicht zu überraschen.

Heute, wenn wir am Tagesziel sind, werden wir uns wieder meine Unterkunft teilen.

Riano ist ausgebucht, es gibt dort viel Tourismus und die wenigen noch freien Schlafplätze in Hotels sind sehr teuer. Ich habe auf dem Campingplatz eine Hütte mit zwei Betten, ursprünglich hatte ich Erik das zweite Bett angeboten – aber da er einen Pausentag eingelegt hat, freut sich Ildefonso nun auf das freie Bett und wir teilen uns den Preis.

Mit gepacktem Rucksack gehe ich die Treppe Richtung Ausgang und in dem kleinen Vorraum zwischen Treppenhaus und Bar ist ein Stehtisch mit Frühstück für uns vorbereitet. Der Tisch ist liebevoll gedeckt, es gibt Saft, lauwarmen Kaffee in Thermoskannen und am Vorabend schon gekocht, Frühstückskekse, zwei Scheiben Baguette, Cerialien, eingeschweißte Croissants und Obst. Leider fehlt die Milch für die Cerialien. Das Brot wird getoastet um etwas Biss hineinzubekommen, die Cornflakes knabber ich trocken, das Obst packe ich ein.

Ildefonso scheint auf mich zu warten, aber ich sage ihm heute direkt, dass ich gerne alleine starten möchte. Ich schlage ihm vor, dass ich noch etwas warte und nach ihm starte, aber er möchte nach mir starten.

Ob er den Hintergedanken hat, dass er mich wieder einholt, das Gefühl hat, auf mich aufpassen zu müssen – ich weiß es nicht. Fakt ist, ich komme alleine klar und es ist leichter im eigenen Tempo zu laufen, oder dann die Pausen zu machen wann ich sie brauche. Ich möchte mich nicht gehetzt fühlen, nicht das Gefühl haben jemanden durch meine Pausen aufzuhalten. Ich mag die Einsamkeit, die Ruhe und dennoch ist es schön ein bekanntes Gesicht zu treffen.

Der Weg führt heute überwiegend am Rand der Straße lang. Das Tal ist eng, links neben mir rauscht der sich vergrößernde Fluss und rechts und links neben mir sind die Berge.

Vorteil der Straße ist, dass es sich schnell und einfach läuft, der Weg ist überwiegend flach, weil wir bergab in Fließrichtung laufen.

Ich liebe die Dämmerung, die aufsteigende Sonne. Auch heute wird es ein schöner Tag werden. Noch hängen viele Wolken im Tal, aber diese steigen langsam auf.

Immer wieder bleibe ich stehen, drehe mich um und warte auf den Moment in dem die Sonne hinter den Bergen hervorkommt. Je nach dem, wie die Perspektive auf die Berge zurück ist, blitzt die Sonne hinter der Bergkuppe hervor, oder auch noch nicht. Der Fluss wird breiter und ich folge ihm kontinuierlich durch das Tal.

Früh am Morgen fahren noch wenige Autos, aber mit der Zeit nimmt der Verkehr zu. Die kurvige Strecke durch das Tal scheint bei Autofahrern und besonders bei Motorradfahrern sehr beliebt zu sein. Von hinten oder von vorne sieht man hinter den Kurven immer relativ plötzlich ein Auto auf sich zukommen. Die Straße ist nicht breit, einen Fußweg gibt es nicht und wieder bin ich froh über meine leuchtend rote Hose. Kurz bevor Auto oder Motorrad an mir vorbei braust, drücke ich mich in die Leitplanken.

Mit den gelaufenen Kilometern wird das Tal breiter und der Weg führt durch die Wiesen neben der Straße. Mal laufe ich über Trampelpfade, mal über Schotterwege, mal rechts, mal links vom Fluss.

Mit der Zeit holt Ildefonso, den ich immer hinter mir sehen kann – es sei denn, er läuft gerade noch hinter der Kurve – auf. Absichtlich davon rennen mag ich nicht,

unser Lauftempo ist wirklich identisch – nur unser Pausenverlangen ist ein anderes.

Ich mag es, mich, sofern die Gelegenheit besteht, mich hinzusetzen, einen Kaffee zu trinken, oder einfach nur den Moment zu genießen. Ildefonso läuft gerne durch.

Leicht abseits eines Dorfes sehe ich eine alte römisch anmutende Brücke und schaue mir diese an, derweil mein Mitpilger sich sorgt, dass ich einen Wegweiser übersehen haben könnte. Also schauen wir uns die Brücke gemeinsam an, laufen gemeinsam dem Fluss folgend weiter. Für den Moment ist es in Ordnung zu zweit zu laufen, wir haben Spaß trotz aller Sprachbarrieren und machen Schattenfotos von uns.

Im nächsten Dorf macht Ildefonso eine Bar kurz neben dem Weg ausfindig und es wundert mich, dass er in die Bar möchte. Bislang hat er diese immer links liegen lassen.

Ich freue mich über die kurze Auszeit, über einen leckeren Kaffee und das dazu gereichte Stück Tortilla. Wenn ich alleine in der Bar bin, bekomme ich nie die kostenlosen Häppchen zum Kaffee, in Begleitung – oder ist es Zufall, des öfteren.

Nach dem Kaffee starte ich alleine auf die zweite Weghälfte, wieder muss ich darauf hinweisen, dass ich alleine laufen möchte.

Weiter geht es Kurve für Kurve am Fluss lange. Manchmal plätschert ein kleiner Wasserfall den Berg hinunter und ergießt sich in den Fluss. Auch wenn ich bislang fast durchgehend auf der Straße gelaufen bin, ist der Weg schön. Das Bergpanorama fasziniert mich, der Duft der Natur, ich höre die Vögel singen und ich höre und erlebe die rasanten Autofahrer. Je später es am Vormittag wird, desto mehr nimmt der Straßenverkehr zu.

Hinter einer Kurve weitet der Fluss sich und ich schaue auf den Beginn des Stausees. Jetzt ist es kein Fluss mehr, von jetzt auf gleich ist es ein See in dem sich weitenden Tal. Der Wegweiser führt auf ein Absperrseil zu und obwohl ich skeptisch bin, folge ich dem Weg. Ich sehe eine Kapelle auf einer großen Wiese, umgeben von See und grünen Weiden mit Pferden. Zur Kapelle kommt man nicht das Tor ist abgesperrt, der Weg führt auf den See zu und endet im See. Vielleicht kommt man hier bei niedrigerem Wasserstand durch, aber schwimmen werde ich nicht. Ich kann nicht sehen, wie tief das Wasser ist und so drehe ich um und um nicht so weit zurück laufen zu müssen, schlage ich mich mal wieder durch das Gestrüpp und die anschließende Blumenwiese zurück zur Straße. In der holperigen, zugewucherten Wiese läuft es sich schlecht und ob ich viel mit der Aktion gewonnen habe – keine Ahnung. Ich komme auf einem Schotterweg parallel der Straße, die nie weit entfernt war, raus und folge dem Weg der, wer hätte es anders gedacht, auf der Straße auskommt. Manchmal kann ich weit in der Ferne eine Brücke über den Stausee sehen, mal verschwindet diese wieder hinter einer Kurve. Kurve für Kurve laufe ich am See entlang. Die Heckenrosen am Straßenrand riechen betörend, das Bergpanorama mit dem See vor mir ist wunderschön.

Durch ein Gatter führt der Weg rechts von der Straße weg, es geht den Berg hinauf und ich laufe oberhalb der nur hörbaren Straße durch einen Wald. Der Weg ist mehr als schlecht. Man sieht ihn, aber scheinbar hat hier irgendwer nur grob den Weg mit einer Sense oder ähnlichem frei gemacht, das gerodete Material liegt auf dem Weg und macht den Weg schwer passierbar. Ich sehe nicht, ob Löcher unter dem Grünzeug im Boden sind, steige über Äste, hohes Gras und Büsche.

Einerseits ist es schön mal wieder abseits der Straße zu laufen, andererseits ist die Wegqualität wirklich schlecht. Auf einigen Metern läuft es sich ganz gut, an anderen Stellen ist kaum ein Durchkommen. Im Geäst neben dem Weg höre ich immer mal wieder ein leises knacken, ich sehe, dass sich die Gräser bewegen und irgendwann sehe ich die Ursache für diese kleinen Bewegungen und Geräusche. Ein Gecko liegt auf einem Stein in der Sonne und genießt die Wärme.

Nach einiger Zeit stehe ich vor einem Rastplatz hinter einem Gatter und frage mich, wie ich vom Weg über oder durch das Gatter komme, denn der Wegweiser zeigt auf den Rastplatz. Einen Holzbalken kann man mit viel Kraftaufwand zur Seite schieben, aber der Balken ist in der Verankerung so schwer, dass ich mich zum Drüberklettern entschließe. Wenige Meter später laufe ich wieder auf der Straße und sehe mein Tagesziel vor mir.

Wie ein Flusskrebs auf die viel befahrene Straße kommt, darauf finde ich keine Antwort. Der See liegt ein ganzes Stück unterhalb der Straße, der Krebs macht Drohgebärden mit seinen Schaufeln – wahrscheinlich ist er von einem Transporter gefallen, oder was auch immer.

Es ist Pfingstsonntag, Riano ist voll mit Touristen. Ich laufe am Ortsrand entlang, überall parken Wohnmobile, auf dem See fahren kleine Bötchen und ich genieße den Blick. Architektonisch ist dieser kleine Ort nichts Besonderes, die Lage schon.

Ich glaube, dass ich zur Kirche laufe, aber in dem Gebäude ist ein Völkerkundemuseum. Ich lasse mir dort meine Credencial stempeln und frage nach dem Weg zum Campingplatz. Am Dorfende geht es noch einmal 500 Meter entlang der Straße von der ich auf eine weiteren, gefluteten Seebereich blicken kann. Ich finde es wunderschön, es ist heiß und gerne würde ich in den See springen, habe aber keine Badekleidung dabei und wahrscheinlich ist das Wasser eiskalt – so wie die Temperaturen am Morgen.

Wie hätte es anders sein können: zum Campingplatz muss ich mal wieder den Berg hinauf laufen.

Ich melde mich am Campingplatz an, werde zu meiner Hütte geführt und stelle fest, dass Ildefonso noch nicht da ist. Er war nicht weit hinter mir, ich konnte ihn immer sehen, bis ich in Riano angekommen bin.

Als erstes rücke ich die zwei Betten in der Holzhütte auseinander und stelle einen Nachttisch zwischen die Betten – mit etwas Abstand fühle ich mich besser. Vor der Hütte gibt es eine kleine „Terrasse“ mit Bank und Tisch, ein winziges Fenster, ein kleines Bad – aber absolut ausreichend.

Inzwischen knallt die Sonne, es ist richtig heiß.

Meine Wäsche ist schnell gewaschen und ich hänge sie auf der Rückseite der Hütte in die Sonne, sie wird schnell trocknen. Eine ausgiebige Genussdusche, etwas Ruhe auf meinem Bett, dann erscheint Ildefonso. Keine Ahnung, wo er so lange war und was er gemacht hat.

Ich versuche mich für eine Bootstour auf dem See anzumelden, aber leider sind alle Plätze für heute ausgebucht. Bei dem schönen Wetter über den See in die vielen Seitentäler der Berge zu schippern hätte mir Spaß gemacht, aber es geht nicht.

Mit meinem Tagebuch laufe ich durch den Ort, setze mich in ein Restaurant, genieße ein spätes Mittagessen, schreibe meinen Tagesbericht und laufe durch den Ort. Auf einer Bank am See telefoniere ich mit Mutti, sie vermisst Papa – aber das tägliche Telefonat, das Wissen dass es mir gut geht, tut ihr gut.

Aufgrund des Wochenendes und Feiertages haben alle Geschäfte geschlossen, ich bräuchte dringend etwas Proviant für morgen. Morgen öffnen die Bars erst um 10.00 Uhr, der Campingplatzkiosk um 9.30 Uhr – viel zu spät für mich.

Ich finde einen Stand, der Obst verkauft und decke mich dort ein.

Oberhalb des Campingplatzes gibt es einen Aussichtspunkt mit einer riesigen Schaukel auf der höchsten Bergstelle. Trotz der Hitze steige ich hinauf und genieße den Ausblick. Gegen Abend wird es diesig und kühl, aber das Panorama fasziniert mich in jeder Schattierung, sei es bei strahlend blauem Himmel, im Sonnenuntergang und der Dämmerung.

Auf der hohen Schaukel über dem See wird mir schlecht, die Schaukel schwingt so weit, lange halte ich es nicht aus, geschweige dass ich die Schaukel vollends zum Schwingen bringe. Auch wenn mein Gleichgewichtssinn das Schaukeln nicht mag, genieße ich den Moment. Vor der Hütte gibt es abends noch einen kleinen Imbiss mit dem alten Baguette, dass mir inzwischen zu den Ohren raus kommt und trotzdem wäre ich froh, wenn ich wüsste, dass ich noch altes Baguette im Rucksack habe. Mal schauen, wo ich morgen was Essbares finde. Obst habe ich noch und auch einen abgepacktes Küchlein vom Frühstück heute morgen.

Abends wird es richtig kalt, lange höre ich noch meine Mitcamper vor ihren Wohnwagen, aber wer liegt auch schon um 21.30 Uhr im Bett.

Mich stören die Stimmen nicht, Ildefonso schleicht irgendwann nach einer Fussballübertragung in die Hütte.

Mal wieder brauche ich sehr lange zum Einschlafen, ich friere unter meinem gekippten Fenster, aber ohne Fenster wird die Luft in der kleinen Hütte schnell stickig, dann lieber etwas Frieren und frische Luft.

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