Die Geschichte meines Jakobsweges

2008 Camino Frances, Pamplona -Santiago de Compostela, 2010 Via de la Plata, Sevilla - Salamanca, 2011 Via de la Plata, Salamanca - Santiago + Camino Finisterre, 20212 Camino del Norte, Hondarribia - Gurriezo, 2014 Camino Primitivo, Oviedo - Santiago, 2017 Camino Ingles, Ferrol - Santiago, 2022 Camino Portugues, Porto - Santiago, 2024 vier Caminos ein Weg, Via Tolosana - Camino Piamonte, Camino Frances, Camino Baztan entgegen der Richtung: im Zickzack durch das Baskenland: Artigelouve - Oloron Saint Marie, Saint Jean Pied de Port - Trinidad del Arre - Bayonne

Santander 30.05.1015

Heute ist der 30. Mai und vorhin bin ich in Santander angekommen.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich meinen letzten Camino gelaufen bin.

Im September 2024 bin ich spontan durch widrige Umstände unter anderem auf dem Camino Baztan, einem Verbindungsweg zwischen dem Camino del Norte (Bayonne) und dem Camino Frances (Pamplona) gelandet.

Dieser wenig begangene Weg, die Ruhe und die Landschaft, sowie die weiteren daran geknüpften Kilometer auf dem u.a. Camino Piamonte haben mir so gut gefallen, dass ich gezielt nach weiteren Querwegen gesucht habe. Meine Recherchen haben mich auf dem Camino Lebaniego y Viadiniense gebracht. Dieser Weg durch die Bergwelt Kantabriens hat mich mit seinen Herausforderungen gelockt und nun bin ich fast am Beginn diesen Weges. Der eigentlich geplante Weg beginnt erst in Santillana del Mare. Die drei Wegetappen die mir bis dorthin bevorstehen, gehören zum Camino del Norte und ich nutze sie zum Einlaufen.

Vielleicht ist der Weg in einigen Abjschnitten zu groß und herausfordernd. Es sind Wanderwege und werden nicht „gefährlich“ im eigentlichen Sinne sein. Bin ich den Höhenmetern, den vielen Auf- und Abstiegen gewachsen? Wie sind die Wegbeschaffenheiten? Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden.

2012 bin ich auf dem Camino del Norte von Hondarribia, kurz vor San Sebastian, bis 1,5 Tagesetappen vor Santander gekommen und habe dann aus diversen Gründen spontan abgebrochen. Es war eine gute, wichtige und richtige Entscheidung/Erfahrung, dass man nicht alles durchziehen muss, was man sich vorgenommen hat. Es ist keine Schande abzubrechen, ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, ich bin nur mir gegenüber verpflichtet.

Es war nicht der richtige Zeitpunkt und das Herz hat sich nie zu diesem Weg hingezogen gefühlt, obwohl es wirklich schöne Abschnitte gab.

Das Wichtigste ist die eigene Gesundheit, das Bauchgefühl, alles muss stimmen um sich auf diese Anstrengungen, bei aller Schönheit, einzulassen.


Heute morgen bin ich um 6.00 Uhr aufgestanden, habe in aller Ruhe gefrühstückt und etwas mit meinen Katzen gekuschelt. Anschließend stand mein lieber Nachbar Dietwald mit dem Auto vor der Haustür und hat mich, wie schon des öfteren, zum Bahnhof gebracht und auf einen weiteren Camino verabschiedet.

Ich bin froh über unsere gute Hausgemeinschaft, dass wir uns gegenseitig helfen, vertrauen und aufeinander verlassen können.


Pünktlich! fuhr die Bahn, mit Umstieg in Hamm, nach Düsseldorf. Die Wartezeit vor dem Start des Fliegers verging schnell und schon bevor wir abhoben bin ich fast eingeschlafen. Ich habe alles um mich herum registriert und zur Kenntnis genommen, im Schlaflabor hätte man es als Schlafstufe 1 bezeichnet. Der schlechte und kurze Schlaf der vergangenen Nacht machte sich deutlich. Aber was habe ich im Flieger zu verpassen? Nichts? Ich habe kein Buch zum Lesen dabei, daddeln im Handy geht ohne Internet auch nicht, also spricht nichts gegen etwas Ruhe.

Der Flug mit Iberia nach Madrid verlief ruhig, keine Luftlöcher und kurz vor der Landung habe ich mir das erste Mal die Wolken und das Land von oben angeschaut.

Der Temperaturschock beim Ausstieg war gewaltig. 33 Grad Celsius im Schatten, in Münster habe ich die lange Hose und Jacke dringend nötig gehabt, morgens fahre ich noch immer in Winterjacke zur Arbeit.

Der Flughafen Madrid ist riesig und so lief ich eine Weile zum nächsten Gate. Dort angekommen konnte ich schon fast einsteigen. Der Hinflug ist optimal was die Zeiten angeht. Ein relativ später Abflug kurz vor 12.00 Uhr, eine Stunde Aufenthalt zwischen Ankunft und Weiterflug. Der Abflug hat sich etwas verzögert und 75min später war ich in Santander.

Im Anflug auf Santander sah ich unter mir viele Berge, aber nicht „meine“ Berge. Die Picos de Europa liegen etwas weiter westlich. Unter mir sehe ich viele grüne Hügel/Berge unter einer Wolkendecke liegen. Die Wolkendecke ist nicht komplett geschlossen, aber dass es Regenwolken sind, kann ich sehen.

Da ich nur mit meinem Rucksack als Handgepäck reise bin ich schnell aus dem kleinen Flughafen raus. Es ist schwül-warm, es regnet und in der Ferne höre ich den Donner grollen.

Vor dem Flughafen liegt direkt die Bushaltestelle nach Santander und zum Glück gibt es ein Vordach zum Unterstellen. Inzwischen ist das Gewitter näher gekommen. Es schüttet, der Donner grollt und die Blitze zucken.

Lange muss ich nicht auf den Bus warten und nach 20min Fahrt bin ich in der Innenstadt von Santander. Der Bus ist nicht, wie vermutet, bis zum Busbahnhof gefahren. Er hält irgendwo kurz vorher in der Stadt. Mit dem Navi schaue ich nach meiner Laufrichtung und stelle fest, dass ich näher an der Herberge bin als vermutet. Wenn es hochkommt bin ich 10min gelaufen und an meiner heutigen Schlafstelle angekommen.

Ich werde vom Hospitaliero Igor herzlich willkommen geheißen. Die Herberge liegt in einem Altbau, ist überschaubar, klein, aber man hat alles an Platz ausgenutzt.

Es gibt mehrere Zwischenwände, so dass in jeder Kammer 4 Etagenbetten stehen. Der Platz zwischen den Betten ist eng, vielleicht sind es auch Hygieneregeln gegen das Verschleppen von Bettwanzen: die Rucksäcke hängen an einer Garderobe im Flur und werden nicht mit zum Bett genommen.

Ich bekomme meinen ersten Stempel in der Credencial, es ist gerade 18.30 Uhr und so beschließe ich mich direkt wieder auf den Weg zu machen. Die Kathedrale ist nur wenige Meter entfernt, ich werde noch etwas durch Santander schlendern. Ein Supermarkt für das Abendessen und etwas Proviant für morgen wären auch ganz gut.

Igor erzählt mir noch etwas von seinen Camino-Erfahrungen und empfiehlt mir den Mozarabischen Jakobsweg von Granada startend.

Bei meiner Ankunft darf die Kathedrale und der davor liegende Kreuzgang nicht betreten werden. Momentan wird die Messe gelesen und nur dafür wird man eingelassen.

Ich erzähle den Damen am Eingang der Kathedrale dass ich Pilgerin bin und bitte um einen Stempel in die Credencial und Zutritt zur Messe. Für die Messe und für Pilger ist der Eintritt kostenfrei, alle anderen müssen für die Besichtigung bezahlen.

Auch wenn ich schon eine Jakobsmuschel am Rucksack hängen habe (diesen habe ich zur Stadtbesichtigung nicht dabei), bekomme ich noch eine Muschel geschenkt. Ich freue mich darüber, suche mir eine aus, und setze mich hinten in die Messe.

Ich freue mich, mit der Messe meinen Weg zu starten – es fühlt sich richtig an und ich hätte mich gefreut, wenn ein Pilgersegen angeboten worden wäre. Diesen gibt es nicht automatisch, zum Fragen fehlt mir die Sprachkenntnis.

Auf meinem ersten Camino habe ich mich immer über einen Pilgersegen im Anschluss der Messe gefreut. Immer wieder ist man auf diese schöne Art, um einen guten Weg zu bitten, gestoßen. Nicht überall, aber zwischendurch, immer mal wieder.

Nach der Messe schaue ich mir den Kreuzgang an, dann laufe ich ohne Stadtplan ziellos durch die Stadt, lasse mich treiben und suche einen Supermarkt.

Etwas Brot, Brotbelag, Joghurt, Obst und Wasser.

In der Altstadt setze ich mich auf eine Bank, packe mein Tagebuch aus und notiere meine Gedanken zum heutigen Tag. Beim Schreiben gibt es ein kleines Abendbrot.

Zum Glück ist es wieder trocken.

Die Müdigkeit bringt mich relativ schnell Richtung Herberge zurück. Auf meinem Bett schreibe ich meinen Tagesbericht fertig, stecke mein Handy zum Laden in die Steckdose und kletter in meinen Schlafsack. Eigenartiger Weise höre ich keine einzige deutsche Stimme.

Wahrscheinlich wird die Nacht relativ laut. Die Schlafkammern haben keine Türen, die Trennwände gehen nicht bis zur Decke und jeder wird jeden hören.

Kein Problem, ich weiß nicht, wie viele Nächte ich schon auf diese Art und Weise verbracht habe. Wichtig ist das Fenster neben meinem Bett. Das mir ursprünglich angebotene Bett lag in einer Kammer ohne Fenster. Der Hospitaliero hat kein Problem mit meiner Frage und zeigte mir ein freies, oberes Bett in einer anderen Koje. Es ist mir egal, dass in dieser bislang nur Männer schlafen. In jeder Herberge gibt es gemischte Schlafräume, dass in dieser zufällig nur eine kleine, gemeinsam laufende, Männertruppe schläft, wird mich nicht vom Schlaf abhalten. Entweder ich schlafe, oder ich schlafe nicht, aber das ist unabhängig von dem Mitschläfern im Zimmer.

Morgen früh geht es los. Ich freue mich, ich bin gespannt auf den vor mir liegenden Weg. Einen Wecker stelle ich mir nicht. Unter Garantie erwache ich spätestens wenn das allgemeine Gekrame losgeht. Ich habe alle Zeit der Welt, für morgen habe ich ein Zimmer in einem kleinen Hotel gebucht. In Mare gibt es keine Herberge. Bis dorthin sind es knapp 25km. Eine Herberge gibt es erst wieder in Santillana del Mar, was von hier 36km Fußweg sind. Auch wenn ich das wahrscheinlich kann, ich möchte es nicht, und schon gar nicht am ersten Tag.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen