Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Agés - Burgos

9. Mai 2008
Mein 9. Wandertag
Meine Nacht war gruselig. Zwar hatte ich ein schönes Zimmer, aber ich kam nicht zur Ruhe. Warm wie mir war, schlief ich nur in meinem Seideninlett und legte den Schlafsack locker über mich rüber. Irgendwie muß ich doch mal kurz geschlafen haben. Als ich wieder wach wurde war mein Schlafsack weg. Zwischen Bett und Wand muß er in die untere Etage auf den schlafenden Josef gerutscht sein. Auf den Nachtschränken lagen Wolldecken und so nahm ich eine Wolldecke und kuschelte mich wieder zusammen. Als ich erwachte hatte ich noch die Wolldecke, aber meine Brille war weg. Auch sie mußte irgendwo abgestürzt sein. Ausgerechnet in dieser Nacht habe ich sie erstmals nicht im Brillenetui aufbewahrt. Ohne bin ich aufgeschmissen, die Ersatzbrille liegt daheim.
Sobald sich Josef im unetren Bett regte bat ich ihn meine Brille zu suchen. Ohne seine Hilfe hätte ich nur tastend über den Boden kriechen können um sie zu finden. Glücklicherweise war das gute Stück heil und unverbogen.
Durch die Fenster kann ich schon den Regen draußen hören und sehen. Heute bleibt keine andere Möglichkeit als Regenjacke, Regenhose und Regenrucksackschutz anzuziehen. Dann heißt es: Augen zu und durch.
Die ersten Kilometer führt der Weg mich über eine Landstraße. So unschön Betonstraßen zu laufen sind, aber sie haben den Vorteil nicht zu verschlammen. Der Weg biegt von der Landstraße ab, hinein in die Berge. Der Weg geht hoch und runter. Es regnet permanent und der kleine schmale Trampelpfad steht unter Wasser. Viele Steine liegen im Weg und diese sind sehr rutschig. Ich muß genau aufpassen, wohin ich trete, denn die Sturz- und Rutschgefahr ist groß. Es regnet und ich laufe gut gelaunt durch den Regen. Auch das ist eine neue Situation für mich. Daheim würde ich niemals bei Regen freiwillig spazieren gehen und jetzt laufe ich singend durch den Regen und störe mich nicht daran.
Meine Regenjacke erweist sich als völlig ungeeignet. Nach kurzer Zeit kommt der Regen hindurch und ich fühle mich unwohl und nass bis auf die Haut. Das gute Stück habe ich mir von meinem Bruder geliehen. Für eine Bergtour hat er die Jacke für sage und schreibe 200 Euro gekauft und sie hält nicht was sie verspricht. So eine teure Regenjacke sollte doch, meiner Meinung nach, etwas länger dicht halten und Regen vertragen können.
Zum Regen kommt noch Nebel hinzu und es ist sehr ungemütlich. Die Feuchtigkeit kriecht überall hinein.
Heute tut mir erstmals mein Knie weh. Nicht richtig das Knie, aber die Innenseite des Knie´s. Irgendwie so eine Bändersache, nehme ich an.
Da ich ohne Pausen laufe, bin ich schnell am Stadtrand von Burgos. Laut Reiseführer gibt es einen längeren Weg in die Innenstadt, am Fluss entlang. Ursprünglich wollte ich diesen Weg gehen um die häßliche Vorstadt zu umgehen, aber in Anbetracht des Wetters entschließe ich mich für den direkten Weg. Einen Augenblick überlege ich auch mit dem Bus die Vorstadt zu durchfahren, verwerfe den Gedanken aber nach kurzer Zeit wieder. Etliche Pilger wollen die häßliche Vorstadt mit dem Bus abkürzen. Ca. 1,5  Stunden laufe ich durch die Industriegebiete der Stadt. Auf dem Weg kann es nicht nur schöne Wege geben. Nichts besteht nur aus Schöhneit, die Industrie gehört dazu und so laufe ich weiter. In der ersten Apotheke der Stadt kaufe ich Voltarengel und eine Kniebandage, in der Hoffnung, dass es gegen die Kniebeschwerden hilft.
Plötzlich stehe ich in der Altstadt und sehe ein Hinweisschild für die kleine Altstadtherberge, direkt an der Kathedrale. Ich habe wenig Hoffnung dort ein Bett zu bekommen. In Burgos übernachtet so gut wie jeder Pilger. Die Stadt muß man gesehen haben auf dem Weg. Die Kathedrale ist berühmt. Ich überlege kurz und denke, versuchen kannst du es, vielleicht hast du Glück. Und tatsächlich. Vor der Herberge stehen nur 9 Pilger, ich bin die Nr. 10 des heutigen Tages. Die meisten Mitpilger steuern direkt die große 200-Betten-Herberge außerhalb der Stadt an, weil sie sich keine Chancen auf ein Bett ausrechnen.



Die Herberge öffnet erst um 13 Uhr und der Hospitaliero läßt uns auch bei dem heftigen Regen nicht eher rein. Vor dem Aufgang zur Herberge ist ein kleiner Raum und dort ziehe ich mich um. Endlich raus aus den nassen Klamotten. Plötzlich geht eine weitere Tür auf und ich stehe nicht vollständig bekleidet vor einer Kirchentür. Peinlich..., aber ich habe wieder trockene Kleider am Leib.
Um 13 Uhr dürfen wir endlich reinkommen. Eine heiße Dusche und ich bin wieder fit. Ich versuche dem spanischen Hospitaliero klar zu machen, dass ich einen Regenponcho brauche, aber ich verstehe seine Antwort nicht. Ob er mich verstanden hat, bleibt ebenso ein Rätsel. Irgendwann nimmt er seinen Regenschirm und mich an die Hand und bringt mich zu einem Sportgeschäft. Er bespricht alles mit dem Verkäufer und ich muß mir nur noch die Farbe des Regenumhangs aussuchen. Anschließend bringt er mich noch zu einem Tabacco-Laden in dem ich meine Briefmarken kaufen kann. Er hat mich also doch verstanden. Zurück in der Herberge sitzt mein Hospitaliero auf der Treppe und spielt auf seiner Gitarre spanische Musik. Weihrauch wird auch entzündet und ich liege auf meinem Bett und genieße die Stimmung.
Als der Regen weniger wird starte ich zur Stadtbesichtigung Burgos. Als erstes steht natürlich die Kathedrale auf meinem Plan. Heute bin ich gern bereit den Eintritt zu zahlen. Die Kathedrale ist wunderschön und bleibt auch auf dem weiteren Weg die schönste Kirche für mich. Die Kirche ist so hell und freundlich. Fast alle Gewölbe sind mit hellen Fenstern besetzt und lassen so viel Licht hinein.




Die Kreuzgänge sind herrlich und ich könnte mich noch stundenlang in der Kathedrale verweilen. Leider ist die Orgel nicht zu hören. Ein volles Organo pleno in der Kathedrale, oder irgendeine andere große Orgelsymphonie hätte mich sehr gereizt. Aber ich kann nicht alles haben.
In der Stadt treffe ich mal wieder Frank. Frank hat ein Bett in der Herberge außerhalb der Stadt und er wird eine längere Laufpause einlegen. Er hat große Schmerzen beim Laufen. Seit wir uns erstmals getroffen haben hat er ständig Beschwerden und nun geht gar nichts mehr. Der Arzt hat ihm einen Laufpause von 7-10 Tagen verordnet, wenn er seine Gesundheit nicht ruinieren will.
Annemarie und Josef sind in der gleichen Herberge wie ich. Ebenso Michael aus Dülmen, Stefan und Stephan. Horst und Timo haben auch noch Glück gehabt und haben ein Bett bekommen.
Hier schläft auch noch eine Südafrikanerin, deren Namen ich nicht weiß. Sie läuft daheim auch Extremtouren. Als sie in Burgos feststellt, dass sie ihr Portemonaie in Agés liegen gelassen hat, telefoniert sie mit der Albergue dort, ob es gefunden wurde. Als man ihr den Fund bestätigt läuft sie tatsächlich wieder zurück. Abends ist sie dann wieder in Burgos, ebenfalls zu Fuß. Bei so einer Situation hätte ich den Bus genommen. Das wäre für alle verständlich und akzeptabel, aber an einem Tag und dann noch bei starkem Regen, wäre ich nicht dreimal die gleiche Strecke gelaufen.

Der Weg kann nicht nur aus schönen Abschnitten bestehen. Wie im Leben wechseln sich schöne und weniger schöne Abschnitte ab.

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