Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Melide - Santa Irene + Dia-Show 5

27. Mai 2008
Bis 4 Uhr am morgens habe ich bestens  geschlafen, dann war meine Nacht vorbei. Nur bis 4 Uhr, aber das sind immerhin 7 Stunden, da ich schon um 21 Uhr in´s Bett gegangen bin.
Sandor steht um 6 Uhr pünktlich vor meinem Bett und wir brechen im Regen zu unserer vorletzten Etappe auf. Einen Joghurt vom Vortag habe ich noch und esse ihn im Treppenhaus sitzend auf und los geht es.
So schwer wie mir das Laufen gestern gefallen ist, so leicht und locker geht es heute. Woher die gestrigen Achillessehnen-Beschwerden gekommen sind, weiß ich nicht - aber heute spüre ich davon nicht mehr das Geringste. Erzählend und lachend laufen wir Richtung Santiago. Wir freuen uns bald da zu sein, 50 Kilometer sind es nur noch.
Am Wegesrand sehe ich wieder das parkende Auto mit dem wartenden Ehemann. Auch ihn begrüßen wir überschwenglich und können berichten, dass seine Frau bald erscheint, sie ist nicht weit hinter uns.
Der Weg führt durch Euktalyptuswälder und zum dritten und letzten Mal passiert es. Wir verlaufen uns mal wieder. Dieses Mal hängt es damit zusammen, dass wir vor lauter Quatschen nicht richtig aufgepasst haben und dem Hauptverlauf des Weges gefolgt sind. Aber nicht immer ist der Hauptverlauf der richtige Weg, ein kleiner unscheinbarer Weg nach rechts hätte es sein müssen. Sehr weit laufen wir nicht in die falsche Richtung. Mir fällt wieder ein kleiner kläffender Hund auf - dieses Mal hinter einem Gartenzaun. Die bellenden Hunde sind immer ein Zeichen. Bellen die Hunde, sind sie keine Rucksackpilger gewöhnt. Die Hunde die den Anblick von rucksacktragenden Menschen kennen, nehmen ihn gelassen hin. Die Besitzerin des Hundes kommt aus dem Haus und erklärt uns freundlich, dass wir vor einigen hundert Metern hätten in den Seitenweg abbiegen müssen. Wir danken und drehen um und finden problemlos den gemeinten Weg. Auch die uns folgenden Pilger weisen wir auf unseren Irrtum hin, und so gehen wir alle wieder zurück.


In einer kleinen Bar trinke ich einen Kaffee und bekomme ein Muffin dazu. Sandor frühstückt nicht, er läuft die 30 Kilometer mehr oder weniger nüchtern. Vor dem Aufbruch hat er ein Glas Milch getrunken und das reicht ihm.
Langsam hört es auf zu regnen und Santa Irene erreichen wir im Trockenen.
Immer wieder fallen mir seit Sarria Pilger auf, denen man es ansieht,  dass sie gerade erst gestartet sind. Die 100km-Pilger unterscheiden sich oftmals äußerlich von den Langstreckenpilgern. Vor mir schlendert eine ältere, europäisch aussehende Pilgerin mit einem riesigen japanischen Strohhut auf dem Kopf.
Auch lustig sind zwei etwas korpultentere Peregrinas, die morgens immer noch ausschlafen, derweil wir aufbrechen. Sie stehen gemütlich auf, frühstücken in der ortsansässigen Bar, und wenn ich die nächste Herberge erreiche, liegen sie schon Siesta-haltend auf dem Bett, haben schon zu Mittag gegessen und erzählen von den spannenden Erlebnissen des Tages. Haben die ein Flugzeug in ihrem winzigen Rucksack? Oder wie kommt es, dass sie vor mir in der Herberge sind, sie uns aber auf dem Weg nie überholt haben? Es ist schon lustig, was man für Pilger trifft.
Santa Irene besteht nur aus einigen wenigen Häusern an einer Straße. Die private Herberge ist schon belegt. Leider! Viele haben dort ein Bett vorbestellt und können so in aller Ruhe die Tagesetappe absolvieren. Sandor und ich bekommen ein Bett in der städtischen Herberge. Die Herberge ist wieder alt und verwohnt und bietet keinerlei Komfort. Die Herbergen auf den letzten 100km des Weges sind schlechter als alle anderen. Das Wasser in der Dusche spritzt irgendwo aus der Wand und kalt ist es auch noch. Hier gibt es kein warmes Wasser. Also dusche ich nicht, es ist draußen kalt genug, da muß ich nicht noch zusätzlich kalt duschen und auskühlen. Am Waschbecken wasche ich mich notdürftig, die Haare müssen so bleiben wie sie sind.
Eigentlich wollte ich sauber und ordentlich, oder mindestens mit gewaschenen Haaren in Santiago ankommen, aber dann halt nicht. Der liebe Gott wird es mir unter diesen Umständen schon verzeihen.
Um etwas zu essen zu bekommen muß ich die Straße ca. 2 Kilometer zurücklaufen. Zurücklaufen! Das habe ich in den letzten 27 Tagen kein einziges Mal gemacht, immer ging es vorwärts. Aber so gehe ich heute, ein einziges Mal als Peregrina auf dem Weg zurück, um mit anderen Pilgern in der Bar zu essen. Morgen mittag bin ich keine Pilgerin mehr, dann bin ich Touristin.
Ich habe mich schon dazu entschlossen, mir in Santiago ein Zimmer zu nehmen. Wenn ich in Santiago bin, die Messe besucht habe und meine Compostela habe bin ich Touristin und so möchte ich wie alle Touristen in einer Pension oder einem eigenen Zimmer schlafen. So schön die Gemeinschaft in den Schlafsäälen war, so sehr möchte ich einmal wieder eine ganze Nacht ungestört schlafen.


Dia-Show 5:
Ponferrada - Monte de Gozo


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