Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Boadilla del Camino - Carion de los Condes

12. Mai 2008
Mein 12. Wandertag
Nach dem Sonnenuntergang ist es wieder sehr kalt geworden. Die Nacht habe ich mit Langarm-Shirt, Fleecepulli, Leggins und Strümpfen im Schlafsack verbracht. Trotzdem habe ich gefroren, aber dennoch gut geschlafen.
Um 6 Uhr morgens schellte irgendein Handy als Wecker. Welcher Idiot stellt sich in einem Schlafsaal den Wecker?! Früh aufstehen, weil man wach ist - in Ordnung. Aber mit einem Wecker einen ganzen Saal zu wecken, finde ich schon dreist.
Die Halsschmerzen vom Vortag sind leider nicht besser geworden, eher schlechter. Die Nase setzt sich auch zu, aber ich fühle mich noch ganz gut.
Wo ich sowieso wach bin, kann ich jetzt auch aufstehen. Das Anziehen geht ganz schnell, weil ich alles von der kalten Nacht trage. Niemals hätte ich vor Beginn meiner Reise gedacht, dass es im Mai in Spanien so kalt sein kann.
Kurz hinter dem Dorf führt mich der Weg an einen Bewässerungskanal, den Canal de Castille. Hape Kerkeling beschreibt den Kanal als langweilig und öde. Ich nehme an, dass er zu einer anderen Tageszeit am Kanal entlang lief. Ich empfinde den Kanal als wunderschön. Die Sonne zeigt mal wieder einen grandiosen Aufgang und die Farben spiegeln sich im Wasser. Die Sonnenaufgänge, sofern es nicht regnet und ich sie miterleben kann, faszinieren mich immer wieder. Die Natur ist noch so ruhig. Einige Vögel singen, die Frösche quaken und die Grillen zirpen. Im Kanal und im Sonnenlicht spiegeln sich die Bäume vom Wegesrand.








                  Nebelschwaden liegen über den Feldern und ein neuer schöner Tag kündigt sich an.





An Morgenden wie heute, bereue ich es nicht früh aufgestanden zu sein. In Fromista nehme ich in der Bar mein Frühstück zu mir. Dort treffe ich auf Pilger, die ich bisher nur gesehen habe, aber nicht namentlich kenne. Da ich bisher an keiner Apotheke vorbeigekommen bin, spreche ich die Jungs auf Halsschmerztabletten an und siehe da, ein netter junger Mann überreicht mir seine Lutschtabletten. Wir überlegen wo wir uns schon einmal getroffen haben, aber es fällt uns nicht ein - aber gesehen haben wir uns schon einmal.
Von Josef habe ich noch homöopathische Arnikakügelchen bekommen. Ich hoffe, dass diese Mischung hilft. Normalerweise fängt jede Grippe bei mir mit Halsschmerzen und Schnupfen an. Diese beiden Komponenten sind schon da, ich hoffe der Rest bleibt aus. Eine Grippe während meiner Wanderung kann ich nun wirklich nicht gebrauchen. In Fromista treffe ich Fernando und wir gehen gemeinsam weiter.
 Fernando habe ich in Hontanas kennengelernt. Auf ihn traf ich als erstes, als ich so fertig und weinend in der Herberge ankam.
Fernando ist jemand, der vom Pilgern nicht genug bekommen kann. Gemeinsam ist er mit seinem Freund in der Schweiz, in Lausanne, gestartet. Nun ist er schon so weit gelaufen, dass es praktisch nur noch ein Katzensprung nach Santiago ist. Weil ihm die vielen Kilometer von der Schweiz bis Santiago nicht reichen, trifft er in Santiago seine Frau und läuft gemeinsam mit ihr den "Camino del Norte" von Santiago zurück bis zu den Pyrenäen. Nach erreichen des eigentlichen Anfangspunktes der Küstenroute, wandern sie gemeinsam durch die Pyrenäen bis nach Lourdes um dort ihre Reise zu beenden. Fernando glaubt jetzt schon, dass die über 3000 Kilometer nicht weit genug sind, um sich selbst zu finden. Wie weit will der denn noch laufen? Kann man sich überhaupt noch finden, wenn man es 3000km lang nicht geschafft hat?
Ich finde Fernando faszinierend und es macht Spaß mit ihm zu laufen, aber ich muß auch innerlich über ihn lächeln. Nach etlichen Kilometern verlasse ich ihn wieder, da er in einer Bar auf seinen Freund warten  möchte, der ihn auf dem Weg durch die Schweiz, Frankreich und jetzt Spanien begleitet.
Es geht wieder an etlichen Feldern entlang. Pappeln säumen den Weg.






Die letzten Kilometer vor Fromista führt der Weg wieder auf den Seitenstreifen der Landstraße. Nachdem ich mich für heute von Fernando verabschiedet habe, treffe ich kurze Zeit später wieder auf Winfried. Gemeinsam laufen wir nach Carrion de los Condes hinein.
In Carrion de los Condes ist die Herberge nicht gleich zu finden. Mehrere Herbergen stehen wieder zur Auswahl und ich wähle für heute Nacht das Kloster "E spiritu Santo". Im Kloster führt uns eine Ordensschwester zum Schlafsaal. Heute gibt es mal keine Etagenbetten. Alles einzelne, alte Betten. Als ich die Tagesdecke zurückschlage, entscheide ich mich dafür, die Tagesdecke auf dem Bett zu lassen. Unter der Decke sieht es nicht gerade sehr einladend aus. Krümel und Dreck schrecken mich doch etwas ab.
Die Dusche kann mich auch nicht überzeugen. In der Dusche fehlen die Duschvorhänge, schwarzer Schimmel verziert die Decken. Ich ekel mich. Gerne würde ich mich auf mein Bett legen und eine Siesta machen, aber das Bett ist mir nicht geheuer. Ich fühle mich nicht wohl. Die Nase sitzt zu, der Hals tut weh, und mir ist furchtbar heiß im Kopf. Vielleicht liegt die Hitze im Kopf an den warmen Außentemperaturen, aber sicher bin ich mir nicht - möchte mir aber keine Gedanken dazu machen.
Das Kloster besitzt einen zubetonierten Innenhof, in dem wir Pilger uns aufhalten könnnen. Einige Bänke auf der Betonfläche, eine Waschgelegenheit, sonst nichts. Die Klosterkirche darf nicht besichtigt oder gar betreten werden.
Am Nachmittag mach ich dann meine obligatorische  Dorfbesichtigung. Das Dorf ist ganz hübsch. Wenn mann es durchquert stößt man auf einen Fluss mit schöner alter Bogenbrücke. An den Fluss setzte ich mich um die Sonne zu genießen und packe meine Wasserflasche aus, die ich im Kloster neu aufgefüllt habe.
Nach dem ersten Schluck spucke ich das Wasser entsetzt aus. Es schmeckt furchtbar, irgendwie nach Brackwasser und als ich die Flasche in die Sonnen halte, sehe ich wie trüb das Wasser ist. Ausnahmsweise schmeckt es nicht nach Chlor, aber dennoch furchtbar. Der Wasserhanhn den ich zum Auffüllen benutzt habe, war bei der Wäschewaschstelle. Andere haben dort auch ihr Wasser aufgefüllt und der Hahn war nicht gekennzeichnet als "kein Trinkwasser".
Über den Fluss wird mich der Weg morgen aus der Stadt hinausführern. Es ist so typisch für den Weg - trifft man während der Stadtbesichtigung auf eine Brück führt der Weg über dieses historische Bauwerk. Oberhalb der Brücke kann ich auf einem großen Felsen gelegen eine Kirche sehen.






Auf der Brücke treffe ich Sandor, aus Ungarn. Zusammen besichtigen wir die Kirche, machen Fotos und shakern miteinander. Mein ungarischer Marathonpilger ist mir schon oft aufgefallen. Er hat ein ganz eigenartiges Gangbild. Mit kleinen trippelnden Schritten bewegt er sich sehr schnell vorwärts.
Sandor ist 65 Jahre alt und topfit. Die Verständigung läuft mit Händen und Füßen. Er bringt mich noch zur Apotheke und zum Supermarkt, damit ich mich für den nächsten Tag eindecken kann.
Das Pilgermenue am Abend nehme ich mit Winfried und einigen anderen Pilgern ein.
Ich fühle mich total unwohl und werde früh schlafen gehen. Vielleicht hilft eine Portion Schlaf gegen das zunehmende "unwohl fühlen".

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