Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Leon - Villadangos del Paramo

17. Mai 2008
Nach einer guten Nacht, zusätzliche Wolldecke sei Dank, starte ich wie jeden Tag, früh zur nächsten Etappe. Es ergibt sich von ganz alleine und ohne Wecker. So ca, gegen 6 Uhr erwacht der Saal so nach und nach, und nach einer kurzen Morgentoilette geht es wieder auf die Piste.
Von Piste kann heute keine Rede sein. Heute laufe ich 20km nur auf und entlang von Betonstraßen.
Der Weg aus Leon heraus war etwas verzwickt und ich habe nicht jeden Pfeil gesehen. Aber neben mir lief ein anderer Pilger und ich bin ihm aus der Stadt hinaus gefolgt. Die Straßen ziehen sich noch etliche Kilometer durch die Industriegebiete und die weniger attraktive Vorstadt.
Heute gibt es zwei Wegvarianten. Der kürzere und direktere Weg führ immer entlang der Bundesstraße über Villadangos del Paramo nach Hospital del Orbigo. Die längere und landschaftlich schönere Variante führt über Villar de Mazarife ebenfalls nach Hospital del Orbigo.
Ich habe mich schon beim Studieren der Wanderlektüre am Vortag für die weitere, aber schönere Strecke entschieden.
Irgendwo im Leoner Straßendschungel muß mir ein Fehler unterlaufen sein, oder ich habe schlichtweg einen Wegweiser übersehen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich an einem vorweglaufenden Pilger orientiert habe. Auf jeden Fall habe ich den Abzweig nach Villar de Mazarife verpasst. Ich merke es nicht wirklich, weil ich immer noch glaube, dass der Abzweig noch kommt. Es geht über und unter der Autobahn hindurch. Die Autobahn wird im Reiseführer erwähnt und so wähne ich ich auf dem richtigen Weg. Wobei falsch oder richtig gibt es nicht, aber es ist nicht der Weg den ich gehen wollte.
Ich drehe um und laufe ein ganzes Stück der Strecke zurück, finde den Abzweig aber nicht und entschließe mich, heute den direkten Weg entlang der Bundesstraße zu laufen.
Es ist nicht attraktiv, nichts als Beton, Abgase und vorbeirauschende Autos. Mal steht ein kleines Kirchlein am Wegesrand, oben drauf die Störche, aber sonst gibt es nichts, was man gesehen haben müßte.




Kurz vor Villardangos del Paramo führt der Weg mal zur Abwechslung noch über einen etwas breiteren Seitenstreifen aus Schutt und Geröll, aber auch dieser Wegabschnitt ist nicht erwähnenswert, die Straße ist immer noch in Sichtweite.


Nach kurzer Zeit ereiche in Villadangos del Paramo. Ich bin sehr unschlüssig, weiterlaufen oder bleiben.
Ich schaue mir die Herberge an und entscheide mich weiter zu laufen. Nach einigen Metern drehe ich aber doch wieder um und gehe in die Herberge. Erstmals handelt es sich um eine Herberge, in der es keine Hospitalieros gibt - die guten Seelen dieser Unterkünfte. Ich komme an und suche mir ein Bett aus. Irgendwann kommt eine junge Frau vorbei, kassiert, stempelt die Pilgerausweise und verschwindet wieder.
Die Dreifach-Etagenbetten stehen in kleinen Verschlägen. Jeweils ein Bett rechts und ein Bett links. Die Wände gehen nicht bis zur Decke hoch, man kann alles von jedem Ende der Herberge hören.
Aus diesen Betten möchte ich nachts nicht abstürzen. Das dritte Bett ist hoch oben unter der Decke und ausnahmsweis gibt es hier ein Schutzgitter zur Absturzsicherung.


Sehr vertrauenserweckend wirken die Bettkonstruktionen auf mich nicht. Es gibt in einem Raum noch einige einzelne Betten un dort suche ich mir einen Schlafplatz.
In der Herberge treffe ich kein einziges bekanntes Gesicht. So "einsam" habe ich mich bisher noch nicht gefühlt auf dem Weg. Schon am Flughafen traf ich erste bekannte Gesichter und hier kenne ich erstmals niemanden.
Sprachlich gibt es heute auch leichte Verständigungsprobleme. Etliche Franzosen, die nun einmal meist nur französich reden, einige Spanier und Australier sind hier. Das Dorf ist mal wieder sehr unattraktiv, es gibt einen winzigen Tante-Emma-Laden und sonst nichts.
Die Australier bringen mich zum Lachen. Sie verstehen die Welt nicht. Jetzt, Mitte Mai geht es in Spanien auf den Sommer zu und es ist kälter als in Australien - und dort ist zur Zeit Winter. Die Australier sitzen mit Mützen, Handschuhen, Schal und allen Kleidern am Leib, die sie haben, und frieren.
Der Abend wird entgegen allen Vermutungen doch noch ganz nett. Mit Händen und Füßen klappt die Verständigung zwischen uns allen. Einen Pilger habe ich schon einmal getroffen, aber wir wissen nicht wo und wann, nur dass. Dieses Phänomen tritt öfter auf, gerade wenn man nicht miteinander gelaufen ist oder geredet hat und sich nur in der Bar, im Vorbeilaufen oder in der Stadt kurz getroffen hat. Wir finden die Lösung auf diese Frage nicht.
Es ist entsetzlich kalt. Die Wäsche hat ewig zum Trocknen gebraucht und ich mit jedem Kleidungsstück der Sonne hinterher gelaufen. Heute nacht werde ich wohl wieder alles anlassen. Mein Schlafsack ist einfach nicht warm genug.


Ich bin nicht dort wo ich hätte sein wollen, aber falsch ist es dennoch nicht - nur wo anders.

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