Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Banos de Montemayor - Fuenteroble de Salvatierra


12. Mai 2010
Mein 19. Wandertag

Ich habe furchtbar schlecht geschlafen. Mein Hals kratzt und ich habe das Gefühl, dass die Lunge zu läuft. Da ich so entsetzlich gefroren habe, habe ich mitten in der Nacht meinen Pullover zusätzlich angezogen. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl, aber ich kann es mir auch nicht vorstellen, alleine in Banos de Montemayor zurück zu bleiben.
Mit Aloys und Kelly mache ich mich morgens um 7 Uhr gemeinsam auf den Weg. Es geht aufwärts, hinauf in die Berge. Es ist kalt, grau, nebelig und zeitweise regnet es.
Kurz hinter Banos de Montemayor überschreite ich die Grenze nach Kastilien und Leon.

 

Immer wieder fängt es an zu regnen und so ziehe ich das dritte Mal auf dieser Reise meinen Regenponcho an. Ich spüre, dass ich nicht fit bin. Mit Poncho ist es zu warm, ohne zu nass und zu kalt. Und dennoch laufe ich mit meinen beiden Pilgerfreunden weiter.


Nach einigen Kilometern kommt ein kleines Dorf - Calzada de Bejar. Im Dorf scheint es keine Bar zu geben und wir haben noch nicht gefrühstückt. Aus einem Haus am Wegesrand erschallt ein Ruf.
Iris steht im Hauseingang der Herberge und ruft uns zum Frühstück herein. Auch sie ist heute Morgen in Banos de Montemayor gestartet. Die Herberge ist sehr schön und ich hätte kein Problem zu bleiben, aber es ist erst 9.30 Uhr am Morgen. Da ich mich nicht wohl fühle, kann ich mir durchaus vorstellen, hier zu bleiben, aber nach dem Frühstück fühle ich mich wieder besser. In der Herberge prasselt ein Kaminfeuer und wir sitzen frühstückend um das Feuer und die Hospitaliera versorgt uns liebevoll mit allem was wir möchten. Da mein langärmeliges T-Shirt gestern bei den kalten Temperaturen nach der Wäsche nicht mehr getrocknet ist, hänge ich es vor den Kamin und nach kurzer Zeit kann ich es warm und trocken anziehen - was bei den heutigen Temperaturen auch notwendig ist.
Alois weiß, dass ich mich nicht wohl fühle, dabei versuche ich es zu verstecken - aber er hat mich gut genug kennen gelernt in den fast drei Wochen. Während des Frühstückes sagt Alois mir, dass er mich nicht ohne Unterkunft nach Santiago fahren lässt. Da mein Bus von Salamanca erst abends in Santiago ankommt, hat er Sorge, dass ich aufgrund des heiligen Jahres zu später Stunde kein Bett mehr bekomme.
In seinem Handy hat er einige Telefonnummern gespeichert und so ruft er für mich im neben der Kathedrale gelegenen Kloster San Martin an und reserviert mir ein Bett. Lieber Alois, Danke für alles was du für mich tust!!!
Gestärkt und mich besser fühlend begeben wir uns wieder auf den Weg. Das Wasser steht teilweise recht hoch in den Wiesen und meine Schuhe zeigen mal wieder, dass sie keine Goretex-Membran haben.

 
 

Bei dem nass-kalten Wetter bin ich froh, dass die Bäche heute auf großen Steinblöcken zu durchqueren sind und ich nicht barfuss ohne Hose hindurch waten muss. Immer wieder ziehe ich mich an und aus, das Laufen fällt mir zunehmend schwerer und ich merke, dass ich krank werde. Aber ob ich nun umdrehe oder zur nächsten Herberge weiter laufe, tut sich kilometermäßig nichts mehr. Also laufe ich weiter. Ich habe das Gefühl, dass Alois und Kelly meinetwegen etwas langsamer laufen und ich bin froh nicht alleine zu sein. Ich habe doch heute morgen schon gespürt, dass ich mich nicht wohl fühle. Warum tue ich mich immer so schwer, auf meine innere Stimme zu hören? Ich kann mir bislang noch nicht vorstellen, dass ich zwei Tage vor meinem Ziel - Salamanca - aufgeben muss und hoffe darauf, dass morgen alles wieder in Ordnung ist - aber eigentlich kenne ich mich viel zu gut und weiß, dass es keinen Sinn macht krank durch die Gegend zu laufen.




 
In Valverde de Valdelacasa überrascht uns der nächste große Regenguss und so nutzen wir die Gelegenheit in der Dorfbar den Regen auszusitzen. Bei einem Kaffee wärmen wir uns wieder auf. In dieser kleinen Dorfbar muss sich jeder durchlaufende Pilger in ein Buch eintragen und stolz zeigt uns der Barbetreiber, wie viele Pilger er schon bewirtet hat.
Die Tür der Bar öffnet sich und ein Fahrradpilger tritt herein. Er hört, dass ich Anne heiße, und spricht mich darauf an, ob ich eventuell die Anne aus dem Pilgerforum bin, die zur Zeit auf der Via unterwegs ist. Ich muss lachen. Ja, das bin ich! Franz und ich hatten im Pilgerforum im Internet voneinander gelesen. Die Welt ist so klein und das Internet macht durchsichtig. Vor meinem Start habe ich in der Liste der Pilger 2010 nachgeschaut, ob jemand zeitgleich mit mir startet. Aber auf nach mir startende Fahrradpilger habe ich nicht geachtet, auch wenn diese mich zwangsläufig in der Zeit überholen werden. Ich bin bisher auch noch nie auf die Idee gekommen zu fragen, ob jemand im Pilgerforum gewesen ist.
Wir müssen lachen und als der Regen aufhört laufen Aloys, Kelly und ich weiter und Franz macht ein Foto von uns dreien.



Die letzten 8 Kilometer bis Fuenteroble de Salvatierra ziehen sich ganz schön in die Länge, ich möchte für heute nur noch ankommen. Und irgendwann - es kommt mir wie eine Ewigkeit vor - sehe ich Fuenteroble de Salvatierra etwas unterhalb vor uns liegen. Ich bin nur erleichtert, ich habe es geschafft.
Fuenteroble de Salvatierra ist ein "Muss" für jeden Pilger auf der Via de la Plata.
Don Blas nimmt auf seinen Pilgerreisen immer einen Farbtopf mit und malt die gelben Wegweiser auf den Weg. Die Herberge ist groß und hat viele Betten, aber es gibt keine Heizung. Ein einziger Schlafsaal hat einen Holzofen, alle anderen Räume bleiben kalt. Ich bekomme zum Glück ein Bett im Holzofenzimmer. Iris ist schon da, Kelly und Alois übernachten hier auch. Neil, Christian, Antonio und Germain - alles sind wieder beisammen. Eigentlich will Alois nicht in der Herberge schlafen, da es keine Bettwäsche und Handtücher gibt, aber er bekommt keine andere Unterkunft und so bleibt er. Jedes Bett hat eine Wolldecke und so hat er etwas zum zudecken.
Im Büro von Don Blas brennt ein Kaminfeuer und wir dürfen uns in diesem Raum aufhalten. Es gibt mehrere nette Hospitalieros und sie versorgen uns mit den Überresten vom Mittagessen. Sie haben so viel für die Herbergseltern und den Pater gekocht, dass noch etliche mit dem Mittagessen versorgt werden.
Inzwischen ist meine Stimme ganz verschwunden - meine Hoffnung morgen weiter zu laufen schwindet zunehmend, und dennoch studiere ich die Etappe für den nächsten Tag.
Der Abend klingt mit einer schönen Pilgermesse, in einer sehr kalten Kirche aus.
Hätte mir heute morgen jemand gesagt, dass ich heute 33 Kilometer laufe, ich hätte es nicht geglaubt.

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