Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Monesterio - Fuente de Cantos + Dia-Show4


 
29.April 2010
Mein 6. Wandertag

Obwohl ich ein Bett mit Bettdecke hatte, war meine Nacht durchwachsen. Ich habe geschlafen und zeitweise wach im Bett gelegen. Man hat die Menschen in der Bar gegenüber gehört und die Belüftungsanlage hat gerauscht, aber sonst ist alles in Ordnung. Ich fühle mich ausgeruht für den neuen Tag.
Zum Frühstück gehe ich einige Meter zurück auf dem Weg zur Bar. Die Bar ist noch verschlossen, soll aber um 7 Uhr öffnen. Mit mehreren Pilgern stehen wir davor und warten. Als die Bar öffnet ist schon alles vorbereitet für den Tag und wir bekommen unser Frühstück. Bis Fuente de Cantos werde ich durch keinen Ort kommen, daher ist es wichtig auf die Öffnung der ersten Bar zu warten. Gestärkt nach den üblichen Toastadas gehe ich los. Da das Hostal Extremadura am Ende des Ortes liegt, bin ich schnell im Grünen und von der Straße weg. Neben einem kleinen Wasserlauf führt der Weg zunächst über eine Piste. Die Sonne geht zwischen den Bäumen auf und auch heute wird es wieder ein schöner Tag werden. In der Bar haben wir die Wettervorhersage für Spanien im Fernsehen gesehen. Ganz Südspanien bis Salamanca liegen in herrlichem Sonnenschein mit warmen Temperaturen und Wind. Ganz Nordspanien, der gesamte Camino francés, ist verregnet mit kalten Temperaturen und zeitweise Schneefall.


Heute Morgen treffe ich wieder auf schwarze iberische Schweine. Sie laufen nicht frei, sondern sind auf großen baumbestandenen, blühenden Wiesen untergebracht. Tier in der Extremadura müsste man sein. Auch wenn diese Tiere am Lebensende als Schinken enden, haben sie doch zu Lebzeiten ein tolles Leben. Sie haben soviel Platz, stehen auf riesigen Weiden und nicht eingepfercht im Stall.


Ich bin wieder ganz alleine und habe noch niemanden gesehen, die Bar ausgenommen. Es macht mir keine Angst alleine auf dem Weg zu sein, ich weiß, dass wenn ich Hilfe bräuchte, immer jemand da wäre.
Der Weg ist heute wieder gesäumt von aus groben Steinen gemauerten Mauern. Hinter diesen Mauern stehen viele Kühe und Schafe und muhen oder blöken mich zur Begrüßung an. Es ist so einsam, dass ich mit allen Tieren am Wegesrand rede und Spaß daran habe. Jede Kuh, jedes Schaf, Pferd oder Hund wird begrüßt, genauso die kleinen Vögel, die mich umfliegen. Die Vögel sitzen oft auf den Mauern, oder den Zäunen entlang des Weges und sobald ich vorbeikomme fliegen sie weg, um einige Meter weiter Platz zu nehmen. So begleiten sie mich oft über etliche Minuten.



Irgendwann, wie schon so häufig, taucht plötzlich José-Luis wieder, wie aus dem Nichts, auf. Ich weiß nicht, wo er immer so plötzlich herkommt, oder warum ich ihn nie sehe, wenn ich mich umschaue, und dennoch ist er immer plötzlich da. Wahrscheinlich läuft er immer genau in der Kurve hinter mir, oder einer kleinen Senke oder hinter einer Hügelkuppe. Ich habe mich schon so oft darüber gewundert, aber es ist wirklich so.



Genau so schnell wie José-Luis gekommen ist, verschwindet er wieder.
Die Extremadura wird weiter und flacher. Die Hügel Andalusiens weichen auseinander, es wird ländlicher.
Die Extremadura, die ärmste Region Spaniens, ist geprägt von der Landwirtschaft.
Ein Pilger auf dem Camino francés riet mir 2008 von der Via de la Plata ab. Sie sei so langweilig, da es nur durch Felder und Äcker gehen würde. Der Pilger der mir davon erzählte, war noch nie in der Extremadura und wollte dort auch niemals hin.
Ich kann das nicht verstehen. Der heutige Tag ist wieder wunderschön. Bislang sah die Natur jeden Tag komplett anders aus. Sie verändert sich täglich, aber sie ist auf keinen Fall eintönig oder gar langweilig.
Ich bin fasziniert von der Farben- und Blütenpracht in dieser Jahreszeit. In schon wenigen Wochen wird alles von der Sonne verbrannt und vertrocknet sein, aber auch im Herbst hat diese Strecke ihren eigenen Charme.
Ich durchlaufe grüne Wiesen und höre einen Pfiff - oder war es ein Vogel. Ich schaue mich suchend in der Umgebung um, kann aber niemanden entdecken. Noch einmal dieser Pfiff. Ich sehen niemanden, kann die Richtung nicht orten und gehe weiter.
An einer Wegstelle ist die Wegführung etwas unübersichtlich. Rechts am Zaun hängt ein Wegweiser, der gelbe Pfeil, und einige Meter weiter links, steht der für die Extremadura typische Steinquader.
Ich gehe dem Wegweiser am Zaun eine kurze Weile hinterher, sehe aber keinen weiteren Pfeil.
Da ich auf Nummer Sicher gehen möchte, gehe ich zum Steinquader und schaue dort nach dem nächsten Wegweiser. Und tatsächlich, vom Steinquader aus, kann ich weitere Quader sehen und laufe gut gelaunt in diese Richtung. Jetzt beginnt der schönste Teil des Weges. Ich berausche mich an der Natur, kann mich nicht satt sehen. Alles blüht, Kühe liegen entspannt in der Gegend rum und ich fühle mich pudelwohl.






Ich fühle mich auf der Via de la Plata nie zur Eile getrieben. Ich weiß, dass ich immer relativ zügig laufe, aber das ist mein Lauftempo und kein gehetztes Laufen. Dafür, dass ich eigentlich recht flott laufe, kommen mir die 22 Kilometer recht weit vor. Ich habe keine Uhr dabei, weiß nicht, wie spät es ist, aber die Strecke kommt mir weiter vor. Und tatsächlich, in der Herberge erfahre ich, dass ich eine Alternativroute gelaufen bin. Der Weg mit den Steinquadern war 7 Kilometer länger, als wenn ich den Weg am Zaun weiter gegangen wäre.
Der Weg führt durch die Wiesen und diverse Weidetore . Geschlossene Weidetore bedeuten, dass es in dem Gebiet frei lebende Tiere gibt, auch wenn ich heute noch keine Tiere direkt auf dem Weg getroffen habe. Störche kreisen in der Thermik und sitzen auf Nistgestellen am Wegesrand. Plötzlich sehe ich, ganz begeistert, das erste frei lebende schwarze Schwein. Ich bin ganz aufgeregt, endlich diese Tiere in freier Natur zu treffen. Aus einem Schwein werden ganz schnell ganz viele Schweine und meine Begeisterung weicht, als plötzlich alle in meine Richtung streben. Einige trotten gelassen, andere rennen schnell auf mich zu. Ich bekomme es etwas mit der Angst zu tun. Auch wenn diese Schweine kleiner und zierlicher sind, als die Mastschweine in deutschen Mastställen, haben sie doch Kraft. Ich beschleunige meinen Weg um hinter das nächste Gatter zu kommen. Die Tiere sind sehr interessiert an mir und es scheint, dass ich das "Leittier" bin. Hinter dem Gatter kann ich die Tiere wieder entspannt beobachten. Es sind so viele, ich kann sie nicht zählen - aber es macht Spaß ihnen zu zuschauen.




Hinter der Schweineweide führt der Weg wie gewohnt durch die grünen Wiesen, bis ich nach einem letzten Weidetor auf einen Landweg komme. In der Ferne sehe ich eine Stadt liegen. Es wird Fuente de Cantos sein, aber die Stadt scheint noch immer ca. 8-10 Kilometer entfernt zu sein. Ich wunder mich, aber es bleibt nichts anderes als weiter zu laufen.
Von nun an führt der Weg durch Kornfelder. Hinter mir taucht ein mir noch unbekannter großer Pilger auf. Er stellt sich mir als Neil aus Südafrika vor. Es ist so heiß und Neil sieht schlimm aus. Er hat einen hochroten Kopf, keine Sonnenmütze und ihm läuft das Wasser sichtbar vom Kopf hinunter. Da ich noch ein Kopftuch im Rucksack habe, biete ich es ihm an, aber er lehnt dankend ab, da zu weiblich. Nun ja, ich kann ihn verstehen, aber ohne Kopfschutz in der Gluthitze zu laufen, ist schon fast gefährlich.
Wir kommen an einem Bach vorbei. Der Bach sieht sehr einladend aus und gerne würde ich eine Runde schwimmen gehen um mich abzukühlen. Der Bach führt relativ hohes Wasser und in ihm liegen einige große Steine. Der große, lange Neil balanciert über die Steine und kommt trockenen Fußes auf die andere Bachseite. Ich balanciere von einem Stein zum nächsten und bin schon fast auf der anderen Seite, als ich merke, dass der Abstand zwischen zwei Steinen zu groß für mich ist. Ich überlege auf dem Stein meine Schuhe und Hose auszuziehen um in das Wasser zu steigen - oder gehe ich ganz zurück und wate durch das hüfttiefe Wasser? Neil steht wartend am Bachufer und ein Farmer kommt hinzu. Sie weisen mich an meine Schuhe auszuziehen und ich werfe sie ihnen an das Ufer. Der Farmer steigt in das Wasser, reicht mir seine Hand und ich steige mit Hose und Strümpfen in das schöne kühle Nass und wate an´s Ufer. Die Hose wird schnell in der über 30 Grad warmen Sonne trocknen, frische Strümpfe sind im Rucksack. Der Farmer gibt uns beiden einen Krug mit kühlem frischen Wasser und füllt uns die Wasserflaschen wieder auf. Es ist so heiß und ich trinke wirklich viel und bin dankbar, auch wenn es jetzt nicht mehr so weit zur Stadt ist.




Die letzten ca. 4 Kilometer führen auf einer betonierten Landstraße zur Stadt. Kein Baum, nichts was Schatten spenden könnte. Die Sonne knallt unbarmherzig vom Himmel und ich freue mich darauf anzukommen. Die Beschreibung meines Reiseführers macht mich etwas stutzig. So wie der Weg zur Herberge beschrieben ist, passt er nicht zu den Straßen die ich durchlaufe. Ich frage nach dem Weg und man zeigt auf ein Gebäude, nicht weit von mir. Ein ehemaliges Kloster. Es ist schön hergerichtet und ich fühle mich dort sehr wohl. Kein Wunder, dass die Wegbeschreibung nicht passt, ich bin einen anderen Weg gelaufen, 7 Kilometer weiter, aber ich habe keinen Kilometer bereut.
In der Herberge das übliche Ritual. Waschen, Duschen, Siesta, Supermarkt suchen, Stadt besichtigen.
In der Stadt treffe ich auf Inge-Johanna. Sie ist noch einen ganz anderen Weg gelaufen und sie war es die ich in den Wiesen pfeifen hörte. Sie saß im Schatten unter einem Baum und hat eine Pause gemacht. Sie ist auch den Steinquaderweg gelaufen, aber sie ist durch keinen Bach geklettert. Komisch, aber viele Wege führen zum Ziel. Aber alle drei Wege waren ausgeschildert.
Zum Abendessen verabreden wir uns an der Kirche. Ich rufe Alois an, erfahre aber, dass er sich nicht gut fühlt, und im Bett bleibt. Irgendetwas ist ihm auf den Magen geschlagen. Ich hoffe, dass es ihm morgen wieder besser geht und er weiterlaufen kann.
Das war heute die schönste Etappe bisher!!!


Dia-Show 4:
El Real de la Jara - Fuente de Cantos


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