Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Villafranca de los Barros - Torremegía

2.Mai 2010
Mein 9. Wandertag

Die Nacht in meinem fensterlosen Zimmer war hervorragend. Ich habe wesentlich besser geschlafen als ich es gedacht hätte. Wie jeden Morgen habe ich den Wecker auf 6.30 Uhr gestellt, damit ich den Sonnenaufgang nicht verpasse. Meist bin ich gewohnheitsmäßig eher wach, aber sicher ist sicher - obwohl es auf der Via keine Eile gibt. Um 6.00 Uhr werde ich von meinen lieben Kollegen durch den sms-Ton meines Handys geweckt. Wäre ich nicht im Urlaub, hätte ich heute arbeiten müssen. Ich habe meine Kollegen kurz in der Dienst-Übergabe angerufen und ihnen einen nicht zu arbeitsintensiven Sonntag gewünscht. Da ich nun schon wach bin, stehe ich auf und setze mich in das Wohnzimmer unserer Vermieterin. Hier wird ab 6.30 Uhr unser Frühstück serviert. Meine Pensions-Mama wuselt schon im Nachthemd herum um uns das Frühstück so schön wie möglich zu gestalten. Wünsche dürfen geäußert werden, aber wir essen wie üblich Toastadas mit Marmelade.
Zum Abschied nimmt sie uns in den Arm, drückt und küsst uns auf die Wange und wünscht viel Glück für den weiteren Weg. Suerte, Suerte, Suerte!
Alois, Jesus und ich verlassen zeitgleich die Unterkunft. Dermot und Phillip sind kurz vorher gestartet.
Obwohl wir es nicht geplant oder abgesprochen haben, ergibt es sich, dass Alois und ich heute den Weg gemeinsam laufen. José-Luis ist auch wieder mit von der Partie. Ich weiß nicht, wo er übernachtet hat, aber er läuft wieder vor uns.
Der Weg führt hinaus in flache Weinstockfelder. Alles ist flach und ich wunder mich etwas, dass wir Dermot und Phillip nicht sehen können. Wir können kilometerweit über die flache Region gucken.



Mal laufen wir nebeneinander, mal hintereinander, schweigend und erzählend über den flachen Weg.

 
Die erste Piste geht in eine zweite über. Diese neue Piste ist sehr lang, sehr flach und weit. In der Ferne am Horizont kann man im Dunst einige Berge liegen sehen. Der Blick geht geradeaus, ohne Abwechslung am Wegesrand. Blumen oder blühende Gräser, Störche, weidende Tiere gibt es hier nicht. Nur Weinstöcke.




Die Sonne scheint, aber es bläst ein schneidender Wind. Über das flache Land wird der Wind nirgends aufgehalten.
Alois wurde daheim von seinen Enkeln gefragt, wie weit er jeden Tag läuft. Um den kleinen Jungs die Weite zu verdeutlichen sagte er: "Bis zum Horizont und etwas weiter". Heute stimmt es wirklich. Zeitweise sieht man in der Sonne vor den Bergen etwas aufblinken. Ich nehme an, dass das unser heutiger Etappenort - Torremegía - sein wird. Die Weg ist komplett eben, keine Steigung, aber ich empfinde den heutigen Weg als wirklich anstrengend. Die ganze Zeit habe ich mein Ziel vor Augen, aber es kommt und kommt nicht näher.
Wir treffen wieder auf José-Luis, der auf einem Stein hockt und eine Pause macht. Wir setzen uns dazu und essen unsere Orangen und Bananen. Ich ziehe mir noch eine weitere Kleidungsschicht an, da mir wegen des Windes tendenziell eher kalt ist.



Mit der Zeit kommt Torremegía näher. Der Weg führt an einen Bahndamm heran und verläuft durch eine Wiese parallel zur Bahntrasse. Im Pilgerführer wird beschrieben, dass wir die Unterführung der Bahnlinie passieren müssen, diese aber häufig überschwemmt ist. Und auch heute ist es so, die Unterführung steht hoch unter Wasser, es gibt kein Durchkommen. So klettern wir den steilen Bahndamm hoch, laufen einige Meter über die Schienen um auf der gegenüberliegenden Seite, hinter dem Wasser, wieder hinunter zu klettern. Der Bahndamm ist total steil und voll bewachsen mit Disteln. Alois ist schon wieder unten auf dem Weg und auch ich klettere wieder hinunter, falle aber in den Sitz in die Disteln. Das habe ich super gemacht. Alles sticht und brennt und von nun an habe ich noch mehr Flatschen an den Beinen und am Gesäß. Dort wo der Weg durch hohes Gras führte, haben mich schon etliche Insekten gestochen.




Nach der Überquerung des Bahndammes ist es nicht mehr sehr weit bis in das Dorf. Das Dorf ist gänzlich unspektakulär, es gibt nicht einmal eine Plaza. In diesem Dorf gibt es nichts zu tun, als auszuruhen. Alois und ich trennen uns für heute. Er geht in sein Hostal und ich zur Herberge. Am Weg ist die Herberge direkt ausgeschildert. In meinem Pilgerführer ist die Herberge komplett anders beschrieben, aber scheinbar gibt es eine neue Herberge. Ich bin dort alleine mit José-Luis. Bei der Dorfbesichtigung sehe ich, dass es die andere Herberge sehr wohl gibt. Sie liegt neben der Kirche in einem herrschaftlichen Gebäude. Da ich nun schon ein Bett habe ziehe ich nicht noch einmal um. Meine Herberge gehört dem Besitzer einer Bar und sie wird überteuert angeboten, im Vergleich zur kirchlichen Herberge. Aber sie ist ruhig und sauber.
Ich studiere den weiteren Etappenplan und überlege wie ich die nächsten Etappen gestalten möchte.
Ich werde einige längere Etappen bis 38 Kilometer laufen, aber auch einige kürzere. Die Etappenlängen lassen sich oft nicht sinnvoll einteilen. Entweder muss ich Etappen mit knapp unter 40 Kilometern laufen, oder als Alternative Kurzetappen mit 12-15 Kilometern. Ich habe mir nun alles so zurecht gelegt, dass ich am Samstag den 16. Mai in Salamanca bin. Am Sonntag werde ich mit dem Bus nach Santiago fahren und Montags zurückfliegen.
Ich laufe am Abend noch eine Runde durch das Dorf und erkunde den morigen Wegbeginn. Bei dem Rundgang kommt es zu einem zufälligen Treffen von Dermot und Phillip, José-Luis, mir und einem spanischen Ehepaar. Das Ehepaar ist total lieb und nett und gesellt sich zu unserer Pilgertruppe. Die Beiden haben Bohnen gepflückt und verteilen sie nun großzügig unter uns Pilgern. Dabei erzählen und lachen wir. Es handelt sich um eine Bohnenart, die man frisch vom Strauch essen kann und wir genießen das frische Gemüse. Gemüse gibt es auf dem Weg viel zu selten. Als Dank tragen José und Phillip den schweren Bohnensack bis in die Dorfmitte.

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