Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Tajo-Stausee - Grimaldo

8. Mai 2010
Mein 15. Wandertag

Die Nacht in dem Federbett, in himmlischer Ruhe, war wunderbar. Ich fühle mich total erholt und ausgeschlafen.
Die Hospitaliera der Herberge am Tajo-Stausee ist zu morgendlicher Stunde noch nicht anwesend. Sie hat uns alles bereitgestellt und so frühstücken wir mit allen 9 Pilgern in der Herberge zusammen. Kaffee steht in der Thermoskanne, Milch ist im Kühlschrank, ebenso der Orangensaft. Toaster, Brot und Marmelade stehen bereit. Auch wenn wir auf mehrere Zimmer verteilt geschlafen haben, hört man seine Mitpilger aufstehen. Täglich gegen 6.30 Uhr beginnt das Erwachen und Aufstehen. Es ist schön, sich in aller Ruhe fertig machen zu können. Es gibt keine Hektik und jeder heißt den Tag so willkommen, wie man es für richtig empfindet.
Boy sitzt Pfeife rauchend auf der Terrasse, einige für den Anfang nur mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einige sind schon aktiver und übernehmen das Toasten des Brotes für alle.
Wir lassen es uns gut gehen und um 7.15 Uhr brechen wir zu fünft zur nächsten Etappe auf. Ich verlasse die schöne Herberge mit Iris aus der Schweiz, Christian aus Frankreich und Antonio und Germain aus der italiensischen Schweiz die Herberge. Von der Herberge bis zur Straße sind es nur einige 100 Meter. Wir überqueren die Straße und schlagen einen steinigen, holperigen Pfad den Berg hinauf, ein. Nach kurzer Zeit höre ich einen lauten Ruf und einen Pfiff. Keine Ahnung um was es geht, da ich die spanische Sprache nicht verstehe.
Ich sehe einen Schäfer mit einer großen Herde uns den Weg entgegenkommen. Wir müssen den Weg verlassen und uns in das Gebüsch am Wegesrand schlagen, da die Herde sonst nicht passiert.
Die Augen der Schafe leuchten in der aufgehenden Sonne grünlich. Sobald wir im Gebüsch jenseits des Weges stehen, laufen in Schafe zügig an uns vorbei.




Der Weg steigt den Berg hinauf und vom Weg kann man, wenn man zurück schaut, den Tajo-Stausee in der aufgehenden Sonne liegen sehen. Heute ist es bewölkt. Nach dem gestrigen Gewitter klarte der Himmel wieder auf, aber es war abzusehen, dass sich die Wolken nicht ganz verziehen. In der Wettervorhersage wird Regen für den heutigen Nachmittag angekündigt.



Je höher wir kommen, desto verhangener wirken die Berge. Es wird deutlich hügeliger, wenn auch noch nicht bergig. Unsere 5er-Truppe zieht sich auseinander. Wir sind zusammen aufgebrochen, weil wir gemeinsam gefrühstückt und aufgeräumt haben, und daher zeitgleich startklar waren. Wir wollen alle nach Grimaldo, aber jeder geht sein Tempo. Iris ist immer sehr schnell und läuft vorne. Christian ist etwas langsamer und läuft hinten im Trupp, die Freunde Antonio und Germain laufen wie ich in der Mitte. Iris entschwindet bald meinem Blickfeld.



Der Weg gabelt sich. Es gibt zwei Möglichkeiten. Den direkten Weg nach Grimaldo, der etwas kürzer ist, oder einen Umweg durch das Dorf Canaveral. Da früher die Pilger alle durch Canaveral gelaufen sind um dort zu schlafen oder sich zu stärken, schlage ich diesen Weg ein. Vielleicht treffe ich dort Alois. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, denn im nächsten Dorf Grimaldo gibt es kein Hostal, so dass er dort nicht übernachten kann. Dennoch gehe ich Richtung Canaveral um dort in der Bar eine kleine Pause zu machen.
Die mich umgebenden Berge sind wolkenverhangen, und momentan kann ich mir nicht vorstellen, mein Etappenziel trocken zu erreichen.

Über eine kleine Römerbrücke erreiche in Canaveral. Die Wolken hängen so tief, dass der Kirchturm gerade noch zu sehen ist. Auf jedem Vorsprung der Kirche nisten typischer Weise die Störche.


In der Bar mache ich es mir bequem, ziehe meine Wanderschuhe aus, lege meine Beine hoch und lese bei einem leckeren Caffee con leche zum wahrscheinlich 100. Mal meinen Reiseführer. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Buch schon gelesen habe, aber es ist das einzige Buch was ich dabei habe. Zur Via de la Plata gibt es in Deutschland zwei bekannte Reiseführer - einen roten und einen gelben. Während meiner Vorbereitung auf die Via habe ich mir beide Bücher gekauft, aber ich habe nur das gelbe Buch mitgenommen. Die Wegbeschreibung ist genauer, die Kilometerangaben korrekter, aber es ist textlich nicht so schön zu lesen.
Der Weg ist im Buch genau beschreiben: ....nach 100 Metern rechts, ....nach 250 Metern links, ......nach dem 5. Weidetor.......
Die Wegbeschreibung ist sehr genau, aber immer wenn ich den Reiseführer mal brauche, weiß ich nicht, wie viele Weidetore ich zu dem Zeitpunkt schon durchquert habe und komme damit nicht weiter.
Nach der Pause erreiche ich schnell den Dorfrand von Canaveral. Alois habe ich nicht getroffen, Antonio und Germain müssen in einer anderen Bar - oder durchgelaufen sein.
Ich bin wieder allein auf weiter Flur. Es war das erste Mal, dass ich morgens in einer 5-er Truppe gelaufen bin. Hinter Canaveral folge ich kurzfristig dem Lauf der Straße und biege dann wieder in einen Trampelpfad ein, der an einer Kapelle entlang führt. Ich sehe, dass mein Weg für eine kurze Zeit steil bergauf führt, die Straße im Tal umrundet den Berg.


 


Nach wenigen 100 Metern ist der kurze, aber sehr steile Aufstieg geschafft und ich stehe in einem Kiefernwald. Dieser Anblick ist ganz fremd und ungewohnt. Hier auf der Via habe ich bislang keinen Kiefern gesehen. Am Boden liegen große Kiefernzapfen.





Als ich aus dem Wald herauskomme fallen einige wenige Regentropfen. Es sind so wenige, dass ich noch nicht bereit bin, meinen Regenponcho anzuziehen. Hinter einer zu querenden Straße verändert sich der Wegcharakter völlig. Auf einer grünen Wiese stehen knorrige Bäume, dazwischen hohe Zistrosen und der Weg ist als Trampelpfad gerade noch zu erkennen. Weshalb auch immer, ich muß an einen verwunschenen Märchenwald denken. Mehrere Bachläufe sind zu durch- oder überqueren, stellen aber kein Hindernis dar.
Ich verlaufe mich einige Meter, aber es sind wirklich nur einige Meter. Ich wunder mich, dass der Trampelpfad im Boden immer schmaler und dünner wird und dann nicht mehr zu sehen ist. Ich drehe um, hole meinen Reiseführer raus und lese, dass ich mich am Zaun orientieren muss. Den Wegweiser am Zaun habe ich übersehen, aber da es nur 200-300 Meter Umweg waren, ärger ich mich nicht. Ich bin froh, meinen Fehler direkt gemerkt zu haben.





Da Grimaldo nicht direkt am Wegesrand liegt, zweigt der Weg in das Straßendorf durch ein klapperiges Törchen ab. Der Weg nach Galisteo führt geradeaus weiter. Bis Galisteo sind es noch weitere 20 Kilometer und damit würde ich die 40-Kilometer-Marke überschreiten. Das möchte ich nicht und so steuere ich die kleine Herberge in Grimaldo an. Grimaldo besteht aus ca. 10 Häusern. Ich blicke suchend die Straße entlang, da werde ich schon gerufen. In einem kleinen unscheinbaren Haus ist die bislang kleinste Herberge des Weges untergebracht. Die junge Frau, die mich gerufen hat, kenne ich noch nicht, aber ich bin eindeutig als Pilger zu erkennen und was werde ich wohl wollen, da Grimaldo abseits des Weges liegt?
Die Herberge in Grimaldo ist winzig klein, etwas usselig und feucht, aber sie hat 12 Betten in drei Zimmern. Zwischen den Betten kann man sich gerade so durchquetschen, mehr Platz ist nicht. Im Vorraum steht ein kleines Sofa, es gibt eine winzige Küche und ein winziges Badezimmer. Neben der Herberge gibt es eine Bar. Einen Tante-Emma-Laden gibt es nicht, aber in einer Garage auf der Rückseite des Hauses hat ein fahrender Händler seine Sachen ausgebreitet. Alles liegt auf dem Boden. Ich kaufe einige Joghurts und etwas Obst.
Verschmitzt muss ich lachen. Auf dem Weg nach Alcuescar bin ich mit Eberhard gewandert und er fragte mich erstaunt: "Was machst du hier auf der Via de la Plata, alleine, als Frau? Die Via ist ein Männerweg!"
In der Herberge sind außer mir bisher nur Iris, und Kelly eine Estonin. Drei alleine laufende Frauen auf einem Männerweg! Nach uns kommen noch Jos und Boy, Christian und Germain und Antonio, genau wie am Tag zuvor am Tajo-Stausee.
Kurz nach meiner Ankunft beginnt es zu regnen. Es regnet nicht nur, es schüttet. Es ist kalt, die Herberge ist feucht und es bleibt nichts zu tun, außer den Rest des Tages zu verbringen. Wir wandern zwischen der nebenan liegenden Bar und der Herberge hin und her. Nach der Ankunft gibt es mit allen zusammen ein Pilger-Menue. In der winzigen Herberge gibt es einen Fernseher mit einem Programm. Da es nur regnet, legen wir eine Matratze auf den Boden, setzen uns zusammen drauf und decken uns mit etlichen Decken zu. Es gibt nur Stierkampf im Fernsehen und wir sind entsetzt über die Brutalität. Der Stier hat keine Möglichkeit diesen Kampf zu gewinnen. Sport ist das für mich nicht.


Abends legt jeder auf den Tisch, was der Rucksack zu bieten hat. Alle die nach mir kamen, konnten nichts mehr kaufen, der fahrende Händler war schon wieder weg. Niemand muß hungern. Es gibt eine Mikrowelle und wenige Tassen. Ich habe Teebeutel dabei und so kochen wir in der Mikrowelle Tee. Kelly hat Kekse, ich noch etwas Obst und Joghurt, Jos und Boy Schokolade. Wir werden alle satt. Da wir alle keine Vorräte mehr im Rucksack haben, bitten wir die Besitzerin der Bar, morgen doch schon etwas eher für uns zu öffnen. Sie stimmt ein und wird die Bar für uns zu 7 Uhr öffnen.
Es regnet und regnet. Ich habe das Gefühl, dass der fehlende Regen der letzten 2 Wochen fällt.
Ich werde mich überraschen lassen, was der nächste Tag bringt.

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