Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

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Fuente de Cantos - Zafra

30. April 2008
Mein 7. Wandertag

Die Nacht in der touristischen Albergue in Fuente de Cantos war wunderbar. Da auf der Via de la Plata viel weniger Pilger unterwegs sind als auf dem Camino francés werden nicht so viele Betten in den Unterkünften benötigt. Dem entsprechend gibt es nur wenige Betten in jedem Zimmer und es herrscht eine unglaubliche Stille. Gut - Schnarcher gibt es überall - aber ich habe mal wieder Glück gehabt, oder ich habe das Schnarchen überhört. Prophylaktisch stecke ich mir zur Nacht Ohrstöpsel in die Ohren um die Nebengeräusche nur abgeschwächt zu hören, aber oft wäre es nicht notwendig.
Heute gibt es erstmals nach fast einer Woche einige Dörfer auf der Strecke.
In der Albergue ist ein kleines Frühstück im Preis enthalten und so gehe ich nach dem Aufstehen und Packen erst einmal in die Küche und bekomme mein Frühstück serviert. Danach nehme ich meinen Rucksack und mache mich kurz nach Dämmerungsbeginn auf den Weg. Da ich mir schon gestern den Weg aus der Stadt heraus angesehen habe, ist er problemlos bei relativer Dunkelheit zu finden.
Am Stadtrand von Fuente de Cantos werde ich wie gewohnt auf eine Schotterpiste geleitet und folge dieser.
Der heutige Sonnenaufgang ist wieder wunderschön. In den 7 Wandertagen merkt man schon, dass die Dämmerung täglich etwas früher einsetzt. Am ersten Wandertag in Sevilla begann die Dämmerung um 7.30 Uhr, jetzt schon gegen 7.15 Uhr. Um dieses Schauspiel zu sehen, muss ich nicht sonderlich früh aufstehen, um diese Uhrzeit bin ich automatisch wach.
In der Ferne sehe ich eine Autostraße, die relativ wenig befahren ist und schon nach 4-5 Kilometern erreiche ich das erste Dorf auf dem Weg.



Auch wenn ich schon gefrühstückt habe, kehre ich in der ersten Bar ein.
Wie vermutet bin ich nicht die einzige Pilgerin. In der Bar sitzt schon Mireille und Inge-Johanna trifft direkt nach mir ein. Mit einem frisch gepressten Orangensaft sitzen wir draußen und freuen uns über den heutigen Tag. Jeder Tag wird genommen wie er kommt, über das Morgen mache ich mir hier keine Gedanken. Es wird kommen, wie es kommen muss und es wird Sinn haben.
Auch wenn wir mit mehreren Pilgern in der Bar gesessen haben, breche ich alleine wieder auf. Nach einiger Zeit sehe ich Inge hinter mir und freue mich, sie in der Nähe zu haben. Die Schotterpiste zieht sich durch die Felder. Die Hügel sind noch weiter auseinander gewichen und es wird immer flacher.


 
Den ersten Seitenarm eines Baches überquere ich mit Schuhen und trockenen Fußes. Mit jedem Schritt taste ich mich von einer Moosinsel, zum nächsten Stein und auf die nächste Insel. Dort stehe ich nun, und überlege, wie ich weiter komme. Das Wasser ist zu hoch und es bleibt nichts anderes übrig als mich doch noch auszuziehen. Von der grasbewachsenen Insel geht es einen rutschig-lehmigen steilen Abhang in´s Wasser hinunter. Der erste Tritt tut weh, ich stehe zwischen irgendwelchen, nicht-sichtbaren Steinen. Also weiter, vorsichtig vorwärts tasten. Mit dem nächsten Schritt sacke ich im weichen Lehmboden bis über die Knie ein. Neben mir höre ich einen Schrei: ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!! Anne, i need help!
So gerne ich Inge helfen würde, ich muss selbst erst einmal aus diesem unscheinbaren Bach herauskommen. Er ist nicht wirklich tief und breit, aber der Lehm lässt mich im Bachboden versacken. Ich schmeiße mich mit dem Oberkörper auf die distelbewachsene, taunasse Wiese und ziehe meine Beine aus dem Schlamm. Inge hat es auch geschafft und wir liegen lachend im nassen Gras. Wir sind total verdreckt. Die Beine und die Hosen sind lehmverschmiert und die Hände und Arme sind verkratzt von den Disteln. Da das Gras noch nass ist vom nächtlichen Tau versuchen wir uns mit dem nassen Gras die Beine zu säubern. Unser Trinkwasser muss für die Fußreinigung herhalten - dem Schlammbach näher ich mich nicht mehr.



Wir lachen, lachen und lachen und beobachten im Gras sitzend die nach uns kommenden Pilger. Wir raten von unserer Überquerungsstelle ab. Dermot versucht es mit einem im Wasser liegenden Baumstamm. Und Platsch - Dermot ist weg! Der Baumstamm versinkt unter Dermot im Lehm und Dermot liegt im Wasser. Guiseppe nimmt eine andere Stelle und schafft es mit Schuhen trocken hinüber.
Der verbliebene Matsch trocknet schnell und bildet eine staubige Kruste auf der Kleidung. Der Weg führt an Oliven und Getreidefeldern vorbei. Am Wegesrand werden Abfälle verbrannt und es riecht und qualmt recht stark. Obwohl wir mit mehreren nacheinander den Bach überquert haben, zieht sich die kleine Pilgerkarawane wieder auseinander. Ich kann nur noch Inge vor mir sehen, hinter mir niemanden mehr. Man kann zwischen den Feldern sehr weit sehen, aber die nächste Ortschaft lässt auf sich warten.
Der Weg führt über einige Gleise und dann an ihnen entlang. Plötzlich stehe ich vor einem verschlossenem Tor. Das Tor das den Weg verschließt ist so hoch, das ich nicht hinüber klettern kann. Auf der Straße hinter dem Tor sehe ich den nächsten Wegweiser. Ich suche mir einen Weg aus dem alten Bahnhofsgelände hinaus und bin im nächsten Dorf.




Von Puebla de Sancho Perez sind es nur noch wenige Kilometer bis Zafra und ich beschließe noch weiter zu gehen. In vier Kilometern Entfernung gibt es eine sehenswerte Stadt, die will ich mir nicht entgehen lassen. Es geht weiter über die Schotterpiste und an einer Straße entlang geht es in´s Zentrum von Zafra.


An der Plaza Grande treffe ich Neil den Südafrikaner wieder, er weist mir den Weg zur Herberge. Die Herberge ist wieder schön in einem alten Gebäude mit Innenhof untergebracht. Im Zimmer stehen 3 Etagenbetten, jedes Zimmer mit einer Dusche und es gibt Federbetten. Da es so heiß ist, nutze ich die frühen Nachmittagsstunden zur Siesta. Handy und Fotoakkus werden dabei geladen und ich liege wach auf meinem Bett und überdenke die erste Wanderwoche.
Alles ist super gelaufen. Zeitweise tun mir einige Gelenke relativ weh, aber dennoch ist es gut machbar. Dass die Füße auf so einem Weg weh tun dürfen, ist selbstverständlich.
Heute vor zwei Jahren bin ich zu meinem ersten Camino aufgebrochen. Es ist schon zwei Jahre her und es ist mir nach wie vor alles präsent, als wäre es gestern gewesen!
Um 17 Uhr begebe ich mich auf die Suche nach einem kleinen Laden um Wasser und die üblichen Bananen für den nächsten Tag zu kaufen. Ich besichtige einige Kirchen und laufe durch das Städtchen. Als ich in einem Park sitze kommt Alois auf mich zu. Ich freue mich ihn zu sehen. Sein Magen rebelliert immer noch und er ist mit dem Bus nach Zafra gefahren. Da ich mit Inge zum Abendessen verabredet bin, kommt Alois mit, und wir lassen den Tag gemeinsam ausklingen.
Gemeinsam gehen wir drei in einem Restaurant - nicht in einer Bar - essen. Es ist unser letzter gemeinsamer Abend. Inge wird in Zafra einen Tag Pause machen. Sie möchte einen Tag lang entspannen und erholen, hat Massagen etc, für den nächsten Tag gebucht. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir sie nicht wieder treffen. Die Distanzen auf der Via sind zu weit, um mal eben eine Etappe wieder aufzuholen.
Wir drei sind uns schon am ersten Abend in Guillena begegnet und seit dem täglich. Wir sind eine prima Weggemeinschaft gewesen.





Gemeinsam halten wir unser "letztes Abendmahl" und verabschieden uns.
Nach unserer Rückkehr in heimatliche Gefilde werden wir uns über unseren Weg per Email austauschen und von einander hören.

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