Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Castilblanco de los Arroyos - Almadén de la Plata

26. April 2010
Mein dritter Wandertag

Nach einer guten, wenn auch sehr warmen, Nacht stehe ich um 6 Uhr auf und begebe mich nach schnellen Packen in die Bar auf der Gegenseite der Straße. Heute steht eine 31-Kilometer-Etappe bevor. Auf den 31 Kilometern wird es keine Möglichkeit zur Einkehr geben. Auf der Strecke durchlaufe ich keinen Ort. Der Wirt braut mir einen Kaffee und es gibt die üblichen Toastadas. Ich bin der erste Gast des Tages. Da gestern Sonntag war, hatte kein Lädchen auf. Es war nicht möglich Proviant zu kaufen, daher lasse ich mir vom Wirt der Bar ein Bocadillo und 3 Liter Wasser geben. 3 Liter sind zusätzliche 3kg Gepäck, aber bei den angekündigten 32 Grad Celsius brauche ich das Wasser dringend. Es ist das Wichtigste, was bei diesem heißen Wetter mitgenommen werden muss!
Nach dem Frühstück begebe ich mich im Dunkeln auf den Weg. Eigentlich sehe ich keinen Sinn darin, im Dunkeln zu laufen, aber die ersten 16 Kilometer - die erste Hälfte der Etappe - führen am Straßenrand einer wenig befahrenen Straße lang. Es gibt keinen Schatten und sobald der Beton aufgeheizt ist, strahlt er zusätzliche Wärme ab. So marschiere ich im Dunkeln aus der Ortschaft heraus. Verlaufen kann ich mich nicht, es gibt keine abbiegenden Straßen. Immer nur geradeaus, um einige Kurven, immer aufwärts. Gegen 7.15 Uhr setzt die Dämmerung ein. Am Straßenrand sehe ich grüne, blühende Wiesen, Korkeichen und viele Viehweiden mit Schafen, Jungstieren und Kuhherden.




Im Großen und Ganzen ist die Strecke auf der Straße recht ereignislos. Ich laufe die wenig befahrene Straße und laufe und laufe. Ich möchte weg von der Straße. Vor und hinter mir sehe ich wieder niemanden.


 
Nach circa 9-10 Kilometern treffe ich Mireille und Dermot am Straßenrand sitzend. Die Beiden sind schon um 5 Uhr aufgebrochen und sehen richtig fertig aus. Mireille aus Kanada schätze ich auf Mitte 60, von Dermot weiß ich, dass er 75 Jahre alt ist. Dermot ist kaputt und schwitzt jetzt schon stark. Mein Krankenschwester-Instinkt kommt direkt in mir hoch und ich mache mir Sorgen. Bis zu dieser Stelle waren es ca. 9 oder 10 Kilometer, das heißt dass noch 20 Kilometer zu laufen sind. Die Beiden sagen, dass es ihnen gut geht und sie nur etwas pausieren müssen. Ich gehe weiter. Dermot und Mireille entschwinden meinem Blickfeld und ich sehe wieder niemanden. Da die Weiden rechts und links der Straße eingezäunt sind und ich mal in´s Gebüsch müsste, es aber keine wirkliche blickgeschützte Stelle gibt, setzte ich mich schnell in den Straßengraben. Wer soll mich schon sehen, seit Stunden habe ich niemanden gesehen (abgesehen von Mireille und Dermot die weit hinter mir sind). Ich trete mal schnell aus, und ich kann es nicht fassen. Da sitze ich gerade im Straßengraben und José-Luis überholt und sieht mich. Er fragt ob ich Hilfe brauche und ich verneine lachend. Wo kommt der jetzt her? Ich habe mich doch schon so oft umgeblickt und niemanden gesehen !
Nach 16 Kilometern erreiche ich in Eingang zum Naturpark "El Berocal". Zufällig kreist, wie ein Wegweiser, ein gelbes Sportflugzeug über dem Abzweig von der Straße.
Mit Beginn des Naturparks ändert sich die Landschaft wieder schlagartig. Ich sehe über sanfte grüne, bewaldete Hügel. Am Wegesrand stehen Korkeichen, alles blüht. Ein See ist in der Ferne zu sehen.




Es ist erst 11 Uhr am Vormittag, aber es ist schon richtig heiß. Die Sonne knallt vom Himmel. Schatten auf dem Weg gibt es nicht. Der einzige beschriebene Brunnen auf dem Weg sieht nicht einladend aus. Das Wasser wirkt trüb. Da ich genug Wasser dabei habe, nutze ich den Brunnen um mich zu erfrischen. Meinen Sonnenhut tunke ich in das Wasser und setze ihn nass wieder auf. Das Wasser kitzelt erfrischend im Nacken, aber die Kühle wird nicht lange vorhalten.
Der Weg schlängelt sich durch den Park. Ich setzte mich in den Schatten unter einen Baum und mache eine kleine Pause. Lange mag ich, obwohl es so schön ist, nicht sitzen bleiben. Je höher die Sonne steigt um so heißer wird es. Ich komme an einem See vorbei, und ich überlege einen kurzen Moment hinein zu springen, lasse es aber bleiben. In jeder Pfütze und jedem kleinen Bach mache ich meinen Hut nass.
Plötzlich tauchen, wie aus dem Nichts, mal wieder drei junge Männer vor mir auf. Auf diesem Weg stehen die Pilger immer plötzlich vor einem. Immer wenn ich mich total alleine glaube, taucht irgendwo jemand auf. Die drei Jungs vor mir sind schwer beladen. Ich höre, dass sie deutsch sprechen und wir kommen in´s Gespräch. Ihr plötzliches Auftauchen erklärt sich dadurch, dass sie im Park gezeltet haben.
Michael aus Polen schleppt tatsächlich 20kg!!!!! Gepäck mit sich rum. Zelt, Kocher, Isomatte etc....
Diesen schweren Rucksack wollte ich nicht tragen.
Dominierten anfangs im Park Korkeichen , schwinden diese nun, und Kiefern prägen das Landschaftsbild. Da ich von Süden nach Norden laufe, fallen die Schatten immer nach vorne und nicht auf den Weg.
Der Weg ist garantiert schattenfrei.





Gegen Mittag versuche ich mich unter eine Kiefer zu setzen und esse mein Bocadillo. Lange bleibe ich wieder nicht sitzen. Es ist so schön hier, aber es wird immer heißer. Die kurze Hose habe ich gegen eine lange ausgetauscht, da in der heißen Sonne meine Unterschenkelrückseite verbrannt ist. Die Sonne glüht.
Trinken tue ich nur im Laufen. Flüssigkeit ist das Wichtigste bei diesen Temperaturen.
Es ist kein Wunder, dass im Hochsommer von der Via Plata abgeraten, sogar gewarnt wird. Es ist Ende April und glühend heiß.
Die Kiefernvegetation geht in Buschwerk über und vor mir tauchen Berge auf. Im Reiseführer wird beschrieben, dass zum Ende der Etappe ein steiler Anstieg ansteht. Es kann nicht mehr so weit sein. Es fragt sich nur, welcher der zu sehenden Wege mein Weg ist.



Der Weg biegt nach links ab und führt mich durch ein Weidegatter. Auf dem Weg liegen wieder Kuhfladen und ich kann die Tiere schon riechen. Ich bin ganz alleine und heute muss ich mich alleine meiner Angst stellen. Das Bimmeln der Kuhglocken wird immer lauter und dann sehe ich die Tiere rechts und links des Weges. Sie glotzen mich mit ihren schönen Augen an, ignorieren mich aber. Der Weg schlängelt sich steil bergauf und wird immer steiler. Mein Herz und meinen Puls höre ich in meinen Ohren. Auf so einer steilen Stelle, kaum einen Meter breit, stehen dann wieder die Kühe. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Ich nehme all meinen Mut zusammen und gehe auf sie zu. Kurz bevor ich sie erreiche weichen sie etwas auseinander und ich kann zwischen ihnen hergehen. An solche Situationen muss ich mich noch gewöhnen. Auf der höchsten Stelle ist der Aussichtspunkt zu erkennen. Von vielen Berichten aus dem Internet kenne ich dieses Bild. Auf dem Aussichtspunkt angekommen blicke ich auf den zurückgelegten Weg zurück. Der größte Teil des Weges ist für heute geschafft, auf der Rückseite des Berges sehe ich schon mein heutiges Etappenziel Almadén de la Plata.





Der Abstieg nach Almadén benötigt noch einmal die volle Aufmerksamkeit. Der Weg ist sehr steil und voll von Geröll. Die Freude es gleich geschafft zu haben, setzt die letzte Energie frei und so stehe ich kurze Zeit später im Ort. Die Herberge liegt am Dorfrand. Um ein Bett in der Herberge zugeteilt zu bekommen muss ich noch einige Meter bis zum Haus der Hospitaliera laufen. So heiß es in dem Dorf ist, so kühl ist es in der Herberge. Es ist erstaunlich, wie kühl es bei der Hitze in der Herberge ist.
Ich dusche mich und lege mich für eine kurze Siesta auf mein Bett. Antonio, der italienische Radpilger ist auch wieder da. Gemeinsam suchen wir eine Bar um Essen zu gehen. Wir sitzen gerade in der Bar, da erscheint Alois und Inge-Johanna wohnt auch schon in einem Gastzimmer der Bar.
Die Kombination vom ersten Abend in Guillena ist wieder beisammen.
Am späten Nachmittag kommen auch Dermot und Mireille an. Sie sind total erschöpft und strahlen über das ganze Gesicht. So werden wir alle bei der Ankunft ausgesehen haben. Erschöpft, schwitzend und stolz die erste große und zum Schluss steile Etappe bewältigt zu haben.

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